Was hat Buchhaltung oder die Einführung der E-Rechnung mit dem Netzwerktreffen im Oktober zu tun? Beide Themen sind gute Beispiele dafür, was beim Barcamp thematisiert werden kann: Du kannst (deine) Themen anbieten und Lösungen in kleinen Gruppen erarbeiten, die die Arbeitswelt von uns Selbstständigen verändern, verbessern, bereichern oder erleichtern können. Die E-Rechnung kann genauso dazugehören, wie Akquise oder Meditation.
Heute sprechen wir mit Karin Zweigler. Sie ist VGSD-Mitglied, im Orga-Team der Regionalgruppe Allgäu, Metalhead, Buchhaltronikerin®, Kaffeetante und Geschäftsführerin von "Box of Bills GmbH". Sie ist zudem Expertin in Sachen "E-Rechnung", die wichtige Veränderungen in der Buchhaltung eines jeden und einer jeden Selbstständigen mit sich bringen wird. Was das nun mit Meer, Bergen, Festivals und Klassentreffen-Feeling zu tun hat, klären wir im Interview:
Karin, fangen wir mit deinem Job an: Rechnungswesen, Buchhaltung, Steuerthemen sind dein Ding - Themen, die (für mich) eher nach verstaubten Akten und jeder Menge Papierkram klingen ... Dein Berufsleben ist aber alles andere als "verstaubt", im Gegenteil: es ist geprägt von Bewegung und Weiterentwicklung. Heute bist du freiberufliche Buchhalterin und Digitalisierungsberaterin. Wie ist es dazu gekommen?
Lange Jahre war ich erwerbshybrid, hauptberuflich als Leitung Rechnungswesen in einer mittelständischen Unternehmensgruppe am Bodensee, nebenberuflich als freie Mitarbeiterin beim Steuerberater. In der Vollzeit-Anstellung hat's dann irgendwann nicht mehr gepasst für mich, und ich habe mit meiner One-Woman-GmbH den Schritt in die Vollselbständigkeit vollzogen.
Anfangs wollte ich mich als Buchführungsbüro positionieren, das die laufenden Geschäftsvorfälle bucht.
Weil die Selbstständigkeit auf dem Gebiet der reinen Buchführung so sehr eingeschränkt ist, hat sich mein Fokus verändert und ich habe zunächst die neu geschaffene Weiterbildung zur "FAIT" (Fachassistentin Digitalisierung & IT-Prozesse) bei der Steuerberaterkammer absolviert. Das war leider wenig praxisorientiert. Alle, die 20 Jahre nach ihrer letzten Klausur im Studium nochmal auf den Hosenboden sitzen mussten, um Klausurfälle zu lösen, die nix mit dem Leben da draußen zu tun haben, wissen was ich meine!
Weg von der Theorie, rein in die Praxis! Und zwar in die gelebte Praxis des 21. Jahrhunderts, oder?
Genau, ich habe dann die Buchhaltronikerin® draufgesattelt. Bei dieser Weiterbildung geht es eben darum, kaufmännisches Fachwissen bzw. die Buchhaltung in das Zeitalter der Digitalisierung und Automatisierung zu heben. Für mich war das ideal: Hier konnte ich mein steuerliches Fachwissen aus der FAIT-Weiterbildung mit IT- und Prozesskenntnissen anreichern – die Weiterbildung war gespickt mit jeder Menge Praxisbeispielen.
Heute berate ich also Steuerkanzleien und Mandanten rund um digitale Geschäftsprozesse und Arbeitsabläufe und unterstütze bei der Erstellung der Verfahrensdokumentation. Als Buchhaltungs-Coach mache ich meine Kundinnen und Kunden fit, wenn sie ihre Buchhaltung selbst erstellen mit Tools wie lexoffice, sevdesk, DATEV Unternehmen Online, BuchhaltungsButler etc.
In deinem Profil steht "Buchhaltronikerin und Enthusiastin für alles Digitale". Wie würdest du deine Tätigkeit deinen Kundinnen und Kunden erklären? Was ist dein Hauptanliegen?
Meine Mission ist es, die Zusammenarbeit zwischen Mandanten und Steuerkanzleien zu verbessern. Ich bin in beide Welten tief eingetaucht und weiß, wo immer wieder Sand im Getriebe ist. Insbesondere, wenn ein Mandant oder eine Mandantin ihre Buchhaltung selbst erstellt, die das Handwerk aber nicht gelernt haben. Denn auch, wenn alle Software-Anbieter damit werben, dass sich die Buchhaltung "von alleine" erledigt: ohne ein paar Grundkenntnisse geht's halt nicht.
In der Kanzlei heißt es dann "Sie buchen, wir fluchen", weil es beim Jahresabschluss jede Menge nachzuarbeiten gibt. Ich möchte, dass die Kanzlei freudestrahlend sagt: "super, die Daten fließen und alles passt, da machen wir gerne einen schönen Jahresabschluss draus".
Deine One-Woman-GmbH trägt den Namen „Box of Bills“? Was steht hinter oder für Box of Bills?
