Die nächste Ministerpräsidentenkonferenz am Montag wirft ihre Schatten voraus. Bundeswirtschaftsminister Altmaier und sein Staatssekretär Nussbaum haben sich heute mehr als zwei Stunden lang per Videokonferenz mit Vertreter/innen von über 40 Wirtschaftsverbänden ausgetauscht, um deren Haltung zu den anstehenden Entscheidungen zu erfahren.
Im Mittelpunkt standen die Betroffenheit der verschiedenen Branchen von den aktuellen Corona-Beschränkungen sowie die Hilfsprogramme der Bundesregierung. Daneben ging es auch um die Themen Impfen und Testen.
Das heutige Treffen war das fünfte große Treffen von Minister Altmaier mit den Wirtschaftsverbänden seit Beginn der Corona-Pandemie. Das letzte Treffen fand am 16. Februar 2021 statt (mehr).
Für den VGSD nahm Andreas Lutz teil, zusammen mit Marcus Pohl vertrat er auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV). Erstmals war der VGSD am 22.10.20 zu der Verbände-Viko eingeladen worden (mehr).
Was wir von Minister Altmaier forderten
Wir dankten zunächst für die Verbesserungen an der Neustart- und Überbrückungshilfe in der letzten Woche und forderten, dass man jetzt schon Vorbereitungen treffen sollte für eine Verlängerung. Denn absehbar ist, dass viele Branchen auch noch im zweiten Halbjahr 2021 Unterstützung benötigen. Insbesondere wird es noch längere Zeit dauern, bis kulturelle aber auch privatwirtschaftliche Veranstaltungen in gewohnter Form wieder möglich sind. Für die Kultur- und Veranstaltungsbranchen sind lange Vorplanungen typisch.
Von daher fehle uns auch jedes Verständnis dafür, dass der von Finanzminister Scholz bereits letztes Jahr angekündigte Ausfallfonds, der etwas mehr Planungssicherheit gäbe, noch immer nicht zur Verfügung steht. Viele Teilnehmer baten Minister Altmaier, hier noch mehr Druck auf seinen Kollegen Scholz auszuüben, aber natürlich müssen wir als Verbände dies auch unmittelbar tun.
In Hinblick auf die Neustarthilfe forderten wir eine Erhöhung: Viele Betroffene müssen sich bisher entscheiden, ob sie (Neustart-)Hilfe zur (teilweisen) Deckung der Lebenshaltungskosten beantragen oder (Überbrückungs-)Hilfe zur Deckung betrieblicher Fixkosten. Beides zu kombinieren ist beihilferechtlich schwierig bis unmöglich. Deshalb sollte unseres Erachtens die Neustarthilfe erhöht werden, das Delta könnte dann auf die Grundsicherung angerechnet werden.
Testpflicht für Unternehmen?
Eine Sorge, die viele andere Verbände auch teilten, sind die zunehmenden Schuldzuweisungen an die "Wirtschaft", die ihren Mitarbeitern nicht genügend Tests zur Verfügung stellen würde. Während Soloselbstständige ihren Bedarf mit etwas Glück bei dm oder Aldi decken können, weil es um haushaltsübliche Mengen geht, ist es für Selbstständige mit Mitarbeitern sehr schwierig, Tests in ausreichender Zahl zu beschaffen.
Selbst größere Unternehmen klagen über mangelnde Verfügbarkeit. Wir baten den Wirtschaftsminister bei den anstehenden Diskussionen auf dieses Problem hinzuweisen. Eine Testpflicht, wie sie in Berlin schon eingeführt ist, sahen alle Verbände sehr kritisch: Die damit verbundenen Nachweispflichten führen – auch für die Unternehmen, die ausreichend Tests beschaffen konnten – zu einer ganz erheblichen Bürokratie. Viel wirksamer wäre es, an einer besseren Verfügbarkeit zu arbeiten.
