Gestern abend in den Tagesthemen: Caren Miosga befragt die Bundesarbeitsministerin zur Zukunft der Rentenversicherung. „Frau Nahles, bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Die Rente ist ...“
Andrea Nahles kommt bei ihrer Antwort ohne das Wort „sicher“ aus, das ihr Vorgänger Norbert Blüm einst gebrauchte. Auch auf die Frage, wer als Verlierer aus der von ihr geplanten Reform hervorgehen wird, Junge oder Alte, antwortet sie eher ausweichend. Für eine Beantwortung der Frage nach der Höhe der „Haltelinie“, also des Niveaus, unter das die Rente auch nach 2030 nicht fallen soll, sei es noch zu früh. (Mehr zu den Prognosen des BMAS zur Entwicklung von Rentenniveau und -beiträgen.)
Rentenbeiträge sollen auf über 22% steigen
Sicher ist sich Nahles aber bei zwei Punkten: Die Beiträge zur Rentenversicherung sollen deutlich steigen: „Also es wird dann auch ausgewiesen werden von mir, dass eben die Beiträge nicht auf den 22% stehen bleiben, die wir jetzt im Gesetz festgelegt haben.“
Caren Miosga fragt nach: „Vielleicht gibt es ja auch andere Lösungen. Die Abgeordneten im Bundestag zum Beispiel zahlen ebensowenig in den Rententopf ein wie Beamte und Selbstständige. Es ist doch an der Zeit, die Schonung dieser Gruppen aufzugeben.“
Das ist eine Steilvorlage für Nahles für ein Bekenntnis zur Erwerbstätigenversicherung, wobei sie sich bei der Einbeziehung von Beamten und Abgeordneten nicht lange aufhält. Statt dessen geht sie um so ausführlicher auf Selbstständige ein. Angehörige berufsständischer Versorgungswerke (wie Ärzte, Apoteheker usw.) können fürs Erste beruhigt sein. Die anderen drei Millionen Selbstständigen jedoch, sagt Nahles hätten „überhaupt keine Altersvorsorge“.
Antwort von Andrea Nahles: „Ja es macht auf jeden Fall Sinn, über eine so genannten Erwerbstätigenversicherung zu reden. Ich wäre dafür sehr offen. Übrigens auch, was die Abgeordneten angeht, sollte das kein Tabu sein. Aber ich möchte vor allem die Gruppe der Selbstständigen nennen. Wir haben drei Millionen Menschen, die mit Ansage in Altersarmut – auf jeden Fall große Teile – landen werden. Das sind Selbstständige, die keine Alterssicherung haben, das müssen wir auf jeden Fall auch vermeiden.“ (Hervorhebungen durch uns)
Interview in Tagesthemen: Die Aussagen zu Beamten und Selbstständigen beginnen bei Minute 2:40
Frage von Caren Miosga: „Frau Nahles, eine Versicherungspflicht für gut verdienende Selbstständige, ist das für Sie wirklich vorstellbar? Das käme ja einer kleinen Revolution im Rentensystem gleich.“
Antwort von Andrea Nahles: "Na ja, die gut verdienenden Selbstständigen sind zum Großteil bereits in so genannten berufsständischen Versorgungswerken, viele Rechtsanwälte, Ärzte, ... Wir reden hier über eine Gruppe von Selbstständigen, das sind ungefähr drei Millionen, die überhaupt keine Alterssicherung haben. Da sind auch einige dabei, die sehr gut verdienen. Es sind aber auch sehr viele dabei, die ein erhöhtes Altersarmutsrisiko haben. Und deswegen ist da Handlungsbedarf da und im Prinzip geht’s einfach darum, die davor zu schützen, dass sie altersarm werden. Und zweitens kann es auch nicht sein, dass jemand der geringes Einkommen hat und trotzdem Rentenbeiträge – als Angestellter zum Beispiel – bezahlt, in das Solidarsystem einzahlt, die Selbstständigen aber nicht und deswegen werden wir da handeln müssen." (Hervorhebungen durch uns)
Fazit: Nahles will Rentenpläne der Gewerkschaften 1:1 umsetzen
Die Aussagen von Nahles decken sich 1:1 mit den Rentenplänen von DGB und IG Metall. Die Versicherungsbeiträge sollen deutlich ansteigen, durch die Einbeziehung von Selbstständigen soll zusätzliches Geld in die Rentenversicherung kommen, dem Verpflichtungen erst in einigen Jahrzehnten gegenüber stehen.
Langfristig wirksame Maßnahmen wie eine schrittweise Anpassung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung und damit eine Stabilisierung des Verhältnisses von Rentnern zu Beitragszahlern sind tabu. Konkrete Pläne zur Einbeziehung von Beamten und Abgeordneten gibt es nicht.
Die Pläne werden mit pauschalisierenden und falschen Aussagen über "die Selbstständigen" begründet. Übrigens ohne dass die Tagesschau einen Faktencheck vornimmt...
Bitte nutzt die Gelegenheit, das Interview hier, aber - soweit möglich - auch auf der Tagesschau-Website zu kommentieren.
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