Wir alle in die Selbstständigkeit gezwungen? Und unsere Auftraggeber allesamt Sozialbetrüger?
Die Gleichsetzung von Solo- und Scheinselbstständigkeit ist unverantwortlich, denn sie führt dazu, dass die Beschäftigung von Soloselbstständigen zum finanziellen und strafrechtlichen Risiko für Auftraggeber wird und diese dann keine Aufträge mehr an kleine Unternehmen vergeben.
Und diese Gleichsetzung hat System: Solche Äußerungen sind schon bei der Vorgängerkonferenz in Berlin gefallen und sie gehören auch zum Argumentationsmuster des Grünbuch "Arbeiten 4.0" von Ministerin Nahles.
Wir müssen diese Kriminalisierung und Gleichsetzung von Solo- mit Scheinselbstständigkeit stoppen. Bitte unterzeichnet deshalb unsere Petition "Schluss mit der Hexenjagd. Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggeber":
Hintergrund: Treffen auf Schloss Meseberg / Rentenpflicht für Selbstständige
Kanzlerin Merkel und hochrangige Minister (neben Nahles auch Gabriel, Schäuble und de Maiziere) trafen sich heute auf Schloss Meseberg mit Vertretern von Gewerkschaften, Wirtschaft und Wissenschaft, um über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt zu diskutieren.
Die Ergebnisse sollen in das Konzept „Arbeiten 4.0“ von Ministerin Nahles einfließen. Zu dessen Kernpunkten gehört laut dem zeitgleich veröffentlichten „Grünbuch“ die
- Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit und
- Einführung einer Rentenversicherungspflicht für Selbstständige.
Es wird über Selbstständige gesprochen statt mit ihnen
Obwohl die Maßnahmen also Selbstständige stark betreffen, sind sie oder ihre Vertreter nicht eingeladen, sondern Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie Wissenschaftler. Bundeskanzlerin Merkel fasst entsprechend zusammen: „... große Übereinstimmung darüber, dass wir weiter einen Rahmen brauchen, den die Sozialpartner setzen, aber der an einigen Stellen erneuert und verändert werden muss.“ (Hervorhebung durch uns)
Bereits auf der ersten Konferenz zum Thema "Arbeiten 4.0" in Berlin (Zitat: "Scheinselbstständige – heute nennt man die ja Soloselbstständige", vgl. hier) und im damals veröffentlichten Grünbuch erfolgte die Gleichsetzung von Soloselbstständigkeit mit Scheinselbstständigkeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen.
Diesmal ist es der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, der gegenüber der ARD zur besten Sendezeit erklärt:
„Im Kontext von Digitalisierung, Industrie 4.0 oder Smart Services erleben wir gerade, dass massenhaft neue so genannte ‚Soloselbstständigkeit’ oder ‚Scheinselbstständigkeit’ entsteht. Hier brauchen wir neue Grenzen, um Entgrenzung auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern.“ (Im Video wird diese Gleichsetzung noch deutlicher.)
Stellungnahme des VGSD
Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des VGSD e.V.: „Wir verwahren uns gegen die Gleichsetzung von Solo- und Scheinselbstständigkeit. Die Kriminialisierung von Selbstständigen und ihren Auftraggeber muss ein Ende haben. Es wird vorgegeben, Selbstständige schützen zu wollen. Tatsächlich erzeugt man aber Rechtsunsicherheit, die dazu führt, dass viele große Unternehmen keine Aufträge mehr an Einzelunternehmer und Freelancer erteilen."
"Es ist auch schlichtweg falsch, dass Solo- oder Scheinselbstständigkeit in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. Durch die gründer- und selbstständigenfeindliche Politik der letzten Jahre hat die Zahl der Gründer massiv abgenommen und die Zahl der Selbstständigen ist zurückgegangen. Was das Thema Scheinselbstständigkeit betrifft, so hat sich die Praxis der Deutschen Rentenversicherung (DRV) verändert, die inzwischen sogar Spitzenverdiener zu schutzbedürftigen Scheinselbstständigen stempelt - gegen deren Willen. Wenn die Regierung eine Rentenversicherungspflicht für Selbstständige einführen möchte, dann bitte nicht durch die Hintertür, indem einzelne willkürlich herausgegriffen werden."
Der VGSD hat am 28.05.2015 die Petiton „Schluss mit der Hexenjagd. Rechtssicherheit für Selbstständige und ihre Auftraggeber“ gestartet, die bereits rund 6.000 mal mitgezeichnet wurde.
In einem Positionspapier schlägt der Verband Kriterien zur Abgrenzung von Scheinselbstständigkeit vor, die sich stärker an der Bekämpfung von Mißbrauch orientieren und zugleich die Entwicklung der Arbeitsbedingungen durch die Digitalisierung berücksichtigen.
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