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Wie lebst und arbeitest du als Selbstständige/r mit über 60 Jahren? Cornelia Sussieck, 72: "Ich muss kein Geld mehr verdienen."

Raus aus dem Beamtentum und rein in die Selbstständigkeit: Die 72-Jährige gründete und leitete 30 Jahre lang erfolgreich eine Nachhilfeschule. Heute arbeitet sie ehrenamtlich, doch die Leidenschaft für ihre Arbeit bleibt – und das nicht wegen des Geldes.

Cornelia ist sich sicher: Sie braucht die Arbeit, auch im Alter. Und sie ist sich sicher, dass andere Personen ihres Alters, genauso empfinden.

"Mein Name ist Cornelia, ich bin 72 Jahre alt. Ich habe insgesamt fünf Jahre als verbeamtete Realschullehrerin in Nordrhein-Westfalen gearbeitet. Aus NRW kommend habe ich keine Stelle als Lehrerin in Süddeutschland in einer Schule bekommen. Bei dem heutigen Lehrermangel ist das natürlich undenkbar. Aber im Nachhinein hat sich das Schicksal für mich gefügt: Aus der unglücklichen Jobsituation heraus habe ich 1988 in Baden-Württemberg eine Nachhilfeschule gegründet, die ich 30 Jahre lang sehr erfolgreich geleitet habe. Ich beschäftigte bis zu 30 freiberufliche Lehrkräfte, und immer eine Festangestellte, die sich um die Verwaltung gekümmert hat. Die Schule war mein persönliches Herzstück.

Keine Geldsorgen im Alter

Circa fünf Jahre, bevor ich meine Schule verkauft habe, sollte ich meine Arbeitszeit reduzieren. Das war damals Teil der Absprache mit dem Käufer. Mittlerweile arbeite ich nur noch ehrenamtlich, aber eben im großen Umfang: Einmal in meiner eigenen Stiftung, im Bundesverband Nachhilfe- und Nachmittagsschulen, und im Verein ISbN in Neckarbischofsheim. Übrigens sind das alles auch meine Gründungen. Ich lebe aber immer noch nach meinem Terminkalender, auch wenn ich mittlerweile versuche, nicht allzu viele To-dos pro Tag zu haben.

Seit 2016 beziehe ich eine sehr kleine Rente von wenigen 100 Euro aus meiner Tätigkeit in der Uni und durch die Anrechnung des Studiums. Tatsächlich habe ich anders vorgesorgt: Ich hatte eine hohe Lebensversicherung und habe gut gespart. Das Haus, in dem sich meine Schule befand, habe ich gekauft und finanziert. Von meinem Geld konnte ich mir dann noch ein Mietshaus neben meinem Wohnhaus kaufen. Durch die Mieteinnahmen habe ich ein verlässliches Einkommen. Ich bin wirklich sehr stolz darauf, sagen zu können, dass meine Vorsorge völlig ausreicht. Ob ich einen Tipp an die jüngere Generation habe? Nun, ich würde einen Teil des Gewinns unbedingt sparsam an- bzw. zurücklegen. Ich weiß, das kann wehtun, wenn man Jahre hat, in denen man quasi von Steuerrückzahlungen des Vorjahres leben muss. Aber man profitiert später davon, und ist dann umso glücklicher: Ich bin von keinen Kundenaufträgen mehr abhängig, sondern kann jetzt selbst bestimmen, wie ich meinen Tag gestalte.

Mehr Zeit, genauso viel Antrieb

Dass quasi automatisch Geld hereinkommt, ist schon ein komisches Gefühl. Aber natürlich auch ein Gutes! Denn ich merke schon, dass ich nicht mehr ganz so belastbar bin wie früher. Ich will mehr freie Zeit haben und genießen können. Zum Beispiel liebe ich es, Zeit in meinem schönen Garten zu verbringen. Ich habe auch wieder mehr Kontakt zu den Menschen in meinem kleinen Wohnort. Mittlerweile habe ich mich dem örtlichen Wanderverein angeschlossen und gehe einmal wöchentlich zur Gymnastik für Ü60-Jährige.

Die Angst, ohne Arbeit in ein Loch zu fallen

Manchmal frage ich mich, was ich mit meinem Leben anstelle, wenn ich völlig aufhöre zu arbeiten. Ich habe Angst, in ein Loch zu fallen. Mein Nachbar beispielsweise wurde Ende letzten Jahres pensioniert. Er leidet schrecklich darunter, nicht mehr zur Arbeit zu gehen. Ich persönlich kann das gut nachvollziehen. Ich brauche die Arbeit, sie liegt mir in den Genen. Und ich habe auch keine Kinder, denen ich mein Geld vererben könnte. Nicht nur deshalb plädiere ich schon lange für sogenannte Arbeitszeitkonten bzw. für eine reduzierte Arbeitszeit auch im Alter. Denn ich bin mir ganz sicher, dass es viele Menschen gibt, die auch noch nach 65 einen oder zwei Tage in der Woche arbeiten möchten. Dass uns das deutsche Rentensystem diesen Willen abspricht, halte ich für nicht menschengerecht.

Stillsitzen werde ich ganz sicher nicht: Ich habe noch so viele Pläne und möchte unbedingt die Träume meines verstorbenen Ehemanns umsetzen. Und dafür werde ich auf jeden Fall die Energie haben. Egal, wie alt ich bin."

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