Der Firmenname ist die Kreation meines Bruders (Grüße gehen raus), der mir jedes Jahr die Belege für seine Steuererklärung in einem Schuhkarton gebracht hat. Als ich bei der Namensfindung für meine GmbH war, hatte ich just diese Steuererklärung im Schuhkarton auf meinem Tisch liegen … und eins kam zum anderen.
Die "Box of Bills" kümmert sich immer noch um die Belege, jetzt sind es die in digitalen Schuhkartons. :)
Das ist wirklich eine schöne Geschichte! Was machst du, wenn der digitale Schuhkarton mal Pause macht - oder braucht?
Ich bin dann in meiner Funktion als Vorständin der ISDV e.V. unterwegs, der Interessensvereinigung der Selbständigen Dienstleister in der Veranstaltungswirtschaft. Da beschäftigt uns vor allem das Thema der sicheren Beauftragung von Freelancern und die Scheinselbständigkeit.
Auch kämpfe ich zusammen mit dem Kollegenteam vom Arbeitskreis Lobbyarbeit des BVBC (Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller) für eine Befugniserweiterung für uns selbständige Buchhalter/innen. Diese widersinnige Diskriminierung durch das StBerG geht mir gegen den Strich, und das nicht erst, seit ich selbstständig bin. Schon während meiner Angestelltenzeit in Steuerkanzleien und Unternehmen habe ich nicht verstanden, warum man angestellt alles tun darf, was einem selbstständig auf einmal verboten ist. Auf der anderen Seite jammern die Steuerkanzleien, dass sie völlig überlastet sind, keine Mitarbeiter finden und werfen in großem Stil "unrentable" Mandate raus, also meistens die Kleinen mit niedrigerem Honorar. Und (Solo)Selbstständige stehen auf einmal ohne Steuerberater da –alleine mit dem ganzen Schlamassel.
Siehst du dich als Unternehmerin und freiberufliche Buchhalterin durch die Gesetzgebung ausgebremst?
Ich sehe es so: Wir sind hervorragend ausgebildete Fachkräfte. Wir bilden uns regelmäßig weiter. Wir haben Berufsgrundsätze, um die Qualität unserer Arbeit zu sichern. Ganz bewusst haben wir uns für die Selbstständigkeit und für das Unternehmersein entschieden. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen ist es uns verboten, unseren Beruf, den wir gerne machen, frei und selbstbestimmt auszuüben. Mein Anliegen ist ein faires Miteinander: Selbstständige Finance-Profis und Steuerberater/innen sind zum Wohl der Unternehmen tätig. Jede und Jeder konzentriert sich auf seine Kernkompetenz: Buchhalter buchen, Steuerberaterinnen beraten. Damit die Unternehmen den Rücken frei haben, um das zu tun, was sie am besten können: Unternehmen!
Das ist auch mein Motto: "entrepreneurs rock - thank you for being one!"
VGSD, ISDV, BVBC – hinter deinem Engagement steckt eine Grundüberzeugung der Selbstständigkeit ...
Ich bin der Meinung, jede/r von uns soll die Freiheit haben, seine Arbeit nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, um gut und (rechts)sicher davon leben zu können.
Ich denke, die meisten von uns werden beim Lesen bestätigend nicken. Und die Privatperson Karin? Was machst sie, um neue Energie zu tanken? Sprich: Was brauchst du, um einen Ausgleich zu schaffen? Stichwort "Freizeit":
Dann bin ich wahrscheinlich auf einem Konzert oder Festival zu finden, entweder als Gast vor der Bühne oder als Stage-Hand hinter der Bühne.
Zum Ausspannen fahre ich am liebsten in die Berge und ans Meer, je nach dem, an welchem Ende der Republik ich mich gerade befinde. Ich pendle zwischen meiner Heimatstadt Ravensburg und Lüneburg, wo ich in der Nähe einen zweiten Wohnsitz habe. Ich habe das Glück, dass ich mich nicht entscheiden muss: Berge UND Meer!
Komm mit nach Frankfurt! Es gibt noch Tickets und zwar hier – wir freuen uns auf dich!
Du Glückliche :) Kommen wir abschließend zu einem ganz aktuellen Thema, das gerade dich als Buchhaltronikerin schon länger beschäftigt: Die E-Rechnung: Wie denkst du über die Einführung? Welche Vorteile siehst du für Soloselbstständige?
Ich freu mich auf die E-Rechnung und die Vorteile, die sie bringt! Die Rechnungsstellung wird einfacher durch klare eindeutige Standards. Es passieren weniger Fehler durch die automatische Erstellung und Validierung. Fehlen Pflichtangaben, kann die Rechnung gar nicht erzeugt werden. Das spart der Gegenseite Zeit, die Rechnung zu reklamieren, weil wieder was fehlt, das für eine ordnungsgemäße Rechnung (und den Vorsteuerabzug) erforderlich ist. Dadurch verkürzen sich die Durchlaufzeiten, von der Rechnung bis zur Zahlung, und der/die Selbstständige hat den Gegenwert für die eigene Leistung schneller auf dem Konto. Und nachhaltiger ist es auch, wenn man kein Papier, kein Porto und niemanden, der die Rechnung rumfährt, mehr braucht. Wenn wir uns dran gewöhnt haben, an das neue Medium, fällt jede Menge stupide Erfassungsarbeit weg, bei den Unternehmer/innen und bei den Steuerkanzleien.
