Zum Inhalt springen
Mitglied werden

Stiftung Warentest Große Mängel bei Altersvorsorgeberatung der Deutschen Rentenversicherung

Wir alle sind gefordert, stärker privat fürs Alter vorzusorgen. Für Selbstständige, die bislang noch keiner Altersvorsorgepflicht unterliegen gilt das in besonderem Maße. Wichtig dafür ist in jeder Lebensphase zu wissen: Wie viel kommt realistischerweise im Alter bei diesen Anstrengungen heraus: Zu welchen Alterseinkünften führt der Flickenteppich an gesetzlicher, betrieblicher, privater Lebens- und Renten-, Riester- und Rürupversicherung, die die meisten von uns haben?

Finanztest-Cover Oktober 2019

Und reicht das zusammen mit anderweitigen privaten Ersparnisse, Wertpapieranlagen und ggf. Immobilien für einen auskömmlichen Lebensabend? Oder besteht eine Rentenlücke? Wie groß ist diese? Wie lässt sie sich schließen?

Systematische Bestandsaufnahme soll zeigen, ob Rentenlücke besteht

Spätestens mit Anfang bis Mitte 40 sollte man solche Berechnungen durchführen, damit noch Zeit bleibt, eine mögliche Lücke zu schließen.

Dazu ist es wichtig, eine Bestandsaufnahme der bestehenden Vorsorge und der aktuellen finanziellen Einnahme- und Ausgabesituation vorzunehmen, die weitere Entwicklung anhand von Annahmen über Renditen und Inflation hochzurechnen und das Ergebnis mit den erwarteten Lebenshaltungskosten im Alter abzugleichen.

Dies gehört zu jeder guten Altersvorsorge-Beratung und wird täglich tausendfach praktiziert. Allerdings haben Banken und Versicherungen viel Vertrauen verspielt, weil sie diese Berechnungen dann zur Akquise nutzten - nicht immer im besten Interesse ihrer Kunden. Honorar- und Rentenberater bieten zwar eine unabhängige Beratung, die Kunden müssen hier aber bereit sein, für die bei Finanzberatern vermeintlich kostenlose Dienstleistung ordentlich zu bezahlen.

Seit Anfang 2018 soll die DRV eine solche Beratung bieten

Um eine unabhängige und preisgünstige Beratung sicherzustellen und auf diese Weise zu erreichen, dass dem Staat im Alter möglichst wenige Bürger auf der Tasche liegen, hat der Gesetzgeber diese Aufgabe Anfang 2018 auf die Deutsche Rentenversicherung (DRV) übertragen. Mehr als 55 Millionen Versicherten in Deutschland haben einen Anspruch darauf, sich in einer der 163 Beratungsstellen informieren zu lassen.

Diese Beratungsgespräche hat die Stiftung Finanztest unter die Lupe genommen und kritisiert die DRV heftig: Sie erreiche nur ein "Ausreichend". "Mit großen Mängeln" ist ihre diesbezügliche Pressemitteilung überschrieben.

Das Ergebnis sei ernüchternd, denn bei Fragen jenseits der gesetzlichen Rente und beim Aufbau der Altersvorsorge patzten viele Berater oder konnten überhaupt nicht helfen.

80 Testgespräche geführt – bis zu vier Monate Wartezeit

Die Stiftung hatte bei jedem 14 regionalen und der beiden bundesweiten Träger der Rentenversicherung je fünf Termine vereinbart, insgesamt also 80 Testgespräche geführt.

Schon die Terminvereinbarung im Internet funktionierte nur in etwas mehr als der Häfte der Fälle. In einem von sechs Fällen erhielten die Tester innerhalb von acht Wochen gar keinen Termin und mussten bis zu vier Monate warten.

Die Versuchspersonen wurden von der Stiftung Warentest natürlich mit allen relevanten Unterlagen ausgestattet (persönliche Renteninformationen, Stand der privaten und betrieblichen Anwartschaften). Schon bei der Bestandsaufnahme der Verträge ging viel daneben: Die Erfassung von gesetzlichen Renten und anderen gesetzlichen Anwartschaften lief akzeptabel, die private und betriebliche Vorsorge fiel aber zu oft unter den Tisch: Nicht einmal in jedem zweiten Gespräch schauten sich die Berater diese Unterlagen an.

