In den letzten Wochen haben wir intensiv die Lobbying-Möglichkeiten genutzt, die sich für uns durch die Mitgliedschaft in der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) ergeben.
Sie stellen eine sehr gute Ergänzung zu den regelmäßigen Gesprächen dar, die ich (Andreas Lutz) in Berlin alleine oder zusammen mit anderen in der bagsv (Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände) mitarbeitenden Verbänden mit Fachpolitikern führe.
Warum wir auch als Teil eines größeren Verbands Interessenvertretung betreiben
Bei der vbw bin ich Teil einer größeren Gruppe von Verbandsvertretern und die Politiker kommen aus allen Bereichen, nicht nur den für uns besonders wichtigen wie "Arbeit und Soziales". Dafür bietet sich die Chance, in relativ kurzer Zeit auf mehrere und teils auch sehr hochrangige Politiker zu treffen, die ich auf diese Weise für unsere Anliegen sensibilisieren kann.
Die Themen sind dabei durchweg bundespolitischer Natur, auch wenn in diesem Fall die meisten Ansprechpartner und Beispiele aus Bayern kommen - in diesem Fall ist der Sitz unseres Verbands in München ein Vorteil.
Einen besonders guten Kontakt hat die vbw zu aus Bayern stammenden Abgeordneten sowie zur CSU, der aufgrund ihrer Regierungsbeteiligung große Bedeutung zukommt und die bekanntermaßen öfter einmal von CDU und SPD abweichende Ziele verfolgt – und dabei durchaus für die Anliegen von Selbstständigen offen ist.
Wichtig ist das Engagement in der vbw auch, weil sie für uns einen Draht zum Arbeitgeberlager schafft. Die vbw ist eines der größten Mitglieder sowohl von BDI und BDA, ihr Wort hat dort Gewicht. Wir sehen uns innerhalb der vbw auf Augenhöhe behandelt, unser Engagement wird sehr geschätzt, auch wenn wir natürlich inhaltlich nicht in jedem Punkt gleicher Meinung sind. Auch die dort unkompliziert mögliche Vernetzung mit anderen Landes- und Bundesverbänden hat sich bereits als sehr hilfreich erwiesen.
Beispiel: Politischer Dialog in Berlin
Am Donnerstag, 28.06.18 veranstaltete die vbw ein Abendessen mit ca. 35 Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen Verbandsvertretern.
Ich sprach länger u.a. mit MdB Stefan Schmidt von den Grünen, einem ausgewiesenen Realo und engen Mitarbeiter von Dr. Thomas Gambke, der lange Zeit bei den Grünen für wirtschaftlichen Sachverstand und Verständnis für Selbstständige stand.
Schmidt stellte den Kontakt zu anderen Realos her, die ein offenes Ohr für unsere Positionen haben könnten (darunter auch einige mir noch nicht bekannte) und mahnte dazu, auch die "Fundis" zu besuchen und zu versuchen, auch diese zu überzeugen.
Zwischendurch mussten die Abgeordneten zu einer namentlichen Abstimmung. Die Sitzung dauerte an diesem Tag bis spät in die Nacht.
Dieter Janecek, der frühere wirtschafts- und jetzige digitalpolitische Sprecher, der uns schon vor einigen Jahren im VGSD-Büro besucht hatte, musste kurz nach Mitternacht noch eine Rede halten.
Hintergrund: Es ist üblich, dass die Abgeordneten nur bei Debatten zu ihrem Fachgebiet oder solchen von großer allgemeiner Bedeutung im Plenum anwesend sind. Ansonsten wäre ein Treffen mit Politikern während der Sitzungswochen in Berlin kaum möglich. Das unentschuldigte Fehlen bei namentlichen Abstimmungen wird dagegen mit relativ hohen Sanktionen (200 Euro netto pro Abstimmung) bestraft.
Die Abgeordneten der AfD kritisieren die Abwesenheit der anderen MdBs im Bundestag – und machen damit aus der Not eine Tugend: Nur ganz wenige Verbandsvertreter, Gewerkschafter etc. sind bereit, sich mit ihnen zu treffen, entsprechend viel Zeit haben sie. Sollte sich dies ändern (die AfD-Abgeodneten bemühen sich intensiv um solche Kontakte), dürften auch die AfD-Abgeordneten häufiger im Bundestag fehlen.
Fünf Parteien in fünf Stunden
Am Freitag, 29.06.18 trafen wir uns um 7:45 Uhr vor dem Paul-Löbe-Haus – direkt neben dem Reichstag. Nach dem Passieren der Sicherheitsschranke durften wir für den Rest des Tages einen der Ausschuss-Säle des Bundestages nutzen, um uns im Stundentakt mit den Landesgrupen-Chefs der verschiedenen Parteien (außer AfD und Linke) zu treffen und diese zu befragen.
Da die Auseinandersetzung zwischen Seehofer und Merkel an diesem Tag gerade einen neuen Höhepunkt erreicht hatte, war dies natürlich bei allen Gesprächen das Einstiegs-Thema, wobei wir jeweils schnell zu wirtschafts- und sozialpolitischen Themen übergingen:
- Den Anfang machte MdB Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe. Ich sprach ihn auf die Rechtsunsicherheit bei der Beauftragung von Selbstständigen an und die dadurch verstärkte Verlagerung von Aufträgen ins Ausland, die wir als Konsequenz beobachten. Das Thema war ihm nicht präsent, aber er bat mich, ihn per Mail über die Zusammenhänge zu informieren.
