Zum Inhalt springen
Mitglied werden

Lesetipp Wer sagt was über uns? Die letzte Bundestagsdebatte über Selbstständigkeit

Eine Woche, nachdem Bundeskanzler Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellte, fand am 18. Dezember 2024 die letzte Bundestagsdebatte dieser Legislaturperiode zum Thema Selbstständigkeit statt. 

Zu Beginn der Debatte im Bundestag

Wenn Politiker/innen im Bundestag über Selbstständige sprechen, ist es etwas anderes als wenn sie direkt mit Selbstständigen diskutieren. Sie sprechen zu allen Wählern und können ihre Aussagen nicht auf eine bestimmte Gruppe maßschneidern. Sie wollen sich, zumal in Wahlkampfzeiten, bei dieser Gelegenheit von den politischen Mitbewerbern abgrenzen – und gerne auch Salz in die eine oder andere Wunde streuen.

Es ist quasi die Stunde der Wahrheit. Eine gute Gelegenheit die Haltung der Fachpolitiker zu Fragen der Selbstständigkeit herauszufinden – und zudem eine seltene Gelegenheit, denn viel zu selten sind im Reichstagsgebäude Solo- und Kleinstunternehmen das Thema.

47 Minuten über Selbstständigkeit

Nach oben

Am 18. Dezember 2024 bestand diese seltene  Gelegenheit. 39 Minuten waren für die Aussprache veranschlagt, tatsächlich gedauert hat sie 47 Minuten. Du kannst dir die Aufzeichnung der Reden selbst anschauen oder auch im stenografischen Bericht (beginnend auf Seite 26627)] nachlesen, was gesagt wurde. In ihm ist auch vermerkt, welche Abgeordneten von welcher Partei Zwischenrufe machten, teils auch, was sie sagten – und was der/die Redner/in Ihnen antwortete.

Anlass der Sitzung war der Antrag "Wirtschaftswende voranbringen und Mut zum Risiko wertschätzen – Selbstständigkeit stärken" der FDP-Bundestagsfraktion. Dementsprechend durfte als erstes einer ihrer Abgeordneten sprechen, der parlamentarische Geschäftsführer Johannes Vogel. Anschließend folgten die Redner in der Reihenfolge, wie sie der Faktionsgröße entspricht. Im aktuellen Bundestag ist die SPD-Fraktion die größte, gefolgt von Union, Grünen, FDP und AfD. Ja, tatsächlich: Bei der letzten Wahl hatte die AfD weniger Stimmen als die FDP!

Die Rednerliste

Nach oben

Insgesamt sprachen vier Abgeordnete der SPD (Angela Hohmann, Bernd Rützel, Esra Limbacher, Angelika Glöckner), zwei von der CDU (Jana Schimke, Maximilian Mörseburg) und je einer von CSU (Max Straubinger) und Grünen (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn) sowie AfD (Gerrit Huy). Zwischendurch durfte auch noch der für Selbstständige zuständige FDP-Abgeordnete Jens Teutrine sprechen. 

Teutrine und Hohmann hatten kurz zuvor, am 5. Dezember 2024, auch an unserem Online-Podium zur Bundestagswahl teilgenommen und mit Beate Müller-Gemmecke (Grüne) und Markus Reichel (CDU) diskutiert.

Die Abgeordneten einer Fraktion können die Redezeit untereinander aufteilen, einer kann der anderen auch Redezeit "abtreten". Deshalb durfte zum Beispiel Wolfgang Strengmann-Kuhn länger als die anderen sprechen, zumal es seine letzte Rede im Bundestag nach 17 Jahren Bundestag war, weil er sich diesen Sonntag nicht erneut zur Wahl stellt - was wir sehr bedauern, denn er gehörte zu den Grünen-Abgeordneten, die unseren Anliegen am offensten gegenüberstanden! Linke und BSW sind im Bundestag vertreten, haben aber keinen Fraktions- sondern nur Gruppenstatus und dürfen nicht zu jedem Tagesordnungspunkt sprechen. Zum Thema Selbstständige haben sie auf einen Redebeitrag verzichtet.

Auf der Seite des Bundestags über die Debatte findest du Fotos aller Redner/innen, mit einem Klick auf das Foto kannst du direkt an den Beginn ihrer jeweiligen Rede springen und sie abspielen.

