Eine EU-Konferenz für kleine und mittlere Unternehmen mit 400 Teilnehmenden – und der VGSD mittendrin! Auf der "SME Assembly" in Bilbao hat Reinhard Mohr für uns Kontakte geknüpft und Anregungen mitgebracht.
Auf der jährlichen "SME Assembly" – zu deutsch: KMU-Versammlung – der EU kommen rund 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der ganzen EU zusammen. "SME" steht für "small and medium sized enterprises", also das, was man im Deutschen als kleine und mittlere Unternehmen, KMU, bezeichnet. Die jüngste SME Assembly fand vom 13. bis 15. November in Bilbao statt. Reinhard Mohr vertrat den VGSD dort als Delegierter.
Hier sein Bericht:
Ich bin mit mehreren Zielen nach Bilbao gefahren. Das erste war, den VGSD auf europäischer Ebene bekannter zu machen. Das funktioniert wirklich einfach so, dass „Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD)“ auf meinem elektronischen Namensschild stand, mit dem ich auf der Konferenz herumgelaufen bin. Dadurch tauchte diese Bezeichnung in allen elektronischen Teilnehmerlisten auf. Die sahen auch alle anderen 400 Konferenzteilnehmer aus allen Ecken und Enden Europas. Deren „digitaler Kongressaccount“ war also mit unserem Verbandsnamen „geimpft“. Was einer Verbreitung von Finnland bis Malta entsprach!
Und: In vielen Seminaren, an denen ich teilnahm, konnte ich mich mit Redebeiträgen als VGSD-Delegierter vorstellen. Dabei konnte ich unseren Verband auch kurz präsentieren. Nicht ganz unwichtig waren auch die Gespräche beim Kaffee, bei denen ich den VGSD, seine Struktur und seine Ziele vorstellen konnte. So dass auch rein informell der „Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland“ jetzt von Portugal bis Polen etwas bekannter sein dürfte.
Interessante Themen und Kontakte im EU-Umfeld
Das zweite Ziel war es, interessante Themen aufzuspüren, die in anderen Ländern oder auf der europäischen Ebene für Selbstständige interessant sein könnten. Das reicht etwa von den EU-Verbesserungen im Bereich „Public Procurement" (Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand) bis hin zu den Ideen, wie man grenzübergreifende Geschäftskontakte schließen könnte. Denn allzu oft ist für uns Selbstständige in Bayern bei Garmisch Schluss mit potenziellen Auftraggebern. Dabei reichen die Chancen über Kufstein, Innsbruck bis nach Bozen, Rom und Sizilien … – und für andere Regionen natürlich entsprechend.
Drittes Ziel war es, Kontakte im EU-Umfeld ermöglichen. Im Wesentlichen, indem ich Ansprechpartner/innen fand und deren Kontaktdaten mitbrachte. Im Grunde genommen mit dem Ziel vor Augen, dem VGSD einen Kontaktpunkt für EU-Themen zu bieten.
"Not made for filling forms!"
Diese Konferenz der EU ist für kleine und mittelständische Unternehmen – und durchaus als „Geben und Nehmen“ gedacht. Dabei sind Solo-Selbstständige ganz klar eingeschlossen im Zielpublikum. Da gibt es keine Mindest-Unternehmensgrößen und auch keine Unterschiede in der Wichtigkeit von Reden, Diskussionsbeiträgen oder bei der Themensetzung.
Das „Geben“ von Seiten der EU soll die Unterstützung für unseren Wirtschafsbereich aufzeigen. Ein sehr schöner Satz, der immer wieder zitiert wurde, war: „Entrepreneurs are not made for filling forms!“ Aus europäischer Sicht hat man dieses Problem erkannt – und will den unternehmerischen Geist nicht durch Papierberge lahmlegen. Die Digitalisierung ist eines der großen Felder, auf denen die EU Erleichterungsmöglichkeiten sieht.