Deshalb motiviere ich die Menschen dazu, jetzt schon anzufangen und sich mit der E-Rechnung zu beschäftigen.
Ist die E-Rechnung nicht einfach nur eine riesige Hürde?
Am Anfang wird noch nicht alles rund laufen. Man muss sich an neue Abläufe und neue Programme gewöhnen. Die Technik wird anfangs auch noch den einen anderen Strich durch die (E-)Rechnung machen. Aber damit kommen wir klar, als Selbstständige müssen wir uns permanent mit Neuem auseinandersetzen und uns immer mal wieder neu erfinden. Deshalb sollten wir die Zeit bis zum 1.1.2028 nutzen zum Üben. Dann sind alle entspannt, wenn die gesetzliche Pflicht greift.
Wir wollen ab Ende August unsere Vereinsmitglieder bestmöglich bei der Einführung begleiten. Du wirst uns dabei zur Seite stehen. Wie soll das ablaufen, kannst du dazu schon etwas sagen?
Als Verband informieren wir im Vorfeld über die E-Rechnung und versuchen, vieles in der Theorie schon mal zu erklären. Wir möchten unsere Vereinsmitglieder auch bei der praktischen Umsetzung unterstützen. Denn beim Tun kommen erfahrungsgemäß die Fragen.
Geplant sind auch sogenannte "Online-Sprechstunden" mit dir. Wie läuft so eine Sprechstunde ab?
Geplant ist, dass wir dieses Jahr vier Online-Termine für Vereinsmitglieder anbieten. Zu denen bringt jede/r Teilnehmende seine Fragen und Herausforderungen zur E-Rechnung mit. An irgendeiner Stelle im Prozess kommt man nicht weiter. Dieses Thema bringen die Teilnehmenden mit in die Sprechstunde und wir versuchen, gemeinsam eine Lösung zu entwickeln.
Für wen ist so eine Sprechstunde interessant? Um welche Fragen geht es?
Die Sprechstunden richten sich vorrangig an die Vereinsmitglieder, die mit der Einführung der E-Rechnung in ihrem Unternehmen begonnen haben. Denn ihre Herausforderungen stehen im Zentrum. Profitieren können auch Teilnehmende, die noch nicht angefangen haben, und erfahren möchten, worauf sie achten sollten.
Veränderungen können Angst machen. Wie gehen wir damit um, um die Einführung als Chance zu sehen?
Neugierig bleiben und sich auf die Vorteile konzentrieren. Und wenn mal was nicht klappt: locker bleiben, denn alle anderen stehen jetzt vor genau den gleichen Herausforderungen. Wer sich jetzt schon die Zeit nimmt, Prozesse und Tools anzupassen, kann Fragen stellen und Unsicherheiten klären ohne Zeitdruck.
Für alle, die zum Netzwerktreffen 2024 kommen: Hast du dir schon ein Thema für eine Barcamp-Session überlegt? Möchtest du deine Expertise einbringen oder Hilfestellungen zu bestimmten Fragen mitnehmen? Dann stelle dich und dein Thema bei unserem Session-Aufruf im September vor.
Hier schließt sich der Kreis, indem wir noch einmal auf das Netzwerktreffen zurückkommen. Das Barcamp wäre eine weitere gute Gelegenheit, die E-Rechnung zu thematisieren und eine Session dazu anzubieten. Abgesehen davon, haben wir fast zwei Tage volles Programm und viele Gelegenheiten, andere Selbstständige wiederzutreffen oder neu kennenzulernen. Du warst letztes Jahr dabei und wirst auch im Oktober an beiden Tagen in Frankfurt sein. Meine letzte Frage daher an dich, Karin: Worauf freust du dich persönlich am meisten, wenn du wieder nach Frankfurt kommst?
Ich freue mich sehr darauf, viele bekannte Gesichter wiederzutreffen und neue Kontakte zu knüpfen. Besonders gespannt bin ich auf die spannenden Barcamp-Sessions. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal auf so einer großen Netzwerk-Veranstaltung und als eher introvertierter Mensch hatte ich anfangs meine Zweifel. So viele fremde Menschen auf einmal! Aber die Erfahrung war so positiv und inspirierend, dass ich mich sofort wieder angemeldet habe, als die Einladung im VGSD-Newsletter kam. Ich empfehle es jedem weiter, weil es wirklich eine wunderbare Zeit war – ein bisschen wie Klassentreffen.
Auch wir freuen uns auf das "Klassentreffen" mit euch!
Liebe Karin, vielen Dank für deine Zeit, den Blick in deinen digitalen Schuhkarton und dein Mutmachen, was das Angehen von neuen Herausforderungen angeht!
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