Der zugrundeliegende Antrag

Nach oben

Der Antrag, über den diskutiert wurde, hatte die FDP erst am Vortag eingebracht, was bei zwei Rednerinnen zu deutlicher Kritik führte. Ausgangspunkt des Antrags war die Bedeutung von Selbstständigen für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Diese dürfe nicht als Erwerbsform zweiter Klasse behandelt werden, Selbstständige bräuchten Rechtssicherheit und faire Rahmenbedingungen, dazu gehöre auch die Vereinbarkeit von Selbstständigkeit und Familie. 

Der Antrag erläutert, warum das  Statusfeststellungsverfahrens zu so großer Rechtsunsicherheit führt und was deren Folgen sind. Er fordert Rechtssicherheit durch Einführung klarer Positivkriterien, z.B. den Nachweis von Krankenversicherung und Altersvorsorge, von Spezialwissen oder dass die Selbstständigkeit erklärter Wille beider Vertragspartner ist. Die Prüfung müsse zukunftsbezogen und losgelöst von einzelnen Aufträgen erfolgen, der Status dauerhaft gelten, wenn sich die Umstände nicht ändern. Wichtig war den Antragstellern, die Zuständigkeit für die Prüfung von der Clearingstelle der DRV auf eine neutrale Organisation zu übertragen, um Interessenkonflikte zu vermeiden und Nachzahlungen auf Fälle von Missbrauch einzugrenzen. Der Antrag enthält zahlreiche weitere Punkte, die weitgehend mit den Forderungen des VGSD übereinstimmen.

Die Antragsteller sprechen sich für eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige aus, aber mit "maximaler Wahlfreiheit". Dies soll auch in Form eines pfändungssicheren Altersvorsorgedepots möglich sein. Die Krankenversicherung dürfe für Selbstständige nicht teurer sein als für Arbeitnehmer und der freiwillige Zugang zur Arbeitslosenversicherung solle für Selbstständige vereinfacht werden. Auch die Berechnung des Elterngeld müsse vereinfacht und Verbesserungen beim Mutterschutz für Selbstständige vorgenommen werden.

FDP

Nach oben

Als erster und prominentester Abgeordneter spricht Johannes Vogel (FDP) und begründet den Antrag. Die Gründungsquote sei ein Frühindikator für Produktivität und Wachstum einer Volkswirtschaft. "Wachstum und Wohlstand entstehen nicht durch schuldenfinanzierte Subventionen, Dirigismus oder gar den Staat, sondern durch Leistungswillen, Mut und Unternehmertum. Und Träger dieser Haltung sind Selbstständige."

Sie aber fühlten "sich in Deutschland schon viel zu lange als Erwerbstätige zweiter Klasse behandelt". Das müsse endlich enden und dafür gäbe es – jenseits von den Klagen über Steuer- und Abgabelast sowie Bürokratismus "auch ganz konkrete Maßnahmen, durch die Selbstständige in diesem Land schlechter behandelt werden als Angestellte".

  • "dass zum Beispiel bei neuen Fördermöglichkeiten wie einem Altersvorsorge-Depot Selbstständige selbstverständlich auch gefördert werden." Für SPD und Grüne seid das keine Selbstverständlichkeit gewesen.
  • "zu welcher Qual das sogenannte Statusfeststellungsverfahren geworden ist, weil die Prüfer der Rentenversicherung oft ihre Lebensrealität nicht verstehen"
  • "Wir brauchen auch endlich (...) ein positives Bild von Selbstständigkeit. Ich finde es enttäuschend und katastrophal, dass der SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil diese Reform blockiert und ausgesessen hat." Das stenographische Protokoll verzeichnet an dieser Stelle den Zwischenruf von Angelika Glöckner (SPD), die selbst später noch reden wird. "Recht hat er!" ruft sie und meint damit wohl Hubertus Heil.
  • Dass "Selbstständige höhere Krankenversicherungsbeiträge in die gesetzliche Krankenversicherung zahlen müssen als identisch verdienende Angestellte." 
  • Zu der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Angleichung der GKV-Mindestbeiträge von Selbstständigen an die von Angestellten sagt Vogel: "Dass diese Reform vom SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach blockiert und ausgesessen wurde, ist auch ein Skandal."

