Schnell empfohlen, selten durchdacht: "Mach doch eine GmbH, dann bist du fein raus". Aber: Diese besondere Rechtsform schützt nicht automatisch vor dem Verdacht der Scheinselbstständigkeit. Worauf es wirklich ankommt, erklärt Teil vier unserer Reihe.
Geht es um wirksamen Schutz der eigenen Selbstständigkeit, kommt vielen Selbstständigen schnell in den Sinn: "Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), das ist es!" Woher rührt der Ruf dieser Rechtsform als vermeintlich beste Absicherung gegen Scheinselbstständigkeit?
Ganz einfach: Von der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) selbst. In ihrem aktuellen Rundschreiben vom April 2022, das eine Art Handreichung für Sachbearbeiter der DRV, Betriebsprüfer, Anwälte und Sozialrichter sein soll, schreibt die DRV (Seite 17):
Ist der Auftragnehmer eine Gesellschaft in Form einer juristischen Person (z. B. AG, SE, GmbH, UG [haftungsbeschränkt]), schließt dies ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber grundsätzlich aus.
Findet der Prüfer also bei Routineprüfung eine juristische Person im Konto "Fremdleistungen", wird er meist an anderer Stelle weitersuchen: GmbHs per se sind nicht scheinselbstständig.
Ob aber Gesellschafter einer GmbH nicht trotzdem Beiträge in die gesetzliche Rente einzahlen müssen, ist allein mit der "richtigen" Rechtsform nicht geklärt. "Entscheidend ist die Verteilung der Geschäftsanteile und der Machtverhältnisse in der Gesellschaft", erklärt Sozialversicherungsrechtsexperte Dr. Hartmut Paul aus Berlin. Das ergibt sich aus dem zweiten Satz im Rundschreiben:
Eine vorschnell gegründete GmbH kann also durchaus ein Nachspiel haben.
Ging der Auftrag an eine OHG, KG, GmbH & Co KG, Partnerschaftsgesellschaft oder GbR, ist das Häkchen des Betriebsprüfers nicht ganz so selbstverständlich: Hier muss der Selbstständige, der hinter dieser Personengesellschaft steht, seine Selbstständigkeit im Zweifel beweisen:
Welche Möglichkeiten haben Freelancer also, ihr Business zu schützen? Antwort: Das hängt von ihrer Finanzkraft und ihrem Geschäftsmodell ab.
Hör dich um: Die meisten Solos besitzen keine GmbH, viele sehen sich nicht mal als Unternehmer/in. Dabei ist es genau das, womit Solos ihre Selbstständigkeit verteidigen können.
Denke groß! Solos sind in der Regel Einzelunternehmer/innen und ihre kumulierte wirtschaftliche Bedeutung ist hoch. Nicht ohne Grund untersucht das Ifo-Institut seit Ende 2021 Monat für Monat die Geschäftslage und -erwartung der Kleinen wie der Großen (Gesamtwirtschaft). Und wie bei größeren Unternehmen auch gilt es, auf deine Außenwirkung zu achten, deine Vertragsgestaltung zu optimieren und auf Fallstricke beim Kundeneinsatz zu achten.
Rechtlich bist du ein/e Einzelunternehmer/in, du haftest persönlich. Deine Geschäftsgründung erfordert – je nach Business – einen Gewerbeschein, eine Gewerbe- und eine Umsatzsteuernummer, eine Website und die private Absicherung in Haftungsfällen (Berufshaftpflicht), Rücklagen für Alter, Krankheit, Steuern und auftragslose Zeiten. Deine Steuererklärung erfordert je nach Umsatz Disziplin, aber nicht zwingend einen Steuerberater.
Wer also am Anfang steht oder die Kosten für die Gründung einer GmbH oder UG scheut, arbeitet wie das Gros aller Selbstständigen: mit dem eigenen guten Namen und hoher Expertise.
Als "kleine" GmbH gilt die Unternehmergesellschaft (UG), die die Vorteile der GmbH mit der geringeren Finanzkraft und auch dem beschränkten Finanzbedarf kleiner Unternehmer/innen verbindet. Die Gründung erfordert ein vergleichsweise sehr geringes Stammkapital, aber dennoch ausreichend Reserven für die Anlaufphase und die Zusatzkosten, die die Rechtsform mit sich bringt. Mehrere Tausend Euro sollten es auf jeden Fall sein. Der Vorteil der UG liegt zum einen in der Haftungsbegrenzung auf das meist niedrige Stammkapital. Zum anderen kann sie aktuell wie die GmbH für sich genommen nicht scheinselbstständig sein.
Aber: "Für die DRV allein sollte die UG nicht gegründet werden", sagt Rechtsanwalt Michael Felser und verweist auf ein Verfahren vor dem Bundessozialgericht, das bereits im Dezember 2022 entschieden werden könnte. Darin geht es um die Frage, ob die Gründung einer UG mit Pflegekräften eine Umgehung ist. Kippt der 12. Senat die UG, droht die sozialversicherungsrechtliche Neubewertungen vieler UGs und möglicherweise auch GmbHs.
Ob die UG deine Rechtsform ist oder nicht, hängt wie immer von deinem Geschäftsmodell ab. Da UGs wie alle Kapitalgesellschaften bilanzieren müssen, fallen zusätzliche Kosten für die Buchhaltung und Steuerberatung an. Zudem ist eine Umwandlung in eine andere Rechtsform oder aber die Aufnahme von Partnern recht kompliziert, sollte dein Business durch die Decke gehen. Vielfach begegnen Kunden, Vermieter und Lieferanten der kleinen Schwester der GmbH mit Misstrauen.
