Mit 57, einem Alter also, in dem manche in den frühen Ruhestand gehen, machte Margarete Riemer nach einem Arbeitsleben in Vollzeit-Anstellung einen eigenen Laden für faire Bio-Mode auf. Jetzt, 14 Jahre später und 71-jährig, verschwendet die Düsseldorferin keinen Gedanken daran, damit aufzuhören. Wie es dazu kam, was sie motiviert, was sie lieber anders gemacht hätte und doch keinesfalls missen will in ihrem Leben – das erzählt sie im Rahmen unserer neuen Beitragsreihe "Wie lebst und arbeitest du mit über 60 Jahren?".
Gründung mit 57 Jahren
"Aktuell bin ich 71 Jahre jung und beabsichtige noch lange nicht, mit dem Arbeiten aufzuhören. Selbstständig gemacht habe ich mich erst vor 14 Jahren. Vorher habe ich in Festanstellung als Teamassistentin und Sekretärin bei der IT-Tochter der Deutschen Bank gearbeitet. Ich wurde schließlich arbeitslos. Neuen Arbeitgebern war ich zu teuer, was ich bei einem Bewerbungsmarathon zu spüren bekam. Ich musste und konnte also meine künftige Art des Arbeitens selbst in die Hand nehmen und wurde meine eigene Chefin.
An Ruhestand war nicht zu denken
Daran, in einen frühen Ruhestand zu gehen, war damals übrigens nicht zu denken: Mein Sohn, um den ich mich alleine kümmerte, war damals noch in der Schule, und meine bis dato angesammelte Altersvorsorge hätte es nicht ermöglicht, die Beine hochzulegen. Was also tun?
Wie eine Erleuchtung kam mir damals meine Geschäftsidee in den Sinn, als der Biolebensmittelladen in meiner Nachbarschaft neu gestaltet wurde. Ich wusste plötzlich, was ich wollte. Ökologische und gesunde Ernährung war mir für mich und meine Familie bis dahin schon immer wichtig gewesen – aber Kleidung, die auch schick und nicht nur „gewissenberuhigend“ aussah, war damals nur schwer zu bekommen. Das wollte ich ändern.
Das Arbeitsleben nochmals auf den Kopf gestellt
Ich fing an zu recherchieren, besuchte Messen und ein Existenzgründerseminar, suchte ein Ladenlokal und fand in meiner besten Freundin eine Kreditgeberin. Innerhalb von 3 Monaten hatte ich alles auf die Beine gestellt: Am 4. Dezember eröffnete ich völlig blauäugig mein Geschäft. Alles Weitere und Wissenswerte habe ich mir im Laufe der Zeit eigenständig angeeignet.
Meine Tätigkeit ist komplett anders als die zuvor: In meinem Geschäft Yavana in der Düsseldorfer Brunnenstraße verkaufe ich umweltbewusst produzierte und fair gehandelte Bio-Mode aus naturreinen Materialien. Die Arbeit bereitet mir fast immer große Freude, denn sowohl die dadurch vermittelte Nachhaltigkeit als auch der Umgang mit vielen verschiedenen Menschen und mein Erfolg motivieren mich immer wieder aufs Neue. Ich kümmere mich um alles alleine. Meist erfüllt mich die Arbeit sehr.
Arbeiten für mehr Geld im jetzigen Alter
Tatsächlich arbeite ich heute mehr als je zuvor: Es sind bis zu acht bis neun Stunden pro Tag, und das oft auch das Wochenende hindurch und an Feiertagen. Das mache ich nicht rein aus finanziellen Gründen, aber eine Rolle spielen diese auch: Meine gesetzliche Rente, die ich seit 2020 beziehe, reicht mir nicht. Ich hatte nicht ausreichend vorgesorgt. Meine Bezüge aus der früheren Festanstellung sind nicht umfangreich genug, und in den ersten Jahren der doch vergleichsweise späten Selbstständigkeit konnte ich nichts zurücklegen: Da mussten sowohl die Fixkosten als auch der Kredit abbezahlt werden, dazu kamen die halbjährliche Order und Zusatzkäufe. Es musste sich erst einspielen.
Altersvorsorge-Tipp: Nicht auf den Partner verlassen!
Was ich in Sachen Altersvorsorge im Nachhinein anders machen würde: Ich würde konsequenter und länger sparen, und in meinem Fall wäre ich besser länger angestellt geblieben, denn in den ersten Gründungsjahren etwas zurückzulegen – das ist ein frommer Wunsch. Ich rate auch jeder Frau dazu, sich nicht auf den Partner zu verlassen. Ich würde schon jungen Frauen empfehlen, sich um ihre Altersvorsorge zu kümmern und ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.
Der Ausgleich stimmt auch!
Dass ich nicht mehr komplett jung bin, merke ich daran, dass die Kräfte schleichend etwas weniger werden. Aber meist klappt doch alles gut. Vermutlich liegt das an meiner positiven Einstellung, an meiner Sportlichkeit, und am Ausgleich: Denn auch wenn die meiste Zeit in meinem Leben die Arbeit einnimmt, habe ich doch viel Spaß mit Freunden und Familie, ich gehe viel ins Kino, lese viel, werkle im Garten und gehe gern spazieren. Wissbegierig bin ich auch immer."
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