Gestern Abend (25.06.20) fand im Rahmen der MittelstandsAllianz ein Treffen mit dem parlamentarischen Staatssekretär Thomas Bareiß statt. VGSD-Vorstand Andreas Lutz nahm per Videokonferenz teil und trug die Forderungen unserer Bundestagspetition vor (siehe unten). Anfang der Woche hatte Andreas bereits ein 45-minütiges Telefonat mit MdB Thomas Jarzombek, dem Beauftragten des Bundeswirtschaftsministeriums für die Digitale Wirtschaft und Start-ups zu diesem Thema geführt. Sowohl Bareiß als auch Jarzombek sind Betriebswirte.
Thomas Bareiß ist Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Zollernalb-Sigmaringen, Mitglied des CDU-Bundesvorstands, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und Beauftragter der Bundesregierung für den Mittelstand. Zugleich ist er auch deren Tourismusbeauftragter und war in dieser Rolle in den vergangenen Wochen im Kontext der Grenzöffnungen mehrfach in den Fernsehnachrichten zu sehen.
Als erster von zwölf Mitgliedsverbänden gesprochen
Die MittelstandsAllianz ist ein Zusammenschluss von gut 30 Verbänden, darunter mehreren, mit denen wir auch im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) zusammenarbeiten. Sie wird von der Bundesvereinigung mittelständische Wirtschaft (BVMW) koordiniert und organisiert für uns Treffen mit Politikern. Das Treffen mit Thomas Bareiß dauerte von 18:15 bis 19:45 Uhr. In vier Blöcken hatten 12 Verbandsvertreter die Gelegenheit Fragen an den parlamentarischen Staatssekretär zu stellen.
Das Treffen begann mit einem Statement von BVMW-Präsident Mario Ohoven und einem ausführlichen Statement von Thomas Bareiß, in dem er die zahlreichen Maßnahmen der Bundesregierung für die Wirtschaft im Rahmen der Corona-Krise erläuterte. Andreas war im Anschluß als erster Vertreter eines Mitgliedsverbands an der Reihe, gefolgt von Ralf Lemster, dem Vizepräsident des BDÜ (Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer), mit dem wir im Rahmen der BAGSV eng zusammenarbeiten.
Statement und Frage von Andreas Lutz
"Sehr geehrter Herr Staatssekretär Bareiß,Mein Thema heute: Die Soforthilfen für Soloselbstständige und Kleinunternehmer. Ich fürchte, hier muss ich etwas Salz in die Suppe streuen.
Vor vier Wochen haben wir zu diesem Thema eine Bundstagspetition gestartet, die Mitzeichnungsfrist endet heute. Sie hat gut 58.000 Mitzeichner erreicht, ist damit unter den 25 größten Bundestagspetitionen, in der Größenordnung etwa der ACTA-Petition.
Wir fordern darin eine Verlängerung und rechtssichere Ausgestaltung der Soforthilfen, insbesondere eine Anerkennung der Lebenshaltungskosten.
Zum anderen fordern wir bürokratie- und belastungsarme Jahre, um uns den Wiederaufbau unserer Unternehmen und ggf. der Altersvorsorge zu ermöglichen. Mein Kollege Ralf Lemster wird gleich noch darauf eingehen, was das konkret in Hinblick auf Altersvorsorgepflicht und das Thema Rechtssicherheit bedeutet.
Die ersten Reaktionen der Bundesregierung im März auf die Corona-Krise hatten uns Hoffnung gemacht. Sie haben die besondere Betroffenheit der Solo-Selbstständigen anerkannt und 50 Mrd. Euro Hilfe in Aussicht gestellt. Das hätte auch ausgereicht, um den Kleinstunternehmen wirksam zu helfen.
Statt dessen haben Sie die Soforthilfen so ausgestaltet, dass von dem versprochenen Geld meist nur wenige hundert Euro pro Monat ankommen. Für ihre eigentlichen Kosten haben Sie die Solo-Selbstständigen auf die Grundsicherung verwiesen.
Was werden Sie konkret tun, damit die Hilfen bei den Betroffenen ankommen?
