Musikschulen, Volkshochschulen, Yoga und Weiterbildung: Die Rechtsunsicherheit für freiberufliche Lehrkräfte nach dem Herrenberg-Urteil ist groß. Berlin hat nun eine Entschließung des Bundesrates angestoßen: Die Regierung soll eine gesetzliche Regelung schaffen. Das könnte auch Selbstständigen in anderen Branchen zugutekommen.
Die Initiative stammt aus Berlin, unterstützt haben sie auch die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen: Der Bundesrat soll die Bundesregierung dazu auffordern, eine gesetzliche Lösung für den rechtssicheren Einsatz von selbstständigen Lehrkräften im Kultur- und Bildungsbereich zu schaffen. In seiner Sitzung am 22. November verwies der Bundesrat die entsprechende Vorlage an die zuständigen Ausschüsse. Der Berliner Senat hatte am 19. November beschlossen, die Entschließung einzubringen, am selben Tag ging der von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner unterzeichnete Brief an Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger als Präsidentin des Bundesrats.
Seit dem so genannten Herrenberg-Urteil vom Juni 2022 und vor allem seit der neuen Handhabung, die die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ein knappes Jahr später daraus ableitete, sehen Bildungsträger angesichts der Anti-Selbstständigen-Offensive der DRV kaum noch eine Möglichkeit, freiberufliche Lehrkräfte rechtssicher zu beschäftigen. Betroffen sind sowohl der öffentliche als auch der private Bereich – beispielsweise kleine Yoga-Studios. Wegen der gravierenden Auswirkungen hat das Arbeitsministerium (BMAS) einen Dialogprozess mit den Beteiligten begonnen. Der VGSD ist daran beteiligt, unser Vorstand Andreas Lutz wird am 11. Dezember an einer fast sechsstündigen Arbeitsgruppensitzung im BMAS zu Regelungen für den Bereich der beruflichen Weiterbildung teilnehmen.
Notwendig, aber "erschwert bis unmöglich"
Der Einsatz von selbstständigen Lehrkräften sei notwendig, sowohl an öffentlichen wie auch an privaten Einrichtungen, heißt es in der Vorlage. Dies sei aber durch das Herrenberg-Urteil und die daraus abgeleiteten Kriterien der DRV "erschwert bis unmöglich gemacht". Es bestehe eine große Unsicherheit. Weiter heißt es:
"Der Bundesrat bittet die Bundesregierung,
- im Wege von gesetzlichen Anpassungen und/oder gegebenenfalls untergesetzlichen Regelungen, wie Abgrenzungs- oder Kriterienkatalogen schnellstmöglich eine Lösung zu erarbeiten, die einen rechtssicheren Einsatz von selbstständigen Lehrkräften (…) ermöglicht. (…) Die Erarbeitung und Umsetzung dieser Lösung sollte schnellstmöglich erfolgen, da die aktuelle rechtliche Unsicherheit für Einrichtungen und selbstständige Lehrkräfte nicht tragbar ist und regelmäßig zu individuellen Härten führt;
- dabei Nachzahlungen oder Verpflichtungen aus der Zeit zwischen der Verkündung des genannten Urteils aus dem Jahr 2022 und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens neuer Regelungen ausdrücklich zu vermeiden."
Verschwinden von Angeboten
In ihrer Begründung argumentiert der Berliner Bürgermeister ähnlich wie es auch VGSD und BAGSV in der Vergangenheit getan haben. So weist er zum Beispiel darauf hin, dass sich viele Lehrkräfte wünschen, selbstständig tätig sein zu können: "Einzelpersonen sind von den Folgen der Rechtsprechung auch dann betroffen, wenn sie sich ausdrücklich als selbstständig tätig begreifen und auch, wenn sie diese Tätigkeit beispielsweise nur in geringem Ausmaß und im Nebenberuf ausüben." Auch die existenzbedrohenden finanziellen Folgen, wie sie sich gerade für kleine Einrichtungen wie private Yoga-Studios, Sprach- und Musikschulen ergeben, werden genannt: "Die Feststellung der Sozialversicherungspflicht ist mit finanziellen Folgen in Form von zusätzlich anfallenden Sozialversicherungsbeiträgen für über Jahre ausgebliebene Beiträge verbunden." Daraus folgt das Verschwinden vieler Angebote: "Vielerorts droht die Einstellung des Honorarbetriebs oder eine erhebliche Reduzierung des Angebots."
Der Vorschlag würdigt den laufenden Prozess im BMAS, stellt aber auch fest: "Dennoch braucht es mit Blick auf die gravierenden Auswirkungen klare gesetzliche Regelungen und gegebenenfalls untergesetzliche Regelungen, damit die Einrichtungen wieder Rechts- und Handlungssicherheit erlangen und ihre Angebote aufrechterhalten können."
Neue Bundesregierung muss Rechtssicherheit herstellen
Beim Bundesrat liegt die Vorlage nun federführend beim Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, sowie den Ausschüssen für Innere Angelegenheiten und dem für Kulturfragen.
Für ein Gesetzgebungsverfahren kann der Bundesrat mit seiner Entschließung allerdings allein nicht sorgen. Er kann nur eine unverbindliche Aufforderung an die Regierung richten. Über die Entschließung heißt es auf der Website des Bundesrats: "Darunter versteht man Ersuchen, die in der Regel an die Bundesregierung gerichtet sind, um auf Probleme aufmerksam zu machen, die Auffassung des Bundesrates zu einem bestimmten Thema darzulegen oder Gesetzgebungsverfahren durch die Bundesregierung anzustoßen. Entschließungen sind rechtlich jedoch nicht verbindlich."
Das Bündnis für eine gesetzliche Neuregelung wird immer breiter. Wir begrüßen die Forderung nach einer gesetzlichen Neuregelung ausdrücklich – wünschen sie uns aber nicht allein für den Lehrbereich, sondern für alle Selbstständigen. Auch der Verzicht auf Nachzahlungen unter bestimmten Bedingungen ist gerade für kleinere Auftraggeber eine Frage des Überlebens. Wir hoffen, dass der Bundesrat die Entschließung nach der Beratung in Ausschüssen zeitnah annimmt und die dann amtierende nächste Bundesregierung gesetzgeberisch tätig wird und endlich wieder Rechtssicherheit herstellt.
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