Statusfeststellungsverfahren, Altersvorsorgepflicht, Mutterschutz: Was sagen die Parteien zu den Themen der Selbstständigen? Sieben Wahlprogramme im Check.
Es musste schnell gehen: Nur wenige Wochen hatten die Parteien, um ihre Programme für die Bundestagswahl am 23. Februar zu erarbeiten. Genauso knapp ist jetzt die Zeit bis zur Wahl, doch die Programme sind lang. Deswegen wollen wir dir Arbeit abnehmen: Wir haben aus den Programmen der sieben Parteien, die Chancen auf einen Einzug in den Bundestag haben, die Passagen herausgesucht, die sich mit für Selbstständige wichtigen Themen beschäftigen.
Wie blicken die Parteien auf Selbstständige? Welche Rolle geben sie ihnen in der Gesellschaft, welchen Stellenwert in ihrem Wahlprogramm? Wir haben nach dem Begriff "Selbstständig/Selbständig", "Freie Berufe/freiberuflich" etc. in den jeweiligen Programmen gesucht.
CDU/CSU:
"Deutschland ist eine starke Volkswirtschaft. Deutschland hat alles, was es braucht: Wir sind das Land des Mittelstands und der Familienunternehmen, der Hidden Champions und des Handwerks, der Selbständigen und der freien Berufe, der innovativen Gründer und der weltweit erfolgreichen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Und überall und mittendrin: fleißige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die unser Land am Laufen halten, kreative Erfinder, exzellente Ingenieure und Landwirte, die uns mit hochwertigen Lebensmitteln versorgen."
(S. 11)
"Der wirtschaftliche Erfolg unseres Landes wird geprägt von den Menschen, die den Mut haben, eine Idee in eine Chance zu verwandeln und daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Wir wollen diesen Unternehmergeist und Gründermut weiter stärken – quer durch alle Regionen und Branchen von sozialen Innovationen bis Hochtechnologie. Unser Ziel ist auch, dass mehr Frauen mit innovativen Unternehmensgründungen unser Land nach vorne bringen. Zudem werben wir für eine positive gesellschaftliche Grundhaltung zum Unternehmertum und zur Selbständigkeit. [...]
Wir führen eine „Gründerschutzzone“ ein und befreien Gründerinnen und Gründer in der Startphase weitgehend von bürokratischen Vorschriften. Die Vereinbarkeit von Selbständigkeit und Familie verbessern wir."
(S. 26)
Grüne:
"Die ökonomische Kraft unseres Landes liegt in der Vielfalt seiner Unternehmen. Die Tatkraft und Innovationsfähigkeit der Handwerksbetriebe, der Selbstständigen und Freiberufler*innen sowie der KMU sind Motor unserer Wirtschaft. Sie treiben den Klimaschutz voran und sorgen gerade in ländlichen Räumen für Arbeitsplätze und Stabilität. Der Entfaltung dieser Kraft wollen wir Rückenwind geben. […]"
(S. 26)
Auf ihrem außerordentlichen Parteitag am 26. Januar nahmen die Grünen noch einen zusätzlichen Passus in ihr Programm auf, der nicht Teil des früheren Entwurfs war. Er lautet:
"Wir nehmen auch die Bedarfe von Soloselbstständigen und Kleinstunternehmen verstärkt in den Blick und schaffen Rechtssicherheit bei der Auftragsvergabe. Zentral ist dabei eine zeitgemäße Definition von Selbstständigkeit auf Basis von Positivkriterien, damit das Statusfeststellungsverfahren transparent und rechtssicher durchgeführt werden kann. Wir stärken die sozialen Sicherungssysteme für Soloselbstständigkeit und setzen uns für mehr Gerechtigkeit bei Beiträgen, Leistungen und Besteuerung ein."