Pro und contra "grüner Pass" für bereits Geimpfte
Ein vielfach angesprochenes Thema war auch die Einführung eines europaweit gültigen elektronischen "grünen Passes" für bereits Geimpfte. Für diese, meist ältere, Gruppe wäre ein solcher Nachweis mit Privilegien verbunden, etwa bei der Teilnahme an Veranstaltungen oder bei Reisen. Wer noch keine Möglichkeit zur Impfung hatte, dürfte solche Privilegien verständlicherweise als ungerecht wahrnehmen.
Andererseits könnte es den besonders hart getroffenen Branchen - und auch den auf Tourismus dringend angewiesenen Nachbarländern im Süden - helfen, wenn sie ihre wirtschaftliche Aktivitäten – nach erfolgreichem "Brechen" der dritten Welle – langsam wieder "anfahren" könnten. Sicher wäre auch niemand geholfen, wenn alle erst ab einem bestimmten Stichtag wieder reisen dürften: Die Kapazitäten würden dann gar nicht für alle Reisewilligen ausreichen, es käme zu einer noch stärkeren Verteuerung. Von daher forderte eine Vielzahl von Verbänden die baldige Einführung eines solchen grünen Passes.
Zahl der Insolvenzen und Entlassungen könnte schon bald deutlich steigen
Ende April endet die Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht, die bisher schon daran gebunden war, dass man noch auf die Auszahlung von Corona-Hilfen wartete. Nach mehreren Verlängerungen stellt sich nun die Frage, ob die Aussetzung abermals verlängert wird oder nicht. Während in der öffentlichen Diskussion die einen über "Zombie-Unternehmen" klagen, die immer weiter Verbindlichkeiten aufhäufen und bei einer Insolvenz um so größeren Schaden verursachen würden, sprechen andere von an sich gesunden Unternehmen, denen nicht kurz vor dem Pandemieende der Todesstoß gegeben werden sollte. Hier steht den Verantwortlichen eine schwierige Abwägung bevor. Wer sich in Insolvenzgefahr sieht, sollte sich schon jetzt gut informieren, z.B. anhand der Mitschnitte von Expertentelkos, die wir zu diesem Thema durchgeführt haben.
Viele Verbände berichteten auch von einer stark steigenden Zahl von Kündigungen, die ihre Mitgliedsunternehmen aussprechen müssen, weil sie nach aktueller Planung ab Jahresmitte 2021 beim Kurzarbeitergeld wieder selbst die Sozialversicherungsbeiträge übernehmen müssen. Insbesondere in Branchen wie der Veranstaltungswirtschaft, im Tourismus, der Gastronomie und dem Einzelhandel überfordere dies die Betriebe.
Statement von Peter Altmaier nach dem Treffen
So fasste Bundeswirtschaftsminister Altmaier nach den Treffen mit den Verbänden die Ergebnisse zusammen:
„Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für den konstruktiven Austausch. Die aktuelle Corona-Lage ist leider weiterhin ernst und auch die Lage der Wirtschaft insgesamt hängt an der Entwicklung des Infektionsgeschehens. Während die Industrie weiter vergleichsweise gut durch die Krise kommt, leiden Dienstleistungen und Handel und andere Branchen weiterhin stark unter den Corona-Beschränkungen. Für besonders stark betroffene Unternehmen bietet der neue Eigenkapitalzuschuss eine wichtige zusätzliche Unterstützung. Auch haben wir die Bedingungen der Überbrückungshilfe III erneut verbessert.Klar ist: Ein schneller Impffortschritt und der konsequente Einsatz von Schnelltests sind in dieser Phase der Pandemie entscheidend, damit es auch für die gesamte Wirtschaft insgesamt bergauf gehen kann. Die Unternehmen spielen dabei beim Testen eine wichtige Rolle und nehmen diese Verantwortung wahr. In den vergangenen Wochen konnte das Testangebot der Wirtschaft für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich ausgebaut werden. Das begrüße ich sehr. Durch verstärktes Testen können Infektionen früher und öfter erkannt und weitere Übertragungen verhindert werden.“
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