Zwei Drittel der privat Krankenversicherten müssen zum Jahreswechsel mit saftigen Beitragserhöhungen von durchschnittlich 18 Prozent bzw. 112 Euro pro Monat rechnen. Was auf PKV-Versicherte zukommt und warum.
Vor einem Monat hat der PKV-Verband gewarnt, die Süddeutsche Zeitung hat als erste darüber berichtet: Die privaten Krankenversicherungen müssen zum 1. Januar 2025 ihre Beiträge deutlich anheben. 18 Prozent sollen sie im Mittel steigen. Bei einem durchschnittlichen Beitrag von 623 Euro wären das 112 Euro. Die Beitragserhöhung kann aber auch höher oder niedriger ausfallen.
5,8 Millionen Versicherte müssen mit einer Beitragserhöhung rechnen
Betroffen sind zwei Drittel der 8,7 Millionen privat Versicherten, also rund 5,8 Millionen Menschen, zumeist sind dies Beamte, gut verdienende Angestellte sowie Selbstständige, die sich unabhängig von ihrem Verdienst privat versichern können – und dies oft auch bei geringerem Einkommen getan haben – wegen der hohen Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen für freiwillig Versicherte wie sie.
Innerhalb der nächsten Wochen, also im Oktober oder November, sei mit einem entsprechenden Brief der privaten Krankenversicherung zu rechnen, sofern diese ihre Tarife nicht zu einem anderen Termin anpasse (die DKV zum Beispiel am 1. April).
Stark gestiegene Leistungsausgaben
Ursache der Beitragserhöhungen seien die starken Anstiege bei den medizinischen Leistungen, wobei Krankenhaus-Behandlungen der größte Kostentreiber seien. Die Leistungsausgaben sind 2023 um 13,5 Prozent gestiegen und der Anstieg setzte sich auch 2024 fort. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass nicht zwingend nötige Operationen während der Coronakrise aufgeschoben und in den Folgejahren nachgeholt wurden.
Die Tagesschau berichtet, zwischen 2021 und 2023 seien die Kosten für einen durchschnittlichen Pflegetag im Krankenhaus um 37,5 Prozent gestiegen, was mit den stark gestiegenen Tarifgehältern sowie höheren gesetzlichen Mindestvorgaben zum Pflegepersonal (Anzahl im Verhältnis zu Patienten) zu tun habe. Generell steigen die Kosten für die Gesundheitsversorgung stärker als die Inflationsrate, Expert/innen sprechen in diesem Zusammenhang von der „medizinischen Inflation“
Was kann ich tun?
In die gesetzliche können privat Versicherte ab dem 55. Lebensjahr nur noch sehr schwer wechseln und auch hier sind deutliche Beitragserhöhungen sowie Erhöhungen der Beitragsbemessungsgrenze angekündigt. Online-Dienstleister werben damit, dass ein Wechsel auch noch in höherem Alter möglich ist, durch Verlegung des Betriebssitzes für mindestens zwölf Monate ins Ausland. Der GKV-Spitzenverband kritisiert dies allerdings als systematischen Rechtsmissbrauch und auch Verbraucherschützer warnen, weil man damit als Versicherter eine Verfolg wegen Sozialbetrugs riskiert.
Auch der Wechsel in eine andere PKV scheidet für die meisten aus, da hier Teile der Altersrückstellungen verloren gehen und eine erneute Gesundheitsprüfung nötig ist. Bei vor 2009 abgeschlossenen Verträgen geht die Altersrückstellung sogar komplett verloren. Mittel der Wahl ist der Wechsel in einen anderen Tarif derselben Versicherung, wenn diese mehrere anbietet. Mit einem kostenlosen Musterbrief der Verbraucherzentralen kann man bei seiner Versicherung nachfragen.
Der PKV-Verband warnt allerdings vor zweifelhaften Tarifoptimierern, die sich ihre Beratung abhängig von der Höhe der jährlichen Ersparnis bezahlen lassen. Diese Art der Vergütung setze den Anreiz, den Versicherungsschutz möglichst stark zusammenzustreichen, den Selbstbehalt zu erhöhen oder in einen Tarif zu wechseln, in dem der Arzt nur noch den 2,3- statt 3,5-fachen Satz erhält, was die Arztsuche deutlich erschwert. Deshalb sollte man zunächst mit der Versicherung selbst sprechen und bei Bedarf einen unabhängigen Versicherungsmakler hinzuziehen, der nicht erfolgsabhängig honoriert wird.
Standardtarif als Option für langjährig privat Versicherte
Für Privatversicherte, die vor 2009 in die PKV eingetreten sind, kommt auch ein Wechsel in den Standardtarif in Frage, einen brancheneinheitlichen Tarif, dessen Beiträge auf den GKV-Höchstbeitrag (755,56 Euro im Jahr 2024) gedeckelt sind und dessen Beitrag aktuell bei durchschnittlich 400 Euro liegt.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat diesen Sommer bei einer Prognoserechnung, bei der sie die PKV-Beitragsentwicklung 50 Jahre in die Zukunft simulierte, festgestellt, dass Leistungen, die mit denen der GKV vergleichbar sind (also der Standardtarif), auch künftig zu Beiträgen angeboten werden können, die nicht über dem GKV-Höchstbeitrag liegen. Zu beachten ist allerdings, dass nicht jeder Arzt Patienten im Basistarif behandelt. Das BaFin verweist entsprechend Versicherte auf von den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen gepflegte Listen.