Später spricht sein Parteikollege Jens Teutrine und fasst den zwischenzeitlichen Verlauf der Debatte so zusammen: "Diese Debatte war symptomatisch. Bei den Grünen ging es darum: Brauchen wir nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen für Selbstständige, die scheitern? Bei der SPD ging es viel darum: Was für eine Rentensicherung brauchen wir für Selbstständige? Dieses Land braucht nicht mehr Belastungen für Selbstständige, sondern endlich eine Debatte über Entlastungen für Selbstständige."

Teutrine zitiert den Selbstständigen-Report des VGSD (gemeinsam mit WISO Mein Büro entstanden), der erst wenige Tage zuvor veröffentlicht worden war: "Dort haben 87 Prozent der Befragten angegeben, dass sie sich von der Politik in ihrer Selbstständigkeit nicht oder wenig respektiert fühlen. (...) Wir fordern, dass man Selbstständige nicht mit einer angeblichen Scheinselbstständigkeit gängelt, bürokratisiert und immer kleiner macht."

Und weiter: "Wir stellen auch die Frage, ob die Clearingstelle der Rentenversicherung überhaupt die richtige Stelle ist, um eine Scheinselbstständigkeit zu prüfen, und ob es richtig ist, dass Personen, die nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, zum Teil über Jahrzehnte rückwirkend Beiträge an den Sozialstaat bezahlen müssen. Ich habe den Eindruck: Dem einen oder anderen ging es in dieser Debatte nicht um die Selbstständigkeit, sondern darum, ein marodes Rentensystem zu retten."

Teutrine schließt mit dem, womit Vogel angefangen hat: "Wir wollen keine Erwerbstätigen zweiter Klasse, sondern echte Selbstständigkeit für unser Land."

SPD

Nach oben

Angela Hohmann (SPD) war neben Teutrine, wie oben schon erwähnt, die zweite Teilnehmerin an unserem Online-Podium zur Bundestagswahl und sie ist auch die zweite Rednerin, die direkt nach Johannes Vogel spricht.

"Die FDP will über Selbstständige sprechen", beginnt sie ihre Rede. "Finde ich gut, will ich auch. Ich will aber über Andy reden. Andy ist Tanzlehrer im Bereich Hip-Hop und als Honorarkraft bei mehreren Tanzschulen engagiert." An seine Altersvorsorge denke Andy jetzt noch nicht. Für ihn setze sich die SPD ein; denn er habe keine Lobby.

Wie schon bei unserer Podiumsdiskussion entsteht bei Hohmann der Eindruck, als gäbe es ein Problem mit der Rechtsunsicherheit nur im Bildungsbereich. Offen bleibt auch die Frage, warum man selbstständig Lehrer/innen, die ohnehin rentenversicherungspflichtig sind, zu Angestellten erklären muss, statt sich Gedanken zu machen, wie man diese Rentenversicherungspflicht praktikabler macht.

"Ich bin froh, dass die sehr engagierten Mitarbeitenden im SPD-geführten Bundesarbeitsministerium insbesondere die Belange der Soloselbstständigen im Blick haben." – An dieser Stelle verzeichnet das Protokoll: "Lachen des Abgeordneten Jens Teutrine".

Seit Wochen, so Hohmann weiter, seien die Beamten dort mit den Verbänden der Bildungsträger im Austausch und erarbeiteten in Arbeitsgruppen praktikable und gute Lösungen beim Statusfeststellungsverfahren.

"Ich hätte mir sehr gewünscht, dass wir eine große Lösung beim Statusfeststellungsverfahren noch in dieser Legislatur umsetzen." Die Übergangsfrist bringe aber eine "enorme Erleichterung für die Betroffenen, und es würde ausreichend zeitlichen Spielraum verschaffen, um Modelle zu entwickeln, die sowohl Selbstständigkeit als auch Festanstellung ermöglichen."

Sie hätte sich auch gewünscht, die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige einzuführen, aber man habe ja noch nicht einmal das Rentenpaket II abschließen können.