Kaum Auskünfte zur privaten und betrieblichen Altersvorsorge, keine systematische Erfassung

Die Berater gaben auch kaum Auskünfte zur private und betrieblichen Altersvorsorge, etwa zu steuerlichen Fördermöglichkeiten in der Beitragsphase und zu den Abgaben, mit denen man im Alter abhängig von der Einkunftsart rechnen muss.

"Die meisten Berater der Deutschen Rentenversicherung scheiterten bereits daran, alle Alterseinkünfte und die mögliche Rentenlücke zu ermitteln" kritisierte Hubert Primus, der Vorstand der Stiftung Warentest. Mangels systematischer Erfassung der zu erwartenden Alterseinkünfte konnten auch keine Tipps für den Ausbau der Altersvorsorge gegeben werden. Dies war aber eigentlich das Ziel des Gesetzgebers.

Nur 14 von 80 Beratern gingen auf Rentenlücke ein

Von 80 Beratern bezogen nur 15 alle Rentenanwartschaften ein. Nur 14 gingen überhaupt auf das Thema Rentenlücke ein.

Dabei hat die DRV einen nützlichen Erfassungsbogen entwickelt, der bei Erfassung und Berechnung helfen würde und auf dem die Versicherten die Beratungsergebnisse gut nachvollziehen könnten. Doch nur 15 Berater setzten dieses Formular ein.

"Das Ergebnis kann nicht überzeugen" - Trotzdem rät Stiftung zu Beratung

Fazit: "Das Ergebnis kann nicht überzeugen". Trotz der schlechten Beratung rät aber der Vorstand der Stiftung allen gesetzlich Rentenversicherten, die Beratung zu nutzen, allerdings nur mit einer sehr guten eigenen Vorbereitung (Rentenkonto vorab auf neuesten Stand bringen, alle Rentenmitteilungen und Standmitteilungen mitbringen, vor dem Gespräch anhand eines Erfassungsbogens selbst einen Überblick verschaffen, gezielt nach einer Rentenlücke fragen und nach Möglichkeiten, diese zu schließen). Eine konkrete Anleitungen zur Vorbereitung des Gesprächs gibt es in der Oktober-Ausgabe von Finanztest oder online.

Auch dann würde allerdings nur in Hinblick auf Rentenverträge beraten, aus denen lebenslange Ansprüche erwachsen. Anlagen in Immobilien und Wertpapiere (zum Beispiel Investmentfonds) spielten bei der Beratung keine Rolle.

Ein großer Fortschritt wäre aus Sicht der Stiftung die von Experten schon lange geforderte Onlineplattform, auf der Versicherte ihre Ansprüche produktübergreifend einsehen können. Eine individuelle Beratung können sie aber nicht ersetzen. Die DRV müsse deshalb unbedingt besser werden.

Selbstständige meiden DRV aus Angst, dass Auftraggeber auf Scheinelbstständigkeit geprüft werden

Selbstständige stehen in Hinblick auf die DRV noch vor einer ganz anderen Herausforderung: Viele haben nicht ganz unberechtigt die Sorge, dass eine Beratung durch die DRV nicht zu guten Tipps und zu einer Strategie zur Füllen einer eventuellen Rentenlücke führt, sondern zu einer Prüfung auf Versicherungspflicht bzw. Scheinselbstständigkeit.

Trotzdem sollte man die Altersvorsorgeplanung nicht aufschieben und abwarten, bis diese Gefahr gebannt ist und die DRV eine bessere Beratung anbietet. Tipp: Wer Finanzberatern, Banken und Versicherern mißtraut, kann auch die Beratung durch Verbraucherschutzzentralen in Anspruch nehmen. Die teuerste und schlechteste Entscheidung ist aber, den Kopf in den Sand zu stecken und nicht genug fürs Alter zu tun.

Deshalb veranstalten wir beim VGSD jedes Jahr Experten-Telkos zum Thema Altersvorsorge, die nächste ist am 15.10. zum Titel "Wie viel Geld brauche ich, um mit 65 mit dem Arbeiten aufhören zu können?". Als Vereinsmitglied kannst du dir die Aufzeichnungen unserer Telkos jederzeit in Ruhe anhören.

Neuester Hilfreichster Kontroversester
Kommentar schreiben
Abbrechen

Du möchtest Kommentare bearbeiten, voten und über Antworten benachrichtigt werden?

Jetzt kostenlos Community-Mitglied werden

Zum Seitenanfang

#

#
# #