(S. 26f)
FDP:
"Ob Freie Berufe, Handwerk, Kultur- und Kreativwirtschaft oder Dienstleistungsbranche: Wir Freie Demokraten fordern Fairness für Selbstständige. Ungleichbehandlungen wollen wir deshalb abbauen und zum Beispiel die Beiträge für Selbstständige zur gesetzlichen Krankenversicherung an den tatsächlichen Einnahmen orientieren. Zudem fordern wir eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens. Klare gesetzliche Positivkriterien müssen Rechtssicherheit gewährleisten. Um bei Auftraggebern Risiken zu minimieren, wollen wir für den Fall einer abhängigen Beschäftigung, wenn weder vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen wurde, dass Beitragszahlungen nicht rückwirkend erhoben werden dürfen. Wir Freie Demokraten wollen maximale Wahlfreiheit für Selbstständige bei der Altersvorsorge. Auch die Form der Vorsorge soll frei wählbar sein. Der Zugang zur gesamten geförderten privaten Altersvorsorge muss dabei künftig für alle Erwerbstätigen offen sein."
(S. 18)
SPD und Linke:
In den allgemeinen Ausführungen der SPD kommen Selbstständige nicht vor, ebenso nicht in dem der Linken.
AfD:
"Wir wollen selbstbewusste und kritische Bürger, die ihre demokratischen Rechte kompetent wahrnehmen, und wollen deshalb die Bürger durch staatliche Vorgaben nicht unnötig einschränken. Diese Ziele wollen wir verwirklichen durch
[…]
Förderung von Selbständigkeit und Unternehmensgründungen unter anderem durch Abbau von Vorschriften auf das notwendige Minimum"
(S. 16)
BSW:
"Die Zahl der Selbstständigen geht seit über einem Jahrzehnt stetig zurück. Im vergangenen Jahr sank das Gründungsinteresse auf einen historischen Tiefstand: Dazu haben auch die jüngere Rechtsprechung zur Scheinselbstständigkeit und deren Handhabung durch die Deutsche Rentenversicherung beigetragen. Bildungsträger und IT-Abteilungen von Unternehmen sehen kaum noch eine Möglichkeit, freiberufliche Lehrkräfte bzw. externe Mitarbeiter rechtssicher zu beschäftigen."
(S. 15)
Das Statusfeststellungsverfahren ist eine große Belastung für viele Selbstständige, seine Ausgestaltung unzufriedenstellend. Der VGSD kämpft seit Jahren mit aller Kraft für eine wirksame Reform.
CDU/CSU:
"Rechtssicherheit schaffen, Scheinselbständigkeit verhindern. Wir passen das Statusfest-
stellungsverfahren im Sinne der Selbständigen und Unternehmen an."
(S. 15)
Konkreter wird die Union in ihren Ausführungen nicht.
Grüne
"Wir nehmen auch die Bedarfe von Soloselbstständigen und Kleinstunternehmen verstärkt in den Blick und schaffen Rechtssicherheit bei der Auftragsvergabe. Zentral ist dabei eine zeitgemäße Definition von Selbstständigkeit auf Basis von Positivkriterien, damit das Statusfeststellungsverfahren transparent und rechtssicher durchgeführt werden kann."
(S. 26f)
FDP:
"Zudem fordern wir eine Reform Statusfeststellungsverfahrens. Klare gesetzliche Positivkriterien müssen Rechtssicherheit gewährleisten. Um bei Auftraggebern Risiken zu minimieren, wollen wir für den Fall einer abhängigen Beschäftigung, wenn weder vorsätzlich noch grob fahrlässig von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen wurde, dass Beitragszahlungen nicht rückwirkend erhoben werden dürfen."
(S. 18)
SPD, Linke und AfD:
Die Programme von SPD, Linke und AfD sagen nichts zum Statusfeststellungsverfahren.
BSW:
"Wir streben eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens an, damit Musikschulen, Volkshochschulen und Unternehmen wieder rechtssicher und ohne Angst vor Nachzahlungen oder gar vor strafrechtlicher Verfolgung Selbstständige beauftragen können, wenn diese nicht längerfristig überwiegend für denselben Auftraggeber arbeiten. Wenn sie dies wünschen, müssen Lehrkräfte an Musikschulen, in Erwachsenenbildung usw. sozialversichert beschäftigt werden, die höheren Kosten müssen aufgebracht werden."
(S. 15)
Eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige ist seit Jahre geplant, auch die Ampel hatte sie in ihrem Koalitionsvertrag stehen. Beschlossen wurde nichts. Wie sehen jetzt die Pläne der Parteien aus?
CDU/CSU:
"Altersvorsorge für Selbständige. Wir führen eine verbindliche Altersvorsorge für Selbständige ein, die nicht anderweitig ausreichend abgesichert sind."
