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Lesetipp VGSD-Mitglied über "Büroversehen" bei der DRV "Das Verfahren hat mich zwei Jahre gelähmt. Jetzt fühle ich die Befreiung."

Ein verschlepptes Verfahren bremste Physiotherapeutin Annette Dinkels in ihrer Arbeit. Ein "FAS"-Artikel brachte die Wende. Ihre Geschichte zeigt, welchen Schaden die DRV anrichtet – und dass es sich lohnt, laut zu werden.

Physiotherapeutin Annette Dinkels aus Hamburg

In der VGSD-Community war Annette Dinkels schon lange. 2022 machte sie ihr Statusfeststellungsverfahren zum überzeugten Mitglied. Und als unsere politische Referentin Vera Dietrich vor ein paar Monaten weibliche Mitglieder suchte, die als Teilzeit-Selbstständige durch die Sozialversicherungsbürokratie ausgebremst werden, erzählte Annette ihre Geschichte. Die wurde dann auch von der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ("FAS") aufgegriffen (Artikel hinter der Paywall) – mit überraschenden Folgen. Hier erzählt sie ihre Geschichte.

Annette, im Dezember erschien in der "FAS" ein Artikel über die schwierigen Bedingungen, die in Deutschland für Selbstständige herrschen. "Kampf gegen die Selbstständigen" hieß die Überschrift. Du warst eine der Personen und erzähltest von deinem Fall: Ein Statusfeststellungsverfahren, das seit zwei Jahren feststeckt und in dem kein Bescheid ergeht. Was passierte nach der Veröffentlichung?

Es passierte eigentlich schon "während" der Veröffentlichung, denn der Artikel wurde in verschiedenen Varianten online und Print veröffentlicht und am 20. Dezember zuletzt aktualisiert. Ich hatte für die Journalistin die Aufhebung des Datenschutzes erteilt, so dass sie bei der DRV zu meinem Fall nachfragen konnte. Sie bekam per Mail die Auskunft, es handle sich um ein "Büroversehen". Und schon am 19. Dezember, hatte ich einen Brief der DRV im Postkasten: Meine Tätigkeit sei selbstständig.

Wie kam es überhaupt zu dem Statusfeststellungsverfahren?

Ich arbeite als selbstständige Physiotherapeutin mit eigener Praxis in Hamburg. Ich habe einen besonderen Schwerpunkt: Ich bin auf Psychosomatik spezialisiert, viele meiner Patienten haben einen Burn-out hinter sich. Mit diesem Schwerpunkt habe ich auch neun Stunden im Monat Patienten in einer Praxis in Berlin versorgt – auf eigene Rechnung, meine Termine habe ich selbst ausgemacht. Als die Berliner Praxis im Sommer 2022 eine Betriebsprüfung hatte, wurde ich plötzlich als "Verdachtsfall" eingestuft. Ich habe die Formulare für ein Statusfeststellungsverfahren zugeschickt bekommen.

Was passierte dann?

Die Praxis in Berlin hat wegen des Statusfeststellungsverfahrens sofort die Zusammenarbeit mit mir eingestellt und klargemacht, dass sie sie auch in Zukunft nicht mehr aufnehmen würde.

Was bedeutete das für dich?

Es war nicht existenzbedrohend, denn ich hatte ja meine Praxis in Hamburg. Das Problem ist eher ein menschliches: Die Physiotherapie ist auch eine bindende Tätigkeit, es entstehen Beziehungen zu Menschen. Ich bin zehn Jahre lang nach Berlin gefahren. Meine Patienten dort waren extrem traurig, dass sie keine Termine mehr bei mir buchen konnten. Zwei von ihnen kommen heute immer zu mir, wenn sie in Hamburg sind. Ich habe die Tätigkeit in Berlin immer gerne ausgeübt. Persönlich war es ein Knacks für mich, dass ich das nicht weitermachen konnte.

Hast du das Gefühl, dass du diese menschliche Dimension der DRV irgendwie vermitteln konntest?

