Wir haben heute unseren Augen nicht getraut, als wir in der Rheinischen Post gelesen haben, dass ungeachtet der scharfen Kritik von Arbeitgeberverbänden und der klaren Ansage der Kanzlerin (“Sie dürfen mich jetzt einmal als Wächterin des Koalitionsvertrages verstehen”) Andrea Nahles ihre Werkvertragskriterien unverändert durchsetzen will. Mit den Arbeitgebern möchte sie nur noch bei einem letzten Treffen über Details zum Thema Zeitarbeit verhandeln und den Gesetzesentwurf dann im Kabinett durchsetzen:
“Dazu [zu den Kriterien] hieß es im Ministerium, nur wenn alle Kriterien "in der Gesamtschau" erfüllt seien, könne ein Missbrauch von Werkverträgen festgestellt werden. Das könne man im Gesetzentwurf sicher noch deutlicher machen. Die Kriterien blieben ansonsten aber unverändert. Das Gesetz ziehe keine Sanktionen nach sich. Allerdings gebe es Betroffenen bessere Klage-Mittel zur Hand.” (rp-online.de)
Diese Aussagen widersprechen unmittelbar den Zusagen der Kanzlerin bezüglich der Einhaltung des Koalititonsvertrags. Allerdings hatte Merkel erst vor wenigen Tagen davon gesprochen, das Gesetz werde kommen, man habe nur noch geringe Differenzen bei der Zeitarbeit und die großen Unterschiede bei den Werk-/Dienstverträgen werde man überwinden (Handelsblatt, bundesregierung.de). Unverständlich ist uns auch die Aussage zum Thema Sanktionen im obigen Zitat - denn natürlich hat das Gesetz unmittelbare Folgen für Auftraggeber und -nehmer.
BMAS und Gewerkschaften intensivieren gerade auffällig ihre Pressearbeit mit Beispielen über den Missbrauch von Werkverträgen (z.B. Mittelbayerische Zeitung) bzw. großen Zahlen von Werkverträglern in einzelnen Unternehmen. Wasser auf die Mühlen von Nahles sind sicher auch Berichte in der taz, der Süddeutsche Verlag würde in erheblichem Umfang Pauschalisten wieder fest einstellen.
Alle Berichte findet ihr in unserer Presseschau zum Werks- und Dienstvertragsgesetz
Was kann ich als Einzelner am wirkungsvollsten tun?
1. Gespräch mit SPD-Abgeordneten führen
Die wahrscheinlich wichtigste Aktivität ist es, Euren Bundestagsabgeordneten und insbesondere Euren SPD-Abgeordnete anszusprechen, einen zeitnahen Termin im Wahlkreisbüro zu erbitten und bereits in der E-Mail Eurer Besorgnis über die Gesetzespläne Ausdruck zu verleihen.
Kein SPD-Abgeordnete soll nachher sagen können, er habe nicht gewusst, was die Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Selbstständigen und Auftraggeber im eigenen Wahlkreis sein werden. Andererseits hat erst am 8.1.16 die SPD-Fraktion das Gesetzesvorhaben von Nahles mit großer Mehrheit bestätigt.
Wir sind noch immer der Ansicht, dass jemand, der die Auswirkungen dieses Gesetzes versteht, unmöglich daran in dieser Form festhalten kann.
Wir erhalten Berichte von Unternehmen, die aufgrund der Unsicherheit das gesamte Unternehmen von Selbstständigen säubern, dafür sogar eigens Unternehmensberater engagieren. Dabei nehmen sie in Kauf, dass wichtige Projekte auf der Strecke bleiben. Die Selbstständigen sind gezwungen sich auf meist deutlich schlechter bezahlte befristete Verträge oder Arbeitnehmerüberlassung einzulassen, auch wenn sie das nicht wollen. Immer häufiger hören wir, dass Selbstständige ins Ausland gehen und auch die Auftraggeber mit ausländischen Auftragnehmern (z.B. Software-Entwickelern) zusammenarbeiten.
Gerne schicken wir Euch ein Infopaket mit Hinweisen, wie Ihr Eure Bundestagsabgeordneten ermittelt und ansprecht.
2. Befragung zum Thema Scheinselbstständigkeit - schon über 2.000 Teilnehmer
Inzwischen haben schon mehr als 2.000 Mitglieder unseren Fragebogen ausgefüllt, mit dem wir aufzeigen wollen, dass die geplanten neuen Kriterien auch mit gutem Willen von Auftraggeber und -nehmer in vielen Branchen gar nicht realisierbar sind. Falls Du noch nicht an der Befragung teilgenommen hast, so mache es bitte jetzt - auch wenn Du Dich selbst nicht als "Freelancer" siehst, weil Du z.B. Gewerbetreibender bist. Vielen Dank!
3. Petition mitzeichen und dafür werben
Wir wollen gerne 20.000 Mitzeichnungen schaffen und dann die Petition übergeben. Es fehlen uns noch 2.717 Mitzeichnungen. Bitte zeichne mit und mache Deine Bekannten, Geschäftsfreunde und Social-Media-Kontakte auf die Petition aufmerksam. Vielen Dank!
4. Im Verband aktiv werden
In der VGSD-Arbeitsgruppe "Scheinse" organisieren wir seit fast einem Jahr eine Vielzahl von Aktivitäten, um auf die bestehende Rechtsunsicherheit zu informieren, Protest, aber auch Lösungsvorschläge zu formulieren. Du kannst Dich auf vielfältige Weise engagieren.
Beispiele: Direkte Ansprache von Politikern, Journalisten und anderen Verbänden,Vorträge vor Fachausschüssen von Parteien in den verschiedenen Bundesländern, Social-Media-Aktivitäten usw. - Kontakt
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