(S. 33)
SPD:
"Wir wollen mehr und langfristig alle Erwerbstätigen in die Solidarität der gesetzlichen Rentenversicherung einbeziehen. Wir wollen zunächst alle Selbstständigen absichern, die oft ein hohes Schutzbedürfnis haben. Dabei kommt es auf gute Lösungen an, die auch bei zunehmenden Wechseln der Beschäftigungsform eine grundlegende Altersabsicherung und eine Versicherung gegen das Risiko der Erwerbsminderung bieten."
(S. 21)
Grüne:
"Um das Alterssicherungssystem gerechter und zukunftsfest zu machen, wollen wir die gesetzliche Rente schrittweise zu einer Bürgerversicherung weiterentwickeln. Dafür sollen auch Abgeordnete in die gesetzliche Rente einzahlen und auch nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige wollen wir unter fairen Bedingungen einbeziehen. Auch Beamt*innen sollen perspektivisch, unter Beibehaltung des Alimentationsprinzips, in die gesetzliche Rente einbezogen werden."
(S. 98)
FDP:
"Wir Freie Demokraten wollen maximale Wahlfreiheit für Selbstständige bei der Altersvorsorge. Auch die Form der Vorsorge soll frei wählbar sein. Der Zugang zur gesamten geförderten privaten Altersvorsorge muss dabei künftig für alle Erwerbstätigen offen sein."
(S. 18)
"Schließlich fordern wir Freie Demokraten die Einführung eines Altersvorsorgedepots für die private
Altersvorsorge. Dieses Depot soll steuerlich gefördert sein und den langfristigen Vermögensaufbau
für die Altersvorsorge ermöglichen, auch für alle, die selbstständig sind. Die Kapitalanlage in Fonds
und Wertpapiere und Umschichtungen innerhalb des Altersvorsorgedepots sind steuerfrei, solange
die Erträge reinvestiert werden."
(S. 20)
Linke:
"Für ein gerechtes Rentensystem zahlen alle Menschen mit Erwerbseinkommen – auch Beamt*innen, Selbstständige, Freiberufler*innen, Manager*innen und Abgeordnete – in eine solidarische Erwerbstätigenversicherung ein. Das Rentenniveau kann dann steigen. Menschen mit sogenannten Riester-Verträgen u.ä. Zusatzrenten sollen ihre Verträge in die gesetzliche Rente zu überführen können. Es soll leichter möglich werden, freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen, um so sicher zusätzlich für das Alter vorsorgen zu können. Ergänzend gibt es Betriebsrenten, die mindestens zu 50 Prozent von den Arbeitgeberinnen finanziert sein müssen."
(S. 15)
"Volle Sozialversicherung in jedem Arbeitsverhältnis ab dem ersten Euro statt Minijobs, Midijobs und Ausnahmen für ausländische Saisonbeschäftigte. Alle brauchen Krankenversicherung, Rente und Schutz bei Arbeitslosigkeit. Auch im Fall von Soloselbständigen müssen Auftraggeber*innen Sozialversicherungsbeiträge zahlen und branchenweite Mindesthonorare einhalten."
(S. 26)
AfD:
Die AfD verspricht eine "signifikante Erhöhung der Renten". Sie sagt auch: "Wir wollen der Rentenversicherung mehr Beitragszahler zuführen." Eine der angekündigten Maßnahmen ist "Einbeziehung der Politiker in die gesetzliche Rentenversicherung". Selbstständige werden nicht erwähnt. Weitere Maßnahmen sollen weniger Verbeamtungen, ein "flexibleres Renteneintrittsalter" und die Finanzierung von versicherungsfremden Leistungen aus dem Bundeshaushalt sein.
(S. 17f)
BSW:
"Wir fordern, alle Erwerbstätigen und ihre Arbeitseinkommen und damit auch alle Selbstständigen in die Sozialversicherungen einzubeziehen."