Nein, im Gegenteil. Ich habe dort nur Desinteresse oder grundsätzliches Misstrauen gespürt. Einmal sagte mir meine Sachbearbeiterin am Telefon: "Ich weiß gar nicht, was Sie da machen in Berlin. Wieso fahren Sie eigentlich nach Berlin?" Als ob es schon allein irgendwie "ungehörig" sei, nach Berlin zu fahren. Sie hat meinen Fall nicht weiter bearbeitet.

Wie sah denn dein Kontakt mit der DRV aus, nachdem du bei der Betriebsprüfung zum "Verdachtsfall" geworden warst?

Einige Monate später, so um Weihnachten 2022 herum, bekam ich von der DRV einen langen Fragebogen zugeschickt. Der war wirklich tricky. Ich hatte das Gefühl, dass er voller Fangfragen ist, habe mich oft gefragt, was eigentlich gemeint ist, und dachte bei Fragen weiter hinten, dass ich sie vorne schon einmal beantwortet habe. Definitiv nicht für Normalmenschen geeignet. Zum Glück war ich durch den VGSD gut informiert und habe mir gleich anwaltliche Hilfe bei Benno Grunewald geholt, den ich schon als Experten aus Talks kannte. Der sagte mir auch sofort: "Machen Sie das nicht alleine." Mit seiner Hilfe habe ich den Fragebogen ausgefüllt. Und dann gewartet …

… und gewartet …

Genau. Es passierte einfach nichts mehr. Obwohl ich immer wieder bei der DRV angerufen und nachgefragt habe. Einfach Funkstille. Und dabei war ich felsenfest überzeugt, dass es an meiner Tätigkeit nichts zu beanstanden gibt. Diese Unklarheit hat wahnsinnig viel Kraft gekostet. Ich habe mich ohnmächtig und gelähmt gefühlt. Ständig hatte ich die Frage in mir: "Hab ich was falsch gemacht?"

Dabei warst du in dieser Zeit nicht nur beruflich gefordert, sondern auch privat, indem du gepflegt hast.

Ja, vergangenes Jahr ist meine Mutter mit 90 Jahren verstorben. Ich hatte sie seit 2019 gepflegt, damit sie in ihrer eigenen Wohnung bleiben kann. Ich habe deshalb nicht Vollzeit gearbeitet, um für sie da sein zu können. Ich habe jeden Tag für sie Essen zubereitet, eingekauft, war bei ihr, um sie zu unterhalten. Man könnte sagen, ich habe meinen Beitrag zum Generationenvertrag geleistet.

Apropos Generationenvertrag: Wie sorgst du für dein Alter vor?

Mit meiner Altersvorsorge habe ich mich schon ganz früh beschäftigt! Ich habe eine Lebensversicherung abgeschlossen, spare regelmäßig, bin an der Börse, habe in Immobilien investiert und habe Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Meine Praxis gehört mir. Und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis von Selbstständigen umschaue: Kein einziger liegt dem Staat auf der Tasche.

Und was siehst du, wenn du dich in deinem Bekanntenkreis von Physiotherapeuten umschaust?

Ich sehe Kollegen, die ähnliche Probleme mit der DRV haben. Von denen sagen wegen der Rechtsunsicherheit viele: Ich höre jetzt auf. Obwohl sie eigentlich noch weiterarbeiten wollten. Dabei gibt es zu wenige Physiotherapeuten. Hier wird ein Mangelberuf weiter verknappt.

Für dich ist es nun gut ausgegangen. Wie fühlt sich das an?

Ich bin jetzt richtig glücklich. Ich fühle die Befreiung so sehr nach der langen Belastung.

Was ist dein persönliches Fazit aus der Geschichte?

Es ist so wichtig, nicht aufzugeben und auf sich aufmerksam zu machen. Man sollte sich auf jeden Fall Rat beim Anwalt holen. Ich habe mich super informiert gefühlt durch den VGSD. Im anstehenden Wahlkampf will ich Politiker ansprechen und meine Geschichte erzählen. Auch die Forderungen nach einem Kriterienkatalog für Selbstständigkeit und fairen Krankenkassenbeiträgen werde ich vorbringen.

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