Hast du schon einmal eine Bundestagssitzung live von der Zuschauertribüne aus verfolgt? Das ist bei rechtzeitiger Reservierung viel einfacher als du vielleicht denkst, sehr interessant und noch dazu kostenlos. Die Besichtigung der Reichstagskuppel ist inklusive. Wir verraten dir, wie du dir einen oder mehrere Plätze sicherst – und was du nicht vergessen darfst.
Der Besuch ist mittwochs bis freitags in Sitzungswochen möglich – donnerstags sogar noch spät abends! Die Sitzungswochen mit Parlamentsbetrieb kannst du dem Sitzungskalender des Bundestags entnehmen. Wenn du in Berlin wohnst oder deine nächste Berlinreise auf eine dieser Wochen bzw. Tage entfällt, kannst du kostenlos per Online-Anmeldeformular einen Platz für dich, deine Mitreisenden oder gleich eine ganze Gruppe reservieren.
Was man vorher wissen sollte
Achtung: Alle Teilnehmer/innen müssen mindestens 15 Jahre alt sein bzw. sich mindestens im 9. Schuljahr befinden, am besten fragst du bei der Terminfindung bereits das Geburtsdatum aller Teilnehmer/innen ab und weist sie auf die Gesamtdauer des Bundestagsbesuchs hin (siehe unten). Außerdem müssen alle Teilnehmer/innen einen Personalausweis oder Reisepass mitbringen.
Nach der Bestätigung wichtiger Hinweise, der Datenschutzhinweise und einer Captcha-Abfrage hast du die Wahl zwischen dem Besuch einer Plenarsitzung, einem Vortrag auf der Besuchertribüne des Plenarsaals oder eine 90-minütige Führung durch den Reichstag – jeweils mit anschließendem Besuch der Reichtstagskuppel (oder du kannst dich auch auf dessen Besichtigung beschränken). Der Besuch der Kuppel kann allerdings nicht garantiert werden und z.B. wegen schlechter Witterungsverhältnisse kurzfristig abgesagt werden. Je nach Art des Besuchs unterscheiden sich die angebotenen Zeiten. Vorträge auf der Besuchertribüne sind z.B. nur zu sitzungsfreien Zeiten möglich, auch samstags und sonntags.
So funktioniert die Online-Anmeldung
Im nächsten Schritt gibst du die Anzahl der Teilnehmer an und wählst ein einstündiges Zeitfenster für den eigentlichen Tribünenbesuch aus. Für den Fall dass dieser doch nicht verfügbar sein sollte, kannst du auch zwei alternative Wunschtermine angeben. Jetzt musst du nur noch Name und E-Mail-Adresse angeben und die Anmeldung absenden.
Bei meiner eigenen Anmeldung habe ich zwei Person angemeldet und nach wenigen Minuten einen Bestätigungslink erhalten, unter dem ich dann in einer Teilnehmerliste den Namen des zweiten Teilnehmers und unsere Geburtsdaten ergänzen konnte (dafür hat man 24 Stunden Zeit). Gleich am nächsten Morgen bekam ich dann per E-Mail die Zusage mit Anschreiben, Hinweisblatt und Teilnehmerliste (am besten ausdrucken und mitnehmen) – und der Bitte, sich 45 Minuten vorher am Besuchereingang einzufinden.
Ablauf des Bundestagsbesuchs
Von dort wurde unsere Gruppe nach kurzer Wartezeit in den Vorraum zur Zuschauertribüne gebracht, von dort kann man bereits ins Plenum sehen und anhand von Schautafeln und Info-Material einlesen. Pünktlich zur vereinbarten Zeit darf man dann die Tribüne betreten. Wenn zu dieser Zeit die Sitzung schon zu Ende sein sollte, erhält man automatisch einen Vortrag in deutscher Sprache.