(S. 15)
"Wie in Österreich sollten auch bei uns alle Erwerbstätigen, auch alle Bundestagsabgeordneten und Bundesminister, verpflichtend in die gesetzliche Rente einzahlen. Das verbreitert die Einnahmenbasis und schafft Hemmungen in der Politik, das Rentenniveau zu senken, wenn die Entscheider selbst betroffen sind. Das durchschnittliche Leistungsniveau sollte bei mindestens 75 Prozent des im Arbeitsleben erzielten Nettoeinkommens liegen. Als Ausgleich für die Inflation der vergangenen Jahre sollten die Renten für alle in einem ersten Schritt um 120 Euro im Monat steigen.
Nach einem langen Erwerbsleben muss ein würdevolles Alter frei von Armut garantiert sein. Der erarbeitete Lebensstandard muss gehalten werden können. Wir wollen die umlagefinanzierte Rente stärken und Schluss machen mit der Förderung privater Vorsorgemodelle, die sich Geringverdiener ohnehin nicht leisten können. Dämpfungsfaktoren in der Rentenformel wie den Riester-Faktor wollen wir streichen. Sie wurden nur deshalb eingeführt, um die Renten zu kürzen und die Menschen in Privatvorsorgeverträge zu locken."
(S. 23)
CDU/CSU:
"Wir stehen dabei zu den Grundpfeilern des deutschen Gesundheitssystems mit seiner bewährten Selbstverwaltung, zur Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung, zu unserem Bekenntnis zum Grundsatz der Freiberuflichkeit und zur solidarischen Beitragsfinanzierung."
(S. 67)
SPD:
"Wir setzen auf ein solidarisches System einer Bürgerversicherung, das allen Menschen gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen in gleicher Qualität ermöglicht. Für Beamtinnen und Beamte des Bundes schaffen wir ein echtes Wahlrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung durch eine pauschale Beihilfe.
Der Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen soll gerechter ausgestaltet werden, und auch die privaten Versicherungen sollen zum Risikostrukturausgleich beitragen. Ein solidarisches Finanzierungssystem schafft Vertrauen und nimmt den Bürgerinnen und Bürgern die Sorge vor finanziellen Belastungen. Deshalb stärken wir das beitragsfinanzierte Umlagesystem. Krankenkassen und private Krankenversicherungen bilden so ein System einer solidarischen Bürgerversicherung aus, an dem alle beteiligt sind und mit dem für alle die medizinische und pflegerische Versorgung sowie den Zugang zu dieser Versorgung gleichermaßen sichergestellt ist.
Die Beiträge der Versicherten sollen sich noch stärker als jetzt an ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientieren. (...) Versicherungsfremde Aufgaben im Gesundheitswesen wollen wir zukünftig ausreichend aus Steuermitteln finanzieren. So bleiben die Beiträge für Versicherte sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber stabil, und die Ungleichheiten zwischen verschiedenen Versichertengruppen werden beendet. Wir wollen, dass alle Hilfe und Termine bekommen und schnell und gut in jeder Lebenslage versorgt werden."
(S. 24f)
Grüne:
"Unser Ziel ist die Bürgerversicherung, die neben den gesetzlich Krankenversicherten auch die Privatversicherten in den solidarischen Finanzausgleich des Gesundheitssystems einbezieht. Auch in der Pflege wollen wir auf dem Weg hin zu einer Pflegebürgerversicherung mit einem Ausgleich zwischen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung dafür sorgen, dass sich alle gerecht an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen. So tragen Versicherte mit finanziell starken Schultern stärker zur Finanzierung von Pflege und Gesundheit bei als solche, die nur über geringe Einkünfte verfügen. Die Beitragsbemessung werden wir reformieren und beispielsweise auch Kapitaleinnahmen zur Finanzierung unseres Gesundheits- und Pflegesystems heranziehen. Damit schützen wir auch Löhne und Gehälter vor höheren Beitragsabgaben. Um freiwillig versicherte, geringverdienende oder in Teilzeit beschäftigte Soloselbstständige besser abzusichern, werden wir die Mindestbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung reformieren."
(S. 93f)
FDP:
"Ob Freie Berufe, Handwerk, Kultur- und Kreativwirtschaft oder Dienstleistungsbranche: Wir Freie Demokraten fordern Fairness für Selbstständige. Ungleichbehandlungen wollen wir deshalb abbauen und zum Beispiel die Beiträge für Selbstständige zur gesetzlichen Krankenversicherung an den tatsächlichen Einnahmen orientieren."