- Es folgte Martin Burkert, Vorsitzender der bayerischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion. Dabei standen verkehrspolitische Fragen im Vordergrund, ich hielt mich bei diesem Thema zurück.
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Karsten Klein, Vorsitzender der bayerischen Landesgruppe der FDP-Bundestagsfraktion, ihn sprach ich auf das Thema Abmahn-Missbrauch an und bat ihn um die Unterstützung der geplanten Gesetzesreform – auch wenn der Entwurf dafür aus den Reihen der CDU/CSU kommt.
- Dieter Janecek ist – wie oben schon erwähnt – Sprecher für digitale Wirtschaft und Transformation der Grünen.
Ihn sprach ich auf die Debatte um das Thema Crowdworking an, bei der ja – auch von den Grünen – der Eindruck erweckt wird, dass diese prekäre Art der Beschäftigung typisch für alle Soloselbstständigen sei oder werde. Dabei wurde ich – wie mehrfach an diesem Tag – auch von anderen Verbandsvertretern unterstützt.
- Die Steuerberaterin Antje Tillmann (CDU), finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, beeindruckte durch ein sehr persönliches und glaubwürdiges Statement zur Flüchtlingspolitik. Ich stellte zur Abwechslung eine Frage zur Steuerpolitik, genauer gesagt zur Vereinfachung des Umsatzsteuerrechts, die sie interessiert aufnahm. Für viele Selbstständige ist die Umsatzsteuer mit viel bürokratischem Aufwand verbunden, insbesondere wenn Steuerbefreiungen und Auslandsgeschäfte mit ins Spiel kommen.
Drei Verkehrsminister und ein Selbstständiger
Nach den Gesprächen mit den Politikern durften wir gegen 14 Uhr nach kurzem Fußweg ein Spreeschiff besteigen.
Es ist eine Tradition bei den jährlich stattfindenden Dialogveranstaltungen, dass die Verbandsvertreter bei der sich anschließenden Spreefahrt vom Bundesverkehrsminister, in diesem Fall also Andreas Scheuer (CSU) begleitet werden.
Auch der frühere Verkehrsminister Peter Ramsauer (ebenfalls CSU) ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen, zumindest einen Teil der Strecke mit uns zu fahren. Zusammen mit Alexander Dobrindt hatte ich an diesem Tag also gleich drei aktuelle und vormalige Verkehrsminister kennen gelernt...
Noch viel mehr freute ich mich aber über jemand ganz anderes: Ein als Dienstleister den Tag über anwesender Selbstständiger erzählt mir, er habe den VGSD vorher nicht gekannt und sei überrascht, dass bei einer solchen Veranstaltung auch die Interessen der Solo-Selbstständigen vertreten werden, das fände er großartig. Er sei noch während der Sitzung auf unsere Seite gegangen und habe sich als Mitglied angemeldet...
Die Reise nach Berlin, die ich noch mit einem Treffen mit befreundeten Verbänden sowie Auftraggebern (Hauptgesprächsthema: Scheinselbstständigkeit / Rechtssicherheit) verbinden konnte, hat sich also in jeder Hinsicht gelohnt: Neue Kontakte geknüpft, Politiker für unsere Themen sensibilisiert und neue Mitglieder gewonnen... ;)
Abendessen mit Staatssekretär
Seitdem hat (in der Nähe von München) noch ein weiteres Event stattgefunden. Zu einem formalen Abendessen hatte die vbw letzten Donnerstag den bayerischen Finanz-Staatssekretär Dr. Hans Reichhart eingeladen. Bei dem Abendessen sprach dankeswerterweise ein anderer Verbandsvertreter das Thema Scheinselbstständigkeit an und lieferte mir damit die Vorlage, um unsere Anliegen im Dialog mit dem Staatssekretär zu vertiefen.
Es bestand später dann noch in einem Dreiergespräch die Chance, zwei weitere Anliegen zu thematisieren, die sich aus dem Interview mit dem Bonhoff-Preisträger Marcello Danieli ergeben hatten. Der Staatssekretär reagierte darauf sehr offen und sagte seine Unterstützung zu.
Neben bagsv wichtigstes Engagement in anderem Verband – aktive Mitglieder gesucht
Soweit einige Beispiele für die Möglichkeiten zur Interessenvertretung durch unsere Mitgliedschaft in der vbw. Sie ist – zusammen mit unserem Engagement in der bagsv – momentan die wichtigste Verbandsmitgliedschaft des VGSD. Ein wichtiges Ziel ist für uns, dass wir noch mehr aktive Mitglieder finden, die im Sinne der VGSD-Mitglieder sprechfähig sind, um mit ihrer Hilfe die gemeinsamen Interessen in noch mehr Gremien und Organisationen zu tragen, zu denen wir inzwischen Zugang haben bzw. in die wir aktiv eingeladen werden.
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