Im November hat die Mittelstandsallianz, eine Bündnis aus mehr als 30 Partnerverbänden mit 900.000 Mitgliedsunternehmen, in einem offenen Brief die EU-Plattformarbeitsrichtlinie als "Schlag gegen die Soloselbstständigkeit in Europa" (so die Überschrift) gebrandmarkt (vgl. auch Pressemitteilung). Zuvor hatte der Bundesverband der Arbeitgeberverbände ebenfalls in einem offenen Brief vor dem "Ende der Solo-Selbstständigkeit in Europa" gewarnt.
VGSD initiierte Meeting, aus dem der offene Brief entstand
Der VGSD ist aktuell zwar nicht mehr Mitglied der Mittelstandsallianz, wir haben aber die nach wie vor guten Beziehungen genutzt, das Thema EU-Richtlinie in den dort zuständigen Ausschuss für Arbeit und Soziales einzubringen. Es kam zu einer Sitzung mit interessierten Verbänden, an deren Ende der Beschluss stand, einen offenen Brief zur EU-Plattformrichtlinie zu verfassen.
Der Brief ging an die Vorsitzenden der Parteien des EU-Parlaments, aber auch an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestags. Er lässt es an Klarheit nicht fehlen: Die geplante Regelung "löst im Mittelstand große Beunruhigung aus". Statt verlässliche Regeln zu schaffen und Selbstständigen einen vereinfachten Zugang zu Renten- und Sozialversicherung zu schaffen, "müssen sich bald Millionen Selbstständige und ihre Auftraggeber in der EU gegen den pauschalen Vorwurf der Scheinselbständigkeit wehren".
"Nicht zurück zum Fax"
Und weiter: "Es fehlt an einer klaren Definition, welche Unternehmen künftig als Plattform einzustufen sind." Die vorgeschlagene Richtlinie führe dazu, dass viele Unternehmen künftig als Plattformen gelten würden, wenn sie "nicht zurück zum Fax" wollten.
Die Folgen: Soloselbstständige würden in ein Auftragsloch fallen, weil Auftraggeber Aufträge eher ins Ausland vergeben. Statt in Deutschland würden künftig im Ausland Steuern und Sozialabgaben bezahlt.
Deutsche Soloselbstständige wären ungleich stärker betroffen
Die Mittelstandsallianz kritisiert im Brief auch die im Kommissionsentwurf vorgeschlagenen fünf Kriterien und dass nur zwei gegeben sein müssten, um als Arbeitnehmer zu gelten. Das Fass zum Überlaufen bringe, dass die Einstufung sofort gelte und dagegen dann nur noch geklagt werden könne. Das würden weder die soloselbstständigen Auftragnehmer noch ihre mittelständischen Auftraggeber wirtschaftlich durchhalten können.
"Selbstständige in Deutschland wären (zudem) ungleich stärker betroffen, weil die Behörden hier bei einem Verdacht auf Scheinselbstständigkeit sehr viel restriktiver agieren" würden.
Konstruktive Lösungsvorschläge
Die Mittelstandsallianz macht vier Vorschläge, um den Entwurf vom Kopf auf die Beine zu stellen:
- eine klare Definition von Plattformen, die nicht jeden Auftraggeber, der das Internet nutzt, zur Plattform erklärt
- Kriterienkatalog nach Vorbild des Yodel-Urtels des EuGH, Einstufung als Arbeitnehmer nur, wenn eine Mehrheit von Negativkriterien erfüllt ist
- Widerspruchs- und Klageverfahren müssen aufschiebende Wirkung haben
- Einführung eines zentralen Erfassungsportals oder einer Bescheinigung, mit der als selbstständig festgestellte Auftragnehmer sich als solche identifizieren könnten – auch im Interesse der Auftraggeber, die ihre Aufträge rechtssicher vergeben wollen, ohne jeden einzelnen Partner detailliert prüfen zu müssen
Wir freuen uns sehr über den von Markus Jeger (Bundesgeschäftsführer BVMW) und Stefan Moritz (Generalsekretär der European Entrepreneurs CEA-PME) unterschriebenen Brief - und dass der VGSD an erster Stelle der mitzeichnenden Verbände steht. Wir hoffen, dass der Brief die europäischen Parteien, aber auch auch die Abgeordneten des Bundestags wachrüttelt und dafür sensibilisiert, welche enormen Schäden die EU-Plattformrichtlinie in ihrer jetzigen Form anrichten würde.
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