(S. 18)
"Wir bekennen uns zum dualen System aus gesetzlicher (GKV) und privater (PKV)
Krankenversicherung. Daher lehnen wir eine Einheitskasse (sog. Bürgersversicherung) ab. In beiden
Versicherungssystemen wollen wir Wechsel- und Wahlfreiheit der Versicherten stärken. Um die
ungebremste Leistungsausgabenentwicklung in der GKV in den Griff zu bekommen, sollen in Zukunft die Ausgaben nicht stärker wachsen als die Einnahmen. Zusätzlich werden wir alle
Leistungsausweitungen der letzten zehn Jahre einem Evidenz-, Effizienz- und Wirtschaftlichkeitscheck unterziehen. Leistungen, die sich nicht bewährt haben, sollen aus dem
GKV-Leistungskatalog gestrichen werden."
(S. 32)
Linke:
"Wir setzen uns für eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung ein. Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben, alle werden gut versorgt. Die Beitragsbemessungsgrenze fällt weg. Auch für Einkommen aus Kapitalerträgen und andere Einkommensarten müssen Beiträge gezahlt werden. Privatversicherte werden in die gesetzliche Krankenversicherung übernommen. Dadurch fällt der Beitrag für die Krankenversicherung von derzeit 17,1 auf etwa 13,3 Prozent des Bruttolohns. Für alle Menschen mit einem Monatseinkommen von unter etwa 7.100 Euro (brutto) sinken die Beiträge. Der allergrößte Teil der Bevölkerung wird durch dieses Konzept finanziell entlastet, auch viele Selbstständige und Rentner*innen."
(S. 18)
AfD:
Die AfD thematisiert die Krankenversicherung auf den Seiten 21 folgende. Sie erwähnt dabei die Selbstständigen nicht.
BSW:
"Wir fordern, alle Erwerbstätigen und ihre Arbeitseinkommen und damit auch alle Selbstständigen in die Sozialversicherungen einzubeziehen."
(S. 15)
"Wir fordern die Abschaffung der Zusatzbeiträge und die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle Bürger nach ihrem Einkommen einzahlen und grundsätzlich gleiche Leistungen auf dem Niveau der höchsten medizinischen Standards erhalten."
(S. 26)
Gerade für Solo-Selbstständige ist ausufernde Bürokratie eine große Belastung. Sie haben keine Steuer- und Rechtsabteilung wie große Unternehmen, müssen aber oft gleiche Anforderungen an Dokumentation, Verwaltung, Rechtskenntnisse erfüllen. Ein Bürokratieabbau ist für sie besonders wichtig. Zugleich ist das richtige Maß an Bürokratie wichtig für die Gleichbehandlung und den Schutz von Bürgern, etwa im Bereich des Verbraucherrechts.
Das Thema Bürokratie betrifft alle Bereiche der Politik. Entsprechend vielfältig sind die Ausführungen der Parteien dazu. Zugleich fehlt es oft an der Benennung konkreter Maßnahmen. Aussagen, die spezifisch die Anliegen Selbstständiger betreffen, gibt es kaum. Das BSW will als einzige Partei die E-Rechnung wieder abschaffen.
CDU/CSU:
"Wir beschließen Jahresgesetze zum Bürokratieabbau als echte Entrümpelungsgesetze und stärken die Bürokratiebremse („One in, two out“). Wo sinnvoll möglich, geben wir Gesetzen und Regelungen ein Verfallsdatum. Wir wollen genau wissen, wo der Schuh drückt: Deshalb machen wir mehr BürokratieChecks in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Unternehmen.
[…]
Wir kehren in Handwerk, Einzelhandel, Gastronomie oder Hotellerie bei Dokumentationspflichten die Beweislast um und ersetzen die regelmäßigen Nachweise durch ein Anzeigerecht von Verstößen.
Wir reduzieren Statistikpflichten, Datenerhebungen und Meldungen durch ein Verweisungsrecht für Unternehmen. Dafür muss die Behördenkommunikation über bereits vorliegende Daten besser werden. Das reicht aber nicht: Auch Doppelstrukturen bei den Statistikämtern müssen konsequent abgebaut werden.
