Die Redaktion von Gulp hat in der zweiten Januarhälfte seine Leser zu dem ursprünglichen Gesetzesentwurf von Andrea Nahles und dem darin enthaltenen Negativkriterienkatalog befragt. 440 IT- und Engineering-Spezialisten antworteten.
Zwar ist der Kriterienkatalog inzwischen Geschichte, die Ergebnisse dürften aber auch für den Fall gelten, dass die Deutsche Rentenversicherung ihre fragwürdige Entscheidungspolitik bei Statusfeststellungsverfahren ungebremst fortsetzt:
37,5% würde dem deutschen Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen
Nur etwas mehr als jeder vierte Befragte (27,2%) würde in eine Festanstellung wechseln. Das deckt sich mit früheren Gulp-Studien, laut denen 31,4% der Freiberufler bereit wäre, in eine Anstellung zu wechseln, wenn die Konditionen stimmen.
Jeder fünfte Befragte (20,6%) würde auswandern, zum Beispiel nach Österreich oder in die Schweiz, wo zudem teilweise deutlich höhrere Honorare bezahlt werden. Jeder sechste (16,9%), vor allem die über 50-jährigen unter den Befragten, würde sich zur Ruhe setzen. Mindestens 37,5% der Befragten würde dem deutschen Arbeitsmarkt also nicht mehr zur Verfügung stehen – dabei sind IT-Experten und Ingenieure schon jetzt extrem knapp.
Bereits im September hatte IT-Vorzeigeunternehmer Gerhard Rienecker, der ein Systemhaus mit 500 Mitarbeitern aufgebaut hat, im Gespräch mit uns vor einem "Brain drain" gewarnt:
"Diese Spezialisten lieben ihren Status als Selbstständige und motivieren sich darüber. (...) gerade im Bereich der besten Spezialisten kehren Deutschland jährlich rund 100.000 Akademiker den Rücken. (...) Wenn ich jetzt nochmals – unter aktuellen Rahmenbedingungen – einen Start in die Selbstständigkeit vor mir hätte, würde ich wahrscheinlich das Gleiche machen (...)."
Nur 5,9% wären bereit zu Arbeitnehmerüberlassung
Immerhin jeder zwölfte erhofft sich durch die Gründung einer GmbH oder anderen Gesellschaftsform mehr Sicherheit. Dabei bieten auch solche Konstruktionen schon längere Zeit keinen zuverlässigen Schutz und sind zudem mit hohen Kosten und weiteren Nachteilen verbunden.
Überraschend: Nur jeder siebzehnte (5,9%) wäre bereit, in eine Arbeitnehmerüberlassung, also in Zeitarbeit zu wechseln. Fast so viele (4,0%) würden ihr Geschäftsmodell ändern und sich zum Beispiel aus der IT zurückziehen oder ein Softwareprodukt entwickeln.
Auf den ersten Blick enttäuschend erscheint, dass nur 2,2% der Befragten angaben „rechtlich oder politisch aktiv zu werden“. Allerdings antworteten sie auf eine Single-Choice-Frage, die nur eine Antwortalternative zulies, was dieses Ergebnis relativiert. Wir können auf jeden Fall keinen Mangel an politischer Unterstützung für unsere Aktionen unter selbstständigen Experten feststellen.
96,3% halten Kriterien für nicht praxisgerecht
Dazu passt auch das Ergebnis, dass 77,5% der Befragten die aktuelle politische Diskussion rund um Scheinselbstständigkeit und den neuen Gesetzesentwurf von Andrea Nahles verfolgen. 79,2% erwarteten für den Fall eines Inkrafttretens negative Effekte für ihre Selbstständigkeit.
Nur 3,7% der Befragten antworteten, dass der Entwurf praxisorientierte Kritierien für die Abgrenzung zum Angestelltenverhältnis beinhaltete. 96,3% verneinten diese Frage, was Gulp auch durch zahlreiche Zitate belegen konnte. Hier einige Auszüge: „Moderne Entwicklungsprozesse und Projektorganisationen werden nicht berücksichtigt.“ - „In Banken DARF ich nicht mit eigenen Geräten arbeiten.“ –„Es bleibt unberücksichtigt, dass gerade auch der Gesetzgeber durch seine Regulierungswut mitverantwortlich dafür ist, dass Projekte komplexer werden und damit auch länger (Jahre) dauern.“
Viele weitere Zitate und eine ausführlichere Darstellung der Ergebnisse findet ihr bei GULP
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