Seit 2009 oder später PKV-Versicherte haben aufgrund des „Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-WSG) nur die Option, in den Basistarif zu wechseln. Der sollte nach dem Willen des Gesetzgebers eigentlich günstiger sein als der Standardtarif, wurde aber von ihm so ausgestaltet, dass das Gegenteil der Fall ist.
Warum so starke Erhöhungen?
Warum kommt es bei privaten Krankenversicherungen immer wieder zu solchen „schlagartigen“ Erhöhungen? Die privaten Versicherungen würden ihre Beiträge lieber in kleineren Schritten erhöhen, dem stehen aber veraltete und wenig verbraucherfreundliche Gesetze gegenüber. Erhöht werden darf erst dann, wenn die im Versicherungsaufsichtsgesetz festgelegten Schwellenwerte bei einem „Auslösenden Faktor“ – den Versicherungsleistungen oder der Lebenserwartung – überschritten werden. Die aufgrund von deren Änderung kalkulierten Kosten müssen in Bezug auf die Lebenserwartung um mindestens fünf Prozent, in Bezug auf die Versicherungsleistungen je nach Tarif um fünf bzw. zehn Prozent gestiegen sein. In diesem Augenblick wirken sich dann die oft über mehrere Jahre ohne Beitragsanpassungen aufgestauten Kostensteigerungen aus. Hinzu kommt, dass sich in diesem Moment dann auch zwischenzeitliche Änderungen am Kalkulationszinssatz auf die Beiträge auswirken.
Leider blockiert die SPD seit vielen Jahren ohne Rücksicht auf Verbraucherinteressen die nötige Gesetzesänderung, weil sie die PKV möglichst unattraktiv machen möchte. Erst vor zwei Wochen debattierte auf Initiative der CDU/CSU der Deutsche Bundestag über Reformmöglichkeiten und hat sich für eine Herabsetzung der Schwellenwerte im Versicherungsaufsichtsgesetz ausgesprochen. Außerdem forderte sie auch eine Öffnung des Standardtarifs für Personen, die nach 2008 privat versichert haben.
GKV- und PKV-Beiträge entwickeln sich vergleichbar
Langfristig haben sich die Beiträge in der GKV und PKV bei gleichbleibendem Einkommen ähnlich entwickelt, schreibt das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP): in der GKV um 3,2 Prozent pro Jahr, in der PKV um 2,8 Prozent. Zu bedenken ist allerdings, dass mit sinkendem Einkommen, etwa im Rentenalter, die GKV-Beiträge sinken, die PKV-Beiträge nicht. Auch sind bei dieser Berechnung die Beitragserhöhungen noch nicht berücksichtigt, über die wir hier berichten.
Andererseits gibt es auch eine Reihe von Mechanismen, die einen immer weiteren Anstieg bei PKV-Versicherten verhindern: Bei gesetzlich Rentenversicherten ersetzt ein Zuschuss der DRV den wegfallenden Arbeitgeberzuschuss und die Altersrückstellungen kommen immer mehr zum Tragen.
Welchen Einfluss haben Änderungen des Leitzinses auf die Beiträge?
In der Vergangenheit wurden Beitragserhöhungen von der PKV mit dem niedrigen Zinsniveau begründet. In den letzten zwei Jahren hat die EZB ihren Leitzins allerdings von null auf zwischenzeitlich 4,5 Prozent, aktuell 3,25 Prozent erhöht. Müssten die Beiträge demzufolge eigentlich nicht zurückgehen?
Tatsächlich gilt: Je höher der Zins, desto geringer die Beiträge. Das liegt daran, das bei höheren Zinsen niedrigere Beiträge nötig sind, um die nötigen Altersrückstellungen aufzubauen und die Versicherungsleistungen zu garantieren.
Kalkuliert wird aber nicht mit dem Leitzins der EZB, sondern dem „aktuariellen Unternehmenszins“ (AUZ). Der Aktuar ist der Versicherungsmathematiker und muss abhängig davon, wie sein Unternehmen die Altersrückstellungen angelegt hat den AUZ errechnen. Seine Berechnungen werden ebenso wie die gesamte Beitragsberechnung von externen Treuhändern überprüft, um zu verhindern, dass Versicherungen überhöhte Beiträge kalkulieren und so ihren Gewinn erhöhen.
Die privaten Krankenversicherungen legen ihr Kapital typischerweise sehr langfristig an. Das hat den Vorteil, dass trotz jahrelanger Niedrigzinsen die Durchschnittsverzinsung in der Branche nie unter zwei Prozent sank. Andererseits hat es zur Folge, dass steigende Zinsen sich erst nach und nach auf den AUZ auswirken. 2023 lagen die PKV-Vermögensverwalter wieder bei Renditen von 2,75 Prozent.
Ohne die höhere Rendite würden die Beitragssteigerungen also noch höher ausfallen, verhindern können sie sie aber nicht.
Bist du auch privat versichert?
Zu welchem Stichtag passt deine PKV üblicherweise ihre Beiträge an? Hast du schon einen Brief von ihr erhalten? Und falls ja: Wie hoch ist die prozentuale Erhöhung in deinem Tarif ausgefallen (je nach Eintrittsalter kann es auch beim gleichen Tarif zu unterschiedlich hohen Beitragssteigerungen kommen)? Wie wirst du damit umgehen? Wir sind gespannt auf deinen Kommentar!
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