Und weiter: "Zu Recht stellen die Selbstständigen die Frage: Was haben Sie eigentlich für uns in dieser Legislatur getan? – Liebe Selbstständige, ich möchte Sie direkt ansprechen: Sie haben recht. Wir müssen einige Dinge angehen, um Ihnen das Leben leichter zu machen. Uns geht es nicht darum, Ihnen Steine in den Weg zu legen oder Sie zu bevormunden – das wird uns ja häufig vorgeworfen –, nein, es geht uns darum, dass Sie gute Arbeitsbedingungen, faire Honorare und eine solide Altersvorsorge haben, damit Sie Ihre volle Energie in Ihr Unternehmen, Ihre Tätigkeit stecken können und keine Existenzängste haben müssen."

Bernd Rützel, ein volksnaher SPD-Abgeordneter aus Unterfranken folgt später als nächster Redner der SPD und beginnt mit einer Lobrede auf die Selbstständigen: "Selbstständige machen Deutschland stark. Sie schaffen Arbeitsplätze." Und weiter: "Dagegen gibt es überhaupt nichts zu sagen. Aber so sehr wir die Freiheit der Selbstständigen bewundern: Deswegen darf Freiheit aber trotzdem nicht bedeuten, auf soziale Sicherheit zu verzichten."

"Auf der einen Seite verstehe ich es total, wenn Selbstständige, die gut abgesichert sind, sagen: Mensch, ich will mich damit gar nicht beschäftigen. Das muss alles viel einfacher werden." Das verstehe er und unterstütze er auch. "Aber auf der anderen Seite gibt es auch die – und die dürfen wir hier echt nicht vergessen –, die (...) keine Rücklagen aufbauen können. Und auch die sagen oftmals: Ich will nicht versichert sein. Lasst mich damit in Ruhe!"

"Nicht jeder Schutz in einer Selbstständigkeit ist gleichzeitig eine Gängelung. So mancher wird im Nachhinein froh gewesen sein, dass er doch eine ordentliche soziale Absicherung hatte."

Ähnlich wie Hohmann wählt Rützel Selbstständige als Beispiel, die nicht ausreichend für ihr Alter vorsorgen. Die Frage, warum man dann die große Mehrheit der Selbstständigen verfolgt, die für ihr Alter verantwortungsvoll vorsorgen, bleibt unbeantwortet. Wenn man Rützel beim Wort nimmt, müsste das Statusfeststellungsverfahren stärker auf schutzbedürftige Selbstständige fokussiert werden.

Der nächste Redner der SPD ist der 35-jährige Abgeordnete Esra Limbacher. Er beginnt mit einem Zitat von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der zuvor auf ntv gesagt hatte "In Deutschland gibt es gar keine Leistungsbereitschaft mehr" – " Was für eine Respektlosigkeit gegenüber Millionen, die erwerbstätig sind in unserem Land, gegenüber Polizistinnen und Polizisten, gegenüber Soldaten." Er kommt später dann auch auf die Selbstständigen: "Diese mutigen Personen haben keine Respektlosigkeit verdient, sondern Unterstützung von uns hier, vom Bundestag."

Limbacher wird von vielen Zwischenrufen unterbrochen, stellvertretend hier der von Alexander Hoffmann (CSU): "Warum haben Sie denn dann keine andere Politik gemacht? In den letzten drei Jahren wäre Gelegenheit gewesen für Respekt!"

Limbacher antwortet Hoffmann: "Hören Sie gut zu! Dann können Sie noch ein bisschen lernen. Vielleicht hilft es in Zukunft! Ich will Ihnen mal was über Personen sagen, über die hier noch gar nicht gesprochen wurde, nämlich Soloselbstständige. Das sind immerhin 50 Prozent der Selbstständigen in unserem Land. Das sind Personen, die keine Lobbygruppe haben, die oft überhaupt nicht in den Debatten hier vorkommen, die wenig Einkommen haben. (...) Genau für die wurde eben gar nichts gemacht in der Vergangenheit."

Zwischenruf Hoffmann: "Ja, genau! In den letzten drei Jahren!" Und von einem anderen Unionsabgeordneten: "Die vertritt die SPD mit Sicherheit nicht!"

Limbacher: "Der Antrag der FDP kam eigentlich gerade zur richtigen Zeit, weil wir im Bereich der Altersvorsorge einen Vorschlag gemacht haben, damit die Soloselbstständigen, damit die Selbstständigen in Zukunft einen Anspruch haben, um später im Alter wirklich in Würde leben zu können."