Offenheit auf Augenhöhe, ohne Plattitüden
Im Bereich des „Nehmens“ durch die EU ist die SME-Konferenz auch dezidiert dazu gedacht, dass sich sehr ranghohe Vertreter aus der Brüsseler Politik und der EU-Verwaltung direkt bei Unternehmerinnen und Unternehmern informieren können. Um sich „zu erden“, um einfach und ungezwungen Feedback zu bekommen. Man steht in der Kaffeepause Rücken an Rücken mit einer hochrangigen Direktorin aus der Brüsseler Verwaltung, kann sich einfach umdrehen und in einem Gespräch das anbringen, „was man immer schon mal sagen wollte“.
Die Veranstaltung macht eine große Offenheit aus. Man bekommt praktisch keine politischen Plattitüden vorgesetzt. Man redet verständlich und nie von oben nach unten. Es sind Unternehmerinnen und Unternehmer jeden Alters und aus allen Mitgliedsländern der EU auf der SME-Konferenz vertreten. Und sogar aus Ländern, die nicht zur Europäischen Union gehören – wie leider aus Großbritannien oder glücklicherweise auch aus der Ukraine.
Selbstständige in Schweden willkommen
Stets gibt es eine gemeinsame Diskussionsgrundlage, eine Art „identical mindset“. Alle sind offen für alle anderen, alle wissen, wie es ist, selber die Ideen entwickeln zu müssen und zu dürfen, mit denen man seinen Lebensunterhalt verdient. Und alle kennen Probleme zwischen bürokratischer Belastung und zu wenig Urlaub.
Schon indem ich den VGSD in Gesprächen kurz vorstellen konnte, konnte ich auf die Solo-Selbstständigen aufmerksam machen. Und auf die Probleme, die vielleicht nur wir hier in Deutschland haben. Sehr schön war etwa das Gespräch mit der Vertreterin einer schwedischen Initiative, die Selbstständige als Fachkräfte für die Region um Göteborg gewinnen will. Während sie mir bei einem Kaffee die „Benefits“ ihres Projektes für Solo-Selbstständige dort vorstellte, berichtete ich ihr von den Problemen, die wir durch die „Scheinselbstständigkeit“ haben. Ihre Antwort war: „Send everybody over to Sweden – they are really welcome!“ Sie konnte es sich nicht vorstellen, dass eine Regierung ihren Selbstständigen das Leben schwer machen kann, statt deren Unternehmergeist freien Lauf zu lassen.
EU an vielen Stellen weiter als gedacht
Die schwedische Delegierte brachte mich auch mit dem EU-Mitarbeiter zusammen, der ihr Projekt betreute. Der stammte zwar ursprünglich aus Deutschland – hatte aber noch nie etwas von den Problemen Solo-Selbstständiger mit der Scheinselbstständigkeit zu tun. Zack, doppelter Erfolg: Den VGSD in der europäischen Verwaltung bekannt gemacht und gleichzeitig auf eines der drängendsten Probleme der Selbstständigen in Deutschland hingewiesen.
Die Konferenz hat mir gezeigt, dass die EU an vielen Stellen schon weiter ist, als wir es uns hier in Deutschland vorstellen. Green Deal, Digitalisierung, Vereinheitlichung nationaler Regeln, erleichterter Zugang zu Märkten: Alles Themen, die hier noch schwergängig durch die Bürokratie laufen. Sie werden seit Jahren auf EU-Ebene vorangeschoben und unter Berücksichtigung kleiner und mittlerer Unternehmen abgearbeitet.
Fazit: Europa lohnt sich!
Traurig war, dass unter den 297 teilnehmenden Projekten der Wettbewerbe rund ums unternehmerische Denken nur eine einzige Initiative aus Deutschland war. Sie schaffte es nicht auf eine der sechs Shortlists für die Endauswahlen.
Auch wenn wir als VGSD naturgemäß auf Deutschland fokussiert sind und kaum die Ressourcen für eine umfassende Beschäftigung mit EU-Themen aufbringen können – wir sollten das Thema „Europa“ im Auge behalten. Es lohnt sich!
Bericht von Reinhard Mohr
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