Schriftform im Arbeitsrecht lockern. Wir stellen alle noch bestehenden arbeitsrechtlichen Erfordernisse der Niederschrift auf Papier mit eigenhändiger Unterschrift und persönlicher oder postalischer Übergabe auf den Prüfstand. Nur dort, wo es zwingend ist, soll die Schriftform beibehalten werden, zum Beispiel bei Kündigungen und branchenspezifischer Schutzbedürftigkeit."
(S. 15)
"Die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht verkürzen wir einheitlich von acht auf fünf Jahre. Das setzt voraus, dass die Betriebsprüfungen zügiger erfolgen sowie stärker automatisiert und deutlich beschleunigt werden. Das erhöht auch die Rechtssicherheit und verbessert die Wettbewerbsbedingungen.
Konsequente Digitalisierung, bessere Kontrolle. Wir digitalisieren und automatisieren Besteuerungsverfahren und stellen KI-Technologie bereit. Das hilft Finanzbehörden auch dabei, Steuerpflichten zu kontrollieren und Steuerbetrug wirksam zu bekämpfen."
(S. 16)
"Mittelstand mehr berücksichtigen. Wir vereinfachen für kleine und mittlere Unternehmen den Zugang zu Forschungs- und Innovationsprogrammen des Bundes. Bürokratie führen wir auf ein absolutes Minimum zurück. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) stärken wir ebenso wie die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF), das Programm Innovationskompetenz INNO-KOM und KMU-innovativ."
(S. 25)
SPD:
"In Deutschland dauern viele Planungs- und Genehmigungsverfahren zu lange. Die Bundesregierung hat im letzten Jahr mit den Ländern einen Deutschlandpakt zur Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung vereinbart: Höhere Geschwindigkeit und weniger Bürokratie für mehr wirtschaftliches Wachstum sind das Ziel. Diesen Weg werden wir konsequent weitergehen. Auch auf nationaler und EU-Ebene werden wir den Abbau von Bürokratie etwa durch Zusammenführung, Vereinfachung und Digitalisierung von Dokumentations- und Berichtspflichten vorantreiben. Neue Gesetze müssen einem Praxischeck unterzogen werden. Beim Abbau von Bürokratie nutzen wir die Chancen der Digitalisierung. Die Grundlage dafür bildet eine flächendeckende Versorgung des ganzen Landes mit Glasfaser und Mobilfunk. Beim Bürokratieabbau achten wir darauf, dass Arbeitnehmerrechte, Verbraucherrechte und Ziele des ökologischen Wandels nicht gefährdet werden. Um weitere konkrete Möglichkeiten des Bürokratieabbaus zu ermitteln, wird ein sozialdemokratischer Bundeskanzler eine Konferenz mit Vertreterinnen und Vertretern von Wirtschaft und Verwaltung durchführen."
(S. 7)
"Effektiver Bürokratieabbau geht nur mit der Einbeziehung derjenigen, die ihn erleben und die Bürokratie zu verantworten haben. Darum werden wir nach einer Regierungsbildung Wirtschaft, Länder und Kommunen zu einem Praxisgipfel einladen, der weitere konkrete nötige Maßnahmen erfasst und verabredet."
(S. 33)
Grüne:
"Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) leiden besonders unter aufwendiger Bürokratie und oft zu komplizierten Regeln. Die Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren haben wir maßgeblich durch das Abschaffen bürokratischer Hürden wie Anträge für einzelne Stecker ermöglicht. Den gleichen Weg müssen wir in allen Bereichen gehen. Mit dem Praxischeck haben wir dafür ein pragmatisches und erfolgreiches Instrument zum Abbau unnötiger Bürokratie in Deutschland eingeführt, das wir in der nächsten Legislatur skalieren werden. Dabei werden Sektor für Sektor die Betroffenen aus Unternehmen, Verwaltung und Zivilgesellschaft eingebunden, unnötige bürokratische Hürden bestimmt und praktische Lösungen zu deren Abbau identifiziert, ohne soziale oder ökologische Schutzstandards abzubauen. (..)
Ein wesentliches Mittel für den Bürokratieabbau ist die Digitalisierung der Verwaltung: Wir wollen, dass zentrale öffentliche Dienstleistungen für Unternehmen an einer Stelle gebündelt werden und Daten nach dem Once-Only-Prinzip nur einmal eingereicht werden müssen. Die Notarpflichten werden wir vereinfachen und reduzieren, um so Kosten zu senken und Zeit zu sparen. Damit mehr Unternehmen von den KMU-Ausnahmeregeln profitieren können, werden wir die Schwellenwerte für die Definition von KMU anheben."