Es ist nicht ganz klar, was Limbacher damit meint, vermutlich die geplante Altersvorsorgepflicht für Selbstständige, die ja allerdings trotz vieler Ankündigungen, von Hubertus Heil nicht vorgelegt worden war.

Letzte SPD-Rednerin schließlich ist Angelika Glöckner aus Rheinland-Pfalz. Deren Landesregierung habe "Institutionen wie die Transformationsagentur ins Leben gerufen und mit den Transformationsbegleitern Strukturen geschaffen, um Beschäftigte, Betriebe, Gründerinnen und Gründer bei Fragen von Qualifizierung, Weiterbildung oder finanzieller Förderung zu unterstützen." 

Der Zusammenhang mit Selbstständigen bleibt hier unklar. Glöckner kritisiert statt dessen die FDP dafür, dass sie die EU-Plattformrichtlinie in der jetzigen Form nicht unterstütze. Zwischenruf Jens Teutrine: "Ja, genau!"

Glöckner weiter: "Wir als SPD treten für einen umfassenden sozialen Versicherungsschutz für Selbstständige ein. Wir wollen Angebote zu Qualifizierung, Beschäftigung und Beratung erhalten."

CDU

Nach oben

Jana Schimke ist die erste Rednerin der CDU, sie beginnt mit den vielen Problemen, die Selbstständige und Solo-Selbstständige in unserem Land haben: Bürokratie, enorm gestiegene Kosten. "Und sie leiden auch an einer nicht ganz so optimalen Willkommenskultur für Selbstständige in Deutschland".

Selbstständig sei nicht, wer selbstständig sein wolle und wessen Herz für die Selbstständigkeit schlage. Selbstständig sei man "erst dann, wenn Sie den Segen der Behörde bekommen, und zwar der Deutschen Rentenversicherung. (...) Wenn diese Behörde zu dem Ergebnis kommt, dass Sie es nicht sind, dann drohen Ihnen und Ihrem Auftraggeber schärfste Konsequenzen (...) bis hin zum Freiheitsentzug".

Schimke stellt ebenso wie Teutrine die Frage, "ob es grundsätzlich angemessen ist, dass die Deutsche Rentenversicherung als Behörde, die unmittelbar von abhängiger Beschäftigung in Deutschland finanziell profitiert, weiterhin dieses Verfahren durchführen soll."

Sie fährt fort: "Wir haben in Deutschland auch das Problem, dass uns der politische Wille fehlt, Selbstständigen Rückenwind zu geben und zu sagen: Ja, ihr seid selbstständig, ja, ihr dürft es, und ja, wir wollen euch (...). Und dann haben Sie die Rechtsprechung, die vielen Richterinnen und Richter in unserem Land, die in ihrem Urteil natürlich auch dem Duktus dessen, was Politik vermeintlich will, folgen. (...) Die zentrale Frage ist doch: Wollen wir flexible Erwerbsmodelle in Deutschland? Wollen wir Selbstständigkeit? Und sind wir bereit, ihnen auch diese Freiheit zu lassen?"

Nach Jana Schimke ist Maximilian Mörseburg der nächste Redner der CDU. Er folgt unmittelbar auf Esra Limbacher (SPD), der ja der CDU den Respekt vor der arbeitenden Bevölkerung abgesprochen hatte. Mörseburg erwidert: "Ich glaube, Sie haben nicht ganz verstanden, warum ganz viele Leute Sie zurzeit nicht wählen wollen. (...) Die haben einfach das Gefühl, dass sie sehr viel arbeiten und ihnen wenig gelassen wird, während auf der anderen Seite der Staat bei den Leuten, die nicht arbeiten wollen, ein Auge zudrückt."

Dann kommt er auf die abnehmende Zahl der Selbstständigen zu sprechen: "Seit 13 Jahren schrumpft die Zahl der Selbstständigen. (...) Diese Kleinunternehmen, die Soloselbstständigen und Freiberufler, machen 89 Prozent der deutschen Unternehmen aus, und sie prägen unser Land wirklich an jeder Stelle. Gleichzeitig leiden sie aber ganz besonders, wenn es mal bergab geht."

