Die Zahl der Gründungen ist in Deutschland im vergangenen Jahr um neun Prozent gesunken. Vor allem Frauen trauen sich eine Gründung immer weniger zu. Dabei ist die Motivation, sich selbstständig zu machen, seit der Corona-Krise gestiegen.
Die Zahlen sind ernüchternd, decken sich aber mit den Eindrücken unserer Mitglieder: Deutschland wirft unternehmungslustigen, kreativen und selbstbewussten Menschen, die sich selbstständig machen wollen, zu viele Steine in den Weg. Das zeigt der KfW-Gründungsmonitor 2023 (die Daten beziehen sich auf 2022), eine jährliche und repräsentative Bevölkerungsbefragung.
Hier die wichtigsten Erkenntnisse der Studie: Die Zahl der Gründer/innen ist zwischen 2021 und 2022 - von einem ohnehin sehr niedrigen Niveau – um neun Prozent gesunken (siehe Grafik oben). Insgesamt kamen auf 10.000 Menschen im Alter von 18-64 Jahren nur 108 Gründungen – das ist sehr nah am historischen Tiefststand aus dem ersten Coronajahr 2020. Damals waren es nur 104 Gründungen. Als Gründe für den Rückgang nennt die KfW die schlechtere Konjunktur und den Fachkräftemangel, der potenziellen Gründer/innen attraktive Erwerbsalternativen biete. Zum Vergleich: 2003, als Gründungen politisch mehr unterstützt wurden, gab es fast dreimal so viele.
"Es braucht dringend ein Umdenken"
Die Corona-Krise, die die Nachteile von Selbstständigen gegenüber Angestellten offenlegte, wirkt zudem weiter nach. Vor allem bei Frauen ist die Entwicklung dramatisch: 2022 ist die Zahl der Gründerinnen um 20 Prozent auf insgesamt nur noch 205.000 gefallen. Bei den Gründern haben sich die Zahlen gegenüber 2021 kaum verändert. Gründerinnen kommen damit 2022 auf einen Anteil von 37% an allen Gründungen, das liegt unter dem langjährigen Durchschnittswert. Gleichstellung der Geschlechter sieht anders aus.
"Die Fokussierung auf die angestellte Beschäftigung in Deutschland ist groß", sagt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. "Sie beginnt bereits bei der Berufsberatung von Schülerinnen und Schülern. Hier braucht es dringend ein Umdenken– trotz oder vielleicht auch gerade wegen des Fachkräftemangels“. Immerhin: 2022 konnten sich 4,5 Prozent der Erwerbsfähigen eine Gründung vorstellen; 2021 waren es nur 4,1 Prozent. Das lässt für dieses Jahr zumindest eine stabile Gründungstätigkeit erwarten, auch wenn das wirtschaftliche Umfeld schwierig bleibt, schreibt die KfW.
Sieben Prozent aller Gründungen sind Start-ups
Nur 7 von 100 Existenzgründungen im vergangenen Jahr waren Start-up-Gründungen. Das untermauert unsere Kritik, dass der reine Fokus des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) auf Start-ups falsch ist und es dringend auch eine politische Strategie für Selbstständige braucht. Das ist die wesentlich größere Gruppe. Zu den größten Gründungshemmnissen 2022 zählte übrigens laut KfW – wenig überraschend – die Bürokratie. Hier für Verbesserungen zu sorgen, wäre eine große Erleichterung für Selbstständige – und Behörden. Die Vorschläge dazu liegen längst vor.
Um mit einer guten Nachricht zu schließen: Die Zahl der Gründer/innen, die in der Selbständigkeit für sich die beste Erwerbsalternative sehen, hat sich im vergangenen Jahr auf 95.000 fast verdoppelt (plus 86 Prozent). Dass diese so genannten Wunschgründungen trotz der guten Lage am Arbeitsmarkt so deutlich zulegen, könnte auch mit einem in der Corona-Pandemie gestiegenen Interesse an beruflicher Neuorientierung vieler Menschen zusammenhängen, schreibt die KfW.
Der Anteil von Gründungen aus der Anstellung heraus hat zudem 2022 nochmals zugelegt und ist mit 73 Prozent so hoch wie nie. Arbeitslosigkeit vor der Gründung wird hingegen immer seltener (6 Prozent). Und: 70 Prozent der Gründer/innen überstehen die ersten drei Gründungsjahre. Nach fünf Jahren sind noch knapp 60 Prozent aktiv. Die meisten davon brechen ihre Selbstständigkeit aus persönlichen Gründen ab, nur eine Minderheit aus wirtschaftlichem Zwang.
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