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Missbrauch geht munter weiter Corona-Krise bietet Abmahnindustrie sogar neue Gelegenheiten

"Viele Unternehmer und Selbstständige sind verunsichert und fürchten, Fehler zu machen, die dann später zu Abmahnungen führen" erklärte Lexware-Geschäftsführer Jörg Frey bei der Vorstellung einer Studie über die Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020.

Das kann teuer werden

Jeder der seine Leistungen im Internet anbietet ist gefährdet, besonders aber Onlinehändler – unabhängig von ihrer Größe.

Viele Einzelhändler sind durch die Ladenschließungen während der Corona-Krise, aber auch durch die Abstandsgebote und Beschränkungen der Kundenzahl im Laden ohnehin stark gebeutelt. Paketdienstleister wie DHL, Handelsplattformen wie eBay, aber auch Hersteller von Shop-Software ermutigen sie, jetzt den Schritt in den Onlinehandel zu gehen.

Das mag mit der entsprechenden Software zwischenzeitlich tatsächlich leichter sein als gedacht, eine große Gefahr lauert aber bei der rechtssicheren Gestaltung der Produktbeschreibungen, der AGB, des Impressums, der Widerspruchsbelehrung und anderen Pflichtinformationen, etwa zur Mängelhaftung oder beim erforderlichen Link auf die EU-Plattform zur Online-Streitbeilegung.

Schon eine falsche Prozentangabe oder ein Dreher in der Postleitzahl eines Lieferanten kann zu einer Abmahnung durch Serienabmahner führen, die das Internet mit eigens programmierten Bots nach solchen Fehlern durchsuchen.

Deren Geschäftsmodell ist eine Lizenz zum Gelddrucken: Sie senden an den frisch gebackenen Onlinehändler eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, der Gegenstandswert beträgt oft 3.000 bis 4.000, teils aber auch 10.000 Euro. Daraus errechnen sich Anwaltskosten von einigen hundert bis zu tausend Euro.

Die Opfer, oft unerfahren in solchen Dingen, machen einen verhängnisvollen Fehler: Statt einen Anwalt um die Prüfung der oft fehlerhaften und viel zu weitreichenden Unterlassungserklärung zu bitten, unterschreiben Sie die Erklärung und überweisen die Anwaltskosten – in der Hoffnung, die Sache sei damit erledigt.

Damit sind sie dem Abmahner in die Falle gegangen, denn mit der Unterschrift sind sie an die viel zu weitreichenden, in der Realität kaum erfüllbaren Unterlassungsregeln gebunden. Mit jedem Verstoß werden tausende von Euro Strafe fällig – für jede Wiederholung eines banalen Fehlers, die durch Copy & Paste zustande gekommen ist. Kleine Onlinehändler, oft nur im Nebenerwerb tätig, werden oft gnadenlos in die private Insolvenz getrieben – wegen Nichtigkeiten.

Der Gesetzgeber, der durch das Schaffen einer unüberschaubaren Vielzahl von Kennzeichnungspflichten und anderen Detailregelungen die Grundlage für die Abmahnungen schafft, schaut tatenlos zu.

VGSD-Mitglied Vera Dietrich hat im Frühjahr 2018 mit einer Bundestagspetition gegen Abmahnmissbrauch auf das Thema aufmerksam gemacht. Vergleichsweise schnell wurde sie vom Petitionsausschuss angehört und ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Zwei Jahre später warten wir allerdings immer noch darauf, dass das Justizministerium diesen Gesetzesentwurf in überarbeiteter Form dem Bundestag zur Abstimmung vorlegt und nach mehreren wirkungslosen Reformen nun endlich eine folgt, die den Abmahnmissbrauch tatsächlich bekämpft.

Statt dessen geht selbst Corona-Zeiten das gnadenlose Abmahnunwesen weiter.

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