Dann folgt sein Vorwurf an die Ampel-Parteien: "Aber diese Bundesregierung, die jetzt drei Jahre Zeit hatte, hat diese Gruppe von Anfang an vergessen. Das passiert, wenn man die ganze Zeit im Streit ist, wenn man im Krisenmodus ist und aus diesem auch nicht mehr rauskommt." Deshalb habe der Anteil der Solo-Selbstständigen an den Erwerbstätigen, der vor der Finanzkrise noch bei 5,9 Prozent lag auf 3,8 Prozent abgenommen, "auf den niedrigsten Stand überhaupt". Deshalb brauche es einen Politikwechsel. 

CSU

Nach oben

Für Max Straubinger ist es seine zweitletzte Rede vor dem Bundestag, er tritt diesen Sonntag nicht mehr zur Wahl an. Er argumentiert ähnlich wie Schimke und Mörseburg: "Die FDP beglückt uns heute mit einem Antrag nach dem Motto: Hätte man mal tun sollen! Aber Sie haben es in drei Jahren nicht getan."

Er selbst sei er einzige Selbstständige, der in der Debatte heute spreche. Wolfgang Strengmann-Kuhn von den Grünen widerspricht: "Ich war auch selbstständig!"

Straubinger habe das Statusfeststellungsverfahren als selbstständiger Versicherungskaufmann durchlaufen. "Ich bin nicht durchgefallen und habe es auch nicht als belastend empfunden." Beate Müller-Gemmeke von den Grünen ruft: "Und wann war das? Wann?"

Von den Vorschlägen der FDP hält Straubinger auch inhaltlich nicht viel: "Auch wenn Sie Positivkriterien aufstellen, haben Sie die gleichen Abgrenzungsschwierigkeiten wie bei Negativkriterien." Jens Teutrine weist ihn mit einem Zwischenruf darauf hin, dass die Union in ihrem Wahlprogramm selbst eine Reform des Verfahrens fordert.

Das Problem gehe von den Selbstständigen selbst aus: "Wir haben doch nur die Probleme beim Statusfeststellungsverfahren, wenn ein sich ehemals selbstständig Fühlender plötzlich feststellt: „Eigentlich wäre es besser gewesen, ich wäre nicht selbst ständig gewesen“, und sich dann in den sozialen Versicherungsschutz hineinklagt. (...) Der Auftraggeber soll dafür noch zahlen."

Die ebenfalls aus Bayern stammende FDP-Abgeordnete Katja Hessel, bis vor kurzem Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, darf folgende Zwischenfrage an Straubinger stellen: "Wissen Sie eigentlich, wie viele dieser Feststellungsverfahren eingeleitet werden, weil es eine sozialversicherungsrechtliche Prüfung gibt, und wie viele Auftragnehmer mit diesen Rentenansprüchen – die Rentenversicherungsbeiträge muss der Auftraggeber zahlen, weil er dann plötzlich Arbeitgeber ist – beglückt werden, die eigentlich viel lieber weiterhin selbstständig bleiben würden?"

Straubingers ausweichende Antwort führt zu Heiterkeit bei den Grünen-Abgeordneten: "Liebe Frau Kollegin, es kann ja möglich sein, dass es von den einen mehr gibt und von den anderen weniger."

Grüne

Nach oben

Für Wolfgang Strengmann-Kuhn von den Grünen ist es, wie schon erwähnt, die letzte Rede im Bundestag.

"Ich muss ausdrücklich den Antrag der FDP loben", beginnt er seine Rede nach einigen Vorbemerkungen. "Deswegen ist es durchaus schade, dass ihr diese Ampel verlassen habt, Johannes Vogel und Jens Teutrine, denn gerade beim Thema Selbstständige hätten wir noch einiges hinkriegen können in der restlichen Zeit. Und wir wissen, wer da gebremst hat."

Johannes Vogel ruft: "Der Hubertus".

Strengmann-Kuhn dazu: "Du hast es körpersprachlich gerade ausgedrückt. –

Grüne und FDP waren da sehr dicht beieinander. Gerade beim Statusfeststellungsverfahren ist dringender Handlungsbedarf; da hätten wir handeln müssen. Im Detail: Also, einen Positivkatalog finden wir sehr richtig; das hätte man unbedingt machen müssen. Man muss das Ganze entschlacken (...) Das Statusfeststellungsverfahren ist ja dazu da, um vor prekärer Scheinselbstständigkeit zu schützen, und das muss das Statusfeststellungsverfahren auch weiterhin leisten.