Auch das Versprechen, es würde dort dann auf Vermögensprüfungen verzichtet ist gebrochen worden. Mehr als die Hälfte der Betroffenen ist über 50 Jahre alt, hat eigenverantwortlich für das Alter vorgesorgt und sieht sich Vermögensgrenzen von 60.000 Euro bzw. 90.000 Euro für ein Ehepaar gegenüber. Ihre Altersvorsorge wird nun von den Jobcentern als verwertbares Vermögen bewertet, das sie aufbrauchen müssen. Musiker werden aufgefordert, ihre Instrumente zu verkaufen, Fotografen ihre Kameras. Das dürfte die baldige Rückkehr zum 'Normalbetrieb', die Sie sich in ihrem Eingangsstatement gewünscht haben, doch erheblich erschweren.Ich habe bereits Mitte März in einem Gespräch mit Bundesminister Altmaier und Heil gefordert, die Finanzämter sollten die Hilfen aus einer Hand vergeben. Sie wissen als einzige Behörde, wer selbstständig ist. So hätten Betrugsfälle verhindert werden können. Statt dessen haben wir einen Wirrwarr an Regelungen und Zuständigkeiten, wo immer der eine auf den anderen zeigt. Bei den Betroffenen – und zwar bei denen, die alles richtig gemacht und sogar in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben – kommt aber ganz oft keine wirksame Hilfe an. Das wurde gestern Abend in der ARD-Sendung plusminus anhand von drei Beispielen auf beklemmende Weise aufgezeigt.
Sie sind Beauftragter der Bundesregierung für den Mittelstand. Sie haben damit eine ressortübergreifende Verantwortung – auch für die Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmen. Was werden Sie konkret in den nächsten Wochen tun, damit endlich Hilfen bei allen Betroffenen ankommen?"
Vermögensprüfung: Will sich "Einzelfälle" anschauen
Thomas Bareiß beantwortete die in jedem Gesprächsblock aufgeworfenen Fragen gesammelt. Über die Frage der Anerkennung von Lebenshaltungskosten im Rahmen der Soforthilfen habe man lange diskutiert. Dass das Bundeswirtschaftsministerium die Länder mit der Beschränkung der Soforthilfen auf bestimmte betriebliche Fixkosten überrascht habe, wolle er von sich weisen. (Hier widerspricht sich das, was wir von Vertretern von Bundesländern gehört haben, mit den Aussagen des Staatssekretärs.)
Man habe ja im weiteren Verlauf Verwaltungsvereinbarungen mit einzelnen Bundesländern wie Baden-Württemberg getroffen, sie seien sich der Begrenzung sehr wohl bewusst gewesen. Man habe die klare Abgrenzung von Betriebs- und Lebenshaltungskosten bewusst gewählt und habe diesen Weg von Beginn an eingeschlagen.
Dass es eine Hürde gäbe, zu einem Jobcenter zu gehen und Grundsicherung zu beantragen, könne er nachvollziehen. Dass die Jobcenter Vermögensprüfungen in der von uns beschriebenen Form vornähmen, sei so nicht, sondern ganz klar anders vereinbart gewesen. Wenn es Schwierigkeiten gäbe, sei er bereit, sich diese Einzelfälle anzuschauen.
Fazit
Staatssekretär Bareiß geht also davon aus, dass es sich um Einzelfälle handelt und ist bereit, diese im einzelnen zu prüfen. Wir werden dem natürlich nachkommen und unsere Mitglieder und in Kooperation mit anderen Verbänden auch deren Mitglieder in Mailings auffordern, Fallbeschreibungen an uns bzw. ggf. auch an ihn und die zuständige Staatssekretärin des Bundesarbeitsministeriums zu senden. Die Aussage von Bareiß ließ nichts an Klarheit vermissen, nehmen wir ihn beim Wort!
Unser Ziel bleibt aber ganz klar – wie in der Bundestagspetition gefordert – eine Verlängerung der Soforthilfen, ihre Auszahlung durch das Finanzamt und eine Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten, Miete und Krankenversicherung – mindestens in pauschaler Form – im Rahmen der Soforthilfe, weil dies eindeutig die bessere und auch weniger bürokratische Lösung wäre.
In Hinblick auf die zweite zentrale Forderung unserer Bundestagspetition ("bürokratie- und belastungsarme Jahre zum Wiederaufbau unserer Unternehmen und ggf. Altersvorsorge") äußerte sich Bareiß wie zuvor schon Jarzombek grundsätzlich positiv. Wie wirksam ein solches Bekenntnis in Hinblick auf die Ausgestaltung der Altersvorsorgepflicht und die Schaffung von Rechtssicherheit bezüglich Scheinselbstständigkeit wirklich ist, wird sich zeigen.
Andreas Lutz formuliert es so: "Wir alle haben in den letzten Monaten beobachtet, wie groß der Unterschied zwischen Versprechen und Realität sein kann. Wir müssen die Regierung beim Wort nehmen und ihre Zusagen immer wieder mit dem tatsächlich Geschehenen gegenüberstellen, um sie damit zu konfrontieren. Vertrauen können wir aber letztlich nur auf unsere eigene Stärke. Die erfolgreiche Bundestagspetition ist hier ein wichtiges Signal für unseren Zusammenhalt und unsere Mobilisierungsfähigkeit. In den nächsten Wochen müssen wir noch mehr zusammenrücken und unseren Druck aufrecht erhalten."
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