(S. 17f)
FDP:
"Gerade kleine und mittlere Unternehmen sowie Familienunternehmen leiden unter der Bürokratie. Auch Startups und Scale-ups verlieren durch bürokratische Hürden Zeit und Flexibilität für ihr Wachstum. Deshalb ist Bürokratieabbau ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif.
Wir Freie Demokraten fordern ein sofortiges dreijähriges Moratorium für Bürokratie: In dieser Zeit dürfen keine neuen Regularien beschlossen werden, die für Unternehmen zu neuen bürokratischen Belastungen führen, es sei denn, sie sind vorher in gleichem Umfang abgebaut worden. Wir wollen ein bürokratiefreies Jahr für Betriebe, in dem sie keine Berichtspflichten erfüllen müssen. Es muss jedes Jahr ein Jahresbürokratieentlastungsgesetz geben, um einen Abbau-Pfad für überflüssige Regelungen zu schaffen. Mit einer Bürokratiebremse im Grundgesetz verankern wir den Bürokratieabbau in unserer Verfassung. Wir wollen sicherstellen, den Erfüllungsaufwand für Betriebe im Saldo um mindestens sechs Milliarden Euro pro Legislaturperiode zu reduzieren.
[…]
Wir wollen Gesetze mit einer Sunset-Klausel häufiger zeitlich befristen. Das bedeutet, dass eine Regelung automatisch außer Kraft tritt, wenn sie nicht aktiv verlängert wird. Zudem wollen wir in Deutschland mehr mit Genehmigungsfiktionen und Stichtagsregelungen arbeiten. Es kann nicht sein, dass Unternehmen über Monate und Jahre hinweg an behördlichen Verfahren verzweifeln. Wenn eine Behörde nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums auf einen Antrag reagiert, muss der Regelfall künftig die automatische Genehmigung sein. Bürokratie-Monster, wie etwa die Bonpflicht, wollen wir ersatzlos streichen. Betrieben dürfen sich nicht länger mit Papierkram rumschlagen müssen. Deshalb wollen wir, dass die Schriftform zur Ausnahme wird. Die Aufbewahrungsfrist für Buchungsbelege wollen wir auf fünf Jahre absenken."
(S. 11 f.)
Linke:
Als einzige Partei verwendet die Linke weder den Begriff "Bürokratie" noch den Begriff "Bürokratieabbau". Lediglich das Adjektiv (un)bürokratisch wird siebenmal verwendet. Es erscheint im Zusammenhang mit Studium, Heizkosten, Pflege, Kommunen und Psychotherapien.
AfD:
"Strangulierende Bürokratie und wettbewerbsverzerrende Vorschriften reduzieren wir durch:
- Abschaffung von Lieferkettensorgfaltsgesetz und EU-Lieferkettenrichtlinie
- Abschaffung des Verpackungsgesetzes
- Abbau der Nachhaltigkeitsberichterstattung
- Vereinfachung der Datenschutzgrundverordnung
- Vereinfachung des Vergaberechts
- drastische Reduzierung von Vorschriften, Berichts- und Dokumentationspflichten für Mittelstand und Landwirte
- Aufhebung des Verbrennerverbots und der unerreichbaren Flottengrenzwerte Wiedereinführung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes in der Gastronomie"
(S. 13f)
BSW:
"Digitalisierung kann aber auch die Bürokratielasten nach oben treiben, vor allem für kleinere Betriebe und Selbstständige, wenn sie zwangsweise verfügt wird. Das ist etwa bei der Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung und zur elektronischen Budgetierung der Fall. Oder auch bei seitenlangen Datenschutzerklärungen, die niemand liest, die aber abgemahnt werden können. Derartige Zwangsmaßnahmen lehnen wir ab.
Wir wollen Schwellenwerte so gestalten, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stärker von Berichts- und Dokumentationspflichten befreit werden. Ziel ist es, den unternehmerischen Freiraum zu erweitern und damit Innovationen zu fördern."