Im Anschluss (oder wenn man möchte auch schon früher) kann man mit einem eigenen Aufzug zur Reichstagskuppel fahren und diese besichtigen. Wer noch nicht dort war, sollte sich dafür mindestens noch mal eine dreiviertel Stunde Zeit reservieren, so dass man mit einem Zeitbedarf von zweieinhalb bis drei Stunden kalkulieren sollte.
Erfahrungsbericht: Der letzte Tag vor der Sommerpause
Mein Tribünen-Termin fiel auf Freitag, den 7.7.23, 17 Uhr, also auf den letzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause. Am Vorabend erfuhr ich von Abgeordneten, dass die Tagesordnung an diesem Tag bereits um 14 Uhr enden sollte. Am eigentlichen Besuchstag sorgte dann allerdings zuerst die Unionsfraktion und später die AfD für Verzögerungen, indem sie einen "Hammelsprung" beantragten. Das ist ein zeitintensives Abstimmungsverfahren, bei dem zunächst alle Abgeordneten das Plenum verlassen müssen, um es dann durch drei mit "Ja", "Nein" und "Enthaltung" beschrifteten Türen wieder zu betreten und dabei von Saaldienern gezählt zu werden. Gültig ist ein solcher Beschluss nur, wenn daran mindestens die Hälfte der Abgeordneten teilnehmen. Zwei Hammelsprünge an einem Tag, das ist so ungewöhnlich, dass abends die Tagesschau darüber berichtete.
Ein tiefer, an eine Schiffssirene erinnernder Ton erschallt in allen Bundestagsgebäuden, so dass die MdBs aus ihren Büros zur Abstimmung herbeieilen können. Denn an den meisten Sitzungen nimmt nur ein überschaubarer Teil der Abgeordneten, nämlich die für das jeweilige Thema zuständigen Fachpolitiker teil. Sie stimmen mit Handzeichen oder Aufstehen ab. Da die meisten Abstimmungen innerhalb einer Fraktion einheitlich erfolgen, sind die Mehrheiten in solchen Fällen einfach zu bestimmen.
Warum Gespräche mit Abgeordneten immer von der Tagesordnung des Bundestags abhängig sind
Eine weitere Abstimmungsvariante sind die namentlichen Abstimmungen. Auch hier werden die Abgeordneten per Tonsignal ins Plenum gerufen und müssen andere Termine hierfür unterbrechen. Zum Beispiel Gespräche mit Interessenvertretern wie uns, die bevorzugt während der Sitzungswochen in Berlin stattfinden. Allerdings müssen namentliche Abstimmungen vorab beantragt werden und sind im Gegensatz zum "Hammelsprung" für die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter besser vorhersehbar.
Trotz zweier Hammelsprünge endete der letzte Sitzungstag vor der Sommerpause kurz vor 17 Uhr, so dass sich der Bundestag komplett geleert hatte, als wir die Tribüne betreten durften. Anstelle des Parlamentsbetriebs erhielten wir deshalb einen Vortrag, in dem wir erfuhren, wer wo im Bundestag sitzt, wie viele Stühle es exakt gibt, wie die Abstimmungen funktionieren und vieles mehr.
Ein Blick auf die Tagesordnung lohnt sich
Wer auf jeden Fall eine Plenarsitzung sehen möchte, sollte sich parallel zur Anmeldung die Tagesordnung des Bundestags anschauen. Diese wird auch während der Sitzung laufend aktualisiert. Und jede/r, dem man von einem solchen Besuch erzählt, möchte als erstes wissen, worüber während des Besuchs debattiert wird. Sollte die Sitzung an einem Donnerstag länger als 23 Uhr dauern, was keine Seltenheit ist, kann man am selben Tag ab 9 Uhr übrigens auch noch für die Zeit nach 23 Uhr einen Tribünentermin anfragen!
Es ist also ziemlich viel geboten für den überschaubaren Eintrittspreis von 0 Euro, dafür dürfte man in Berlin keine vergleichbar interessanten Freizeitaktivitäten finden, mindestens wenn man politisch interessiert ist...
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