Aber es ist wichtig, für Selbstständige, die offensichtlich nicht prekär beschäftigt sind, das Ganze zu entbürokratisieren und am besten so zu gestalten, dass sie einfach sagen können: Ich bin selbstständig, falle nicht unter die Regelungen zur Scheinselbstständigkeit und benötige kein Statusfeststellungsverfahren. – Das wäre echte Entbürokratisierung."

"Selbstständige sind ein wichtiges Anliegen für die FDP und auch für uns Grüne."

Strengmann-Kuhn  sagt aber auch ganz klar: "Wir wollen, dass die Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, und zwar alle."

Als einer der Experten seiner Fraktion für das Bürgergeld und als Fan des bedingungslosen Grundeinkommens wirft er einen Blick zurück: "In der Coronazeit haben wir alle gemerkt, dass die Grundsicherung – sowohl das alte Arbeitslosengeld II als auch das Bürgergeld – für Selbstständige nicht wirklich geeignet ist."

AfD

Nach oben

Schließlich spricht Gerrit Huy für die AfD, ihre Rede ist von Anfang bis Ende ein Angriff auf die FDP: "Im Gegensatz zu Ihnen beschäftigen wir uns regelmäßig mit den Selbstständigen." Viele von ihnen seien in der AfD. (Die FDP hat nach CSU und CDU den höchsten Anteil von selbstständigen Mitgliedern, über den Selbstständigen-Anteil bei der AfD haben wir keine Zahlen gefunden).

Huy zitiert an dieser Stelle vom VGSD stammende Zahlen: "Sie stehen für 90 Prozent aller Unternehmen und für 8 Millionen Arbeitsplätze – zehnmal so viel wie die Autoindustrie." Um dann fortzufahren: "Von den Fesseln der Ampel befreit, will die FDP jetzt diese Selbstständigen retten."

Dann wirft Huy der FDP vor, sie plane eine Art Künstlersozialversicherung für alle Selbstständigen: "Nichts gesagt hat die einstige Wirtschaftspartei FDP zu den Kosten ihrer Forderungen. Alle Selbstständigen sollen zukünftig einer umfassenden Sozialversicherungspflicht unterliegen." – Zwischenruf Teutrine: "Das stimmt nicht!"

Daraus wollten die Selbstständigen laut Huy "die gleichen Leistungen beziehen wie die abhängig Beschäftigten, aber nur die Hälfte von deren Beiträgen einzahlen. Aber viele Selbstständige können nicht einmal das, gerade am Anfang ihrer Selbstständigkeit. Liebe FDP, verraten Sie uns doch einmal, wer die andere Hälfte der Beiträge zahlen soll: der gesetzlich Versicherte mit höheren Beiträgen oder gar der Staat,"

Mit solchen Behauptungen hofft die AfD, die FDP als Wirtschaftspartei zu ersetzen: "Die Stimme für freiheitliches und marktwirtschaftliches Denken heißt heute AfD." Neben der Vernichtung der CDU hat sich die AfD also auch die Vernichtung der FDP vorgenommen.

Was die verschiedenen Parteien konkret in ihrem Wahlprogramm für uns Selbstständige versprechen (oder androhen), findest du in übersichtlicher Form in unserem großen Wahlprogramm-Check.

Fazit

Nach oben

Das Urteil darüber, welcher dieser Parteien du die größte wirtschaftspolitische Kompetenz zubilligst und welche Bedeutung für dich die Wirtschaftspolitik bei dieser Wahl einnimmt, überlassen wir dir als Wähler. Wir hoffen auf ein gutes Ergebnis im Sinne der Selbstständigen und unseres Landes. Und freuen uns natürlich über deinen Kommentar: Wer hat deines Erachtens die selbstständigenfreundlichste und kompetenteste Rede gehalten?

Neuester Hilfreichster Kontroversester
Kommentar schreiben
Abbrechen

Du möchtest Kommentare bearbeiten, voten und über Antworten benachrichtigt werden?

Jetzt kostenlos Community-Mitglied werden

Zum Seitenanfang

#

#
# #