(S. 18)
CDU/CSU:
"Wir bekennen uns zur Elternzeit und zum Elterngeld. Sie haben sich als familienpolitische Leistung bewährt und entsprechen dem Wunsch vieler Familien, sich Aufgaben zu teilen. Wir verbessern das Elterngeld. Den Partnerschaftsbonus bei gleichzeitiger vollzeitnaher Teilzeit beider Eltern entwickeln wir weiter."
(S. 60)
Die Union erwähnt Selbstständige im Passus oben nicht und spart das Thema Mutterschutz komplett aus.
SPD:
"Für ein gelingendes Familienleben brauchen berufstätige Eltern Zeit und den nötigen Freiraum, um ihren Alltag partnerschaftlich zu organisieren. Wir wollen deshalb eine Familienstartzeit einführen: Väter oder Partnerinnen und Partner sollen sich für die ersten zwei Wochen nach der Geburt eines Kindes bei voller, umlagefinanzierter Lohnfortzahlung freistellen lassen können. Wir wollen einen gestaffelten Mutterschutz bei Fehlgeburten einführen. Wir halten es zudem für richtig, dass die nächste Bundesregierung ein Konzept für einen Mutterschutz für Selbstständige entwickelt.
Das Elterngeld und die Elternzeit bleiben eine Erfolgsgeschichte. Während andere hier kürzen wollen, setzen wir auf eine Weiterentwicklung, um noch stärkere Anreize für Väter zu setzen, deren Verhandlungsposition am Arbeitsplatz zu stärken und Familien in der frühen Phase besser zu unterstützen. Jeder Elternteil soll Anspruch auf sechs nicht übertragbare Monate Elterngeld erhalten. Zusätzlich gibt es weitere sechs Monate, die frei auf beide Elternteile verteilt werden können. Damit steigt die Gesamtzahl der Elterngeldmonate von jetzt 14 auf 18 Monate."
(S. 22)
Über Verbesserungen des Elterngelds für Selbstständige spricht die SPD nicht.
Grüne:
"Für selbstständige Frauen ist der Sprung in die Familiengründung oft mit besonderem Wagnis verbunden. Doch auch sie brauchen Sicherheit und Schutz bei der Familiengründung. Wir setzen uns dafür ein, dass auch für Selbstständige die Wochen rund um die Geburt durch Mutterschaftsgeld finanziell abgesichert werden. Hierzu sollen sich künftig auch Selbstständige an der dafür vorgesehenen Umlagefinanzierung beteiligen."
(S. 82)
"Den Mindest- und Höchstbetrag, der seit der Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 unverändert ist, wollen wir auf 500 bzw. 2.400 Euro erhöhen. Zusätzlich werden wir die Ersatzrate für geringe Einkommen anheben."
(S. 82)
Das Elterngeld für Selbstständige ist auch bei den Grünen kein Thema.
FDP:
"Das Elterngeld sowie weitere Familienleistungen müssen entbürokratisiert, digitalisiert automatisiert werden, z. B. durch eine KI-basierte Beantragung und einem Kinderchancenportal. Für selbständige Frauen und Männer sind die aktuellen Regelungen oft unzureichend, da sie häufig keine ausreichenden Einkommensersatzleistungen erhalten. Die Vorschriften müssen die Arbeitsrealität von Selbstständigen besser abbilden. Der Mutterschutz gehört reformiert. Wir setzen uns für einen flexiblen und freiwilligen Mutterschutz für selbständige Frauen ein. Eine Schwangerschaft soll nicht zum Hindernis oder Hemmnis für eine Gründung werden."
(S. 29)
Linke:
"Selbstständige Schwangere brauchen eine faire finanzielle Absicherung. Wir setzen uns für eine gesetzliche Verankerung des Mutterschutzes und der Mutterschutzleistungen für Selbstständige ein."
(S. 47)
"Den Mindestbetrag beim Elterngeld wollen wir auf 420 Euro anheben. Mindest- und Höchstbetrag sollen an die Entwicklung des allgemeinen Verbraucherpreisindex gekoppelt werden. Bis zur Einführung einer Kindergrundsicherung soll das Mindest-Elterngeld nicht auf Bürgergeld und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angerechnet werden."
(S. 16)
AfD und BSW:
Sowohl AfD als auch BWS verwenden die Begriffe "Mutterschutz" und "Elterngeld" in ihren Programmen nicht.
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