Wer die nötigen Mittel hat und vom Potenzial der eigenen Idee überzeugt ist, kann auch gleich an eine GmbH denken. Sie gilt Experten noch immer als "sichere Bank" bei der Beurteilung der Scheinselbstständigkeit (siehe oben). Aber Vorsicht: Die sozialversicherungsrechtliche Komponente der GmbH sollte nie ausschlaggebend für die Gründung sein.
Und Achtung: Hat die GmbH nur einen Auftraggeber, kann sie (wie arbeitnehmerähnlich Selbstständige) dennoch sozialversicherungspflichtig sein.
Ein Vorteil ist sicher, dass die persönliche Haftung auf Stammkapital begrenzt ist. Ausnahme: Für Steuerschulden und Soziversicherungsbeiträge haftet zuerst die GmbH, dann der Geschäftsführer persönlich.
Zu den Nachteilen einer GmbH zählt die Bilanzierungspflicht und der Jahresabschluss via Steuerberater; die Kosten hierfür sind höher als bei Einzelunternehmer/innen (mind. 200 Euro pro Monat). Auch Ausstieg beziehungsweise Liquidierung sind aufwändig. Zudem müssen Rücklagen für Steuern und ggf. Sozialversicherungsabgaben aufgebaut werden.
Wer mit der GmbH-Gründung liebäugelt, sollte das nur nach guter Beratung und vor allem vor der Prüfung durch die DRV angehen. Wichtig: Über die sozialversicherungsrechtlichen Fragen einer GmbH-Gründung dürfen Steuerberater nicht beraten. Hier ist der Experte aus dem Sozialversicherungsrecht gefragt.
Warum man die Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht alleine, sondern besser zu zweit oder sogar zu dritt gründen sollte – und welche Auswirkungen das für die Versicherungspflicht der Beteiligten hat, erklären wir im Folgenden:
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Streitpunkt: Ein-Personen-GmbH
Die Ein-Personen-GmbH scheint vielen eine gute Idee, um die eigene Selbstständigkeit zu schützen. Hier ist es jedoch wichtig zu wissen, dass die DRV bei ihren Entscheidungen von einer Umgehung ausgeht, anders aber die Landessozialgerichte, die viele Fälle entscheiden. Klarheit wird wohl erst ab Dezember 2022 herrschen, wenn das Bundessozialgericht wie bereits erwähnt zu einer anderen Rechtsform mit ähnlicher Wirkung urteilt: zur Unternehmergesellschaft (UG).
Immer wieder wird eine ganz andere Rechtsform empfohlen, um der Scheinselbstständigkeit ein Schnippchen zu schlagen: eine eingetragene Genossenschaft, kurz eG.
Dabei gründen viele Selbstständige eine Genossenschaft und legen einen Mitgliedsbeitrag ein. Rechnungsversender ist dabei nicht mehr der/die Freelancer/in selbst, sondern die Genossenschaft, die für ihre Dienste gegenüber den Gesellschaftern eine Gebühr erheben kann. Die Genossenschaft verwaltet das Geld und bestreitet Kosten für Assistenz, Forderungsmanagement, Werbung oder aber bietet eine gemeinsame Altersvorsorge für ihre Mitglieder. Überschüsse kann die Genossenschaft an ihre Mitglieder steuerfrei ausschütten. Die Mitglieder sind rentenversicherungsfrei oder – sofern sie Zeichen von weisungsabhängiger Beschäftigung aufweisen – nur in Höhe ihrer Beteiligung. Entscheidungen fasst die Mitgliederversammlung.
Terra incognita
Was wir da von Genossenschaftsexperten hören und oben wiedergegeben haben, klingt gut, birgt aber auch Risiken: Wie der Erwerbsstatus in einer eG ist, ist bislang von der Rechtsprechung noch nicht final geklärt. Es gibt noch wenig Anwendungsfälle. Ein weitergehender Zweck muss verfolgt und auch von Genossenschaftsverband bestätigt werden. Juristen sind sich zudem noch nicht einig, für welche Berufsgruppen diese Rechtsform überhaupt zulässig ist. So dürfen Freiberufler nur bestimmte Rechtsformen wählen, um sich zusammenzuschließen, etwa Ärzte oder Rechtsanwälte. Daneben ist der Gründungsaufwand höher als bei einer GmbH - und die Bilanzierung auch hier Pflicht. Der hohe Abstimmungsbedarf untereinander darf ebenfalls nicht unterschätzt werden.
Sollten sich die Rechtsfragen jedoch eines Tages klären, kann die eG für mindestens vier Leute, die einen weiteren Zweck neben Gewinnerzielung verfolgen und gegenüber dem Genossenschaftsverband entsprechend argumentieren können, eine interessante Konstruktion sein.
Welche Rechtsform du deinem Business auch geben möchtest, entscheidend ist, dass du dein Ziel stets im Blick hast: Du bist mit Leib und Seele Unternehmer/in – nicht aus Not, nicht aus Mangel an Alternativen, sondern aus der tiefen Überzeugung, dass dieses Erwerbsmodell am besten zu dir passt. Schütze es!
Alle Teile der Serie – in regelmäßigen Abständen
- Einführung: Schütze deine Selbstständigkeit
- Teil eins: Der richtige Auftritt
- Teil zwei: Die richtige Beauftragung und Vertragsgestaltung
- Teil drei: Die besten Tipps für den Einsatz beim Kunden
- Teil vier: Wann es die GmbH und UG wirklich braucht (siehe oben)
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