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Wirtschaftsministerium bewilligt Corona-Beratungshilfe – sechs Monate nach Antragstellung

Anfang Oktober haben zahlreiche Selbstständige vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eine überraschende Mitteilung bekommen: Ihre Anfang April beantragte Förderung für eine Beratung "im Corona-Modul als Jungunternehmen" sei nun - also sechs Monate nach Antragstellung -  hinsichtlich der formalen Voraussetzungen geprüft, sie dürften die Beratung jetzt beginnen. (Vollständiger Bescheid als PDF)

Ausschnitt aus "Erlaubnis zum Beratungsbeginn", zum Vergrößern bitte anklicken!

Vorsichtshalber werden ungeduldige Unternehmer, die zwischenzeitlich nicht länger mit den Anpassungen ihrer Unternehmen an die Corona-Krise warten wollten und die Beratung bereits begonnen hatten, darauf hingewiesen, dass eine Förderung dann nicht möglich sei. Außerdem müsste die Beratung bis Ende 2020 abgeschlossen sein, bis dahin müssten zudem alle Verwendungsnachweise, darunter auch ein ausführlicher Beratungsbericht, vorliegen. Dann würde man prüfen, ob u.a. die notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung stehen. Daher bestehe noch immer das Risiko einer eventuellen Ablehnung.

Thomas Bareiß: "Schnell und unbürokratisch"

MdB Thomas Bareiß

Zur Vorgeschichte: Am 3. April hat Thomas Bareiß (CDU, Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen), der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung und als parlamentarischer Staatssekretär zuständig auch für Sofort- und Überbrückungshilfe überraschend eine großzügige Hilfe des Bundeswirtschaftsministeriums angekündigt: „Wir erleben, wie immer mehr Unternehmen und Branchen von der Krise getroffen werden. Uns erreichen täglich hunderte Anrufe gerade von kleinen und mittleren Unternehmen, die mit Auftragsrückgängen konfrontiert sind. Viele dieser Unternehmen benötigen Unterstützung bei betriebswirtschaftlichen Fragen. Dafür weiten wir jetzt unsere Förderung unternehmerischen Know-hows aus – schnell und unbürokratisch."

Die Verkündung der Förderung gehörte zu den ersten Amtshandlungen von Bareiß als Mittelstandsbeauftragter, erst wenige Tage zuvor hatte er das Amt übernommen. Das Geld sollte Unternehmen in der akuten Krise helfen, ihr Geschäftsmodell anzupassen, zu digitalisieren oder neue Erlösquellen zu erschließen. Bis zu 4.000 Euro für eine Beratung sollten die von Corona betroffenen Unternehmen in Anspruch nehmen können und das ohne einen Eigenanteil. Viele Berater warnten, dass der Verzicht auf jeglichen Eigenanteil auch fragwürdige Anbieter anziehen könnten. Beim VGSD ergänzten wir unsere Branchenprofile um Angaben, die das Finden seriöser, für die BAFA-Programme zertifizierter Berater vereinfachten.

Programm wurde wenige Tage nach Start gestoppt, Antragsteller konnten Beratung nicht beginnen

Ganz so schnell und unbürokratisch, wie von Bareiß angekündigt, lief es dann leider schon damals nicht. Dabei stieß das Programm auf enormes Interesse: Statt der von Bareiß budgetierten 15 Millionen Euro wurde Anträge im Umfang von 200 Millionen Euro gestellt, also 50.000 Anträge statt 3.750. Dass darunter auch fragwürdige Anträge waren, sollte angesichts der ungewöhnlich großzügigen Bedingungen, der Warnungen der zertifizierten Berater sowie angesichts früherer Erfahrungen etwa mit dem Gründercoaching Deutschland bei BAFA und BMWi eigentlich niemand verwundert haben, der über etwas Erfahrung mit dem Programm verfügte.

Bereits wenige Tage nach dem Start wurde – das stellte sich allerdings erst viel später heraus – das Förderprogramm Mitte April mit einer Anweisung des BMWi an das BAFA gestoppt. Die weitere Bearbeitung von Anträgen ruhte. Bis Mitte Mai wurden alle, die die Förderung beantragt hatten und dringend auf einen positiven Bescheid warteten, um mit ihrer Beratung beginnen zu können, in der Luft hängen gelassen.

Wie auch bei Soforthilfe: Kriminalisierung der Antragsteller

Schließlich wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht, es hätte viele Anträge unseriöser Berater gegeben. Das Programm wurde öffentlich diskreditiert, noch immer wurden die Betroffenen aber nicht informiert. Ende Mai wurde das Programm dann vollends gestoppt, mit einem Hinweis auf der BAFA-Website: „Das BAFA hat für das attraktive Fördermodul für Corona-betroffene Unternehmen mehr Anträge erhalten als an Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt werden konnte.“ Über eine Erhöhung des Fördervolumens angesichts der großen Nachfrage oder mindestens das Angebot and die Antragsteller, die überschüssigen Anträge mit einem niedrigeren Satz zu fördern, scheint man sich keine ernsthaften Gedanken gemacht zu haben.

Die Investigativ-Teams von Süddeutscher Zeitung und Tagesschau übernahmen zunächst die Lesart des Ministeriums und berichteten von "Beschiss auf breiter Ebene", in späteren Berichten dann von "Altmaiers Corona-Desaster" und "Corona-Reinfall". Auch der VGSD berichtete im Rahmen von Interviews mit einer Beraterin und betroffenen Selbstständigen über den Sachverhalt.

"Erlaubnis zum Beratungsbeginn" sechs Monate nach Antragstellung

Nun also die "Bewilligung" sechs Monate nach Antragstellung, die den Empfängern nach dieser Vorgeschichte wie ein schlechter Witz erscheinen muss. Manche Antragsteller mussten ihr Unternehmen zwischenzeitlich vielleicht schon aufgegeben. Andere haben nach langer Wartezeit und Ungewissheit auf eigene Kosten oder im Rahmen eines anderen BAFA-Programms (mit 50 Prozent Förderung) eine Beratung begonnen. Beides schließt sie von der jetzt bewilligten 100 Prozent-Förderung aus, denn es gehört zu den Eigenheiten des Programms, dass die Beratung erst nach Freigabe durch die BAFA begonnen werden darf. Briefe, in denen sie um eine Anwendung der höheren Förderung auf die in Anspruch genommene Förderung bitten, dürften nach der Verwaltungslogik deshalb ins Leere laufen.

Der Grund für die verspätete "Erlaubnis zum Beratungsbeginn" besteht laut BAFA im "Nachrückverfahren": Zu einem Teil der ursprünglich bewilligten Anträge gab es bis zu einer vorgegebenen Frist keine Rückmeldung. Das Geld steht nun für andere zur Verfügung. Hätte man auf Basis der Erfahrungswerte nicht gleich etwas höhere Zusagen machen können, im Vertrauen darauf, dass ohnehin nur ein bestimmter Prozentsatz der zugesagten Mittel abgerufen wird? Hätte man die Empfänger von Zusagen nicht schon früher anschreiben und um eine Rückmeldung bitten können, ob sie das Programm in Anspruch nehmen werden? Offenbar nicht...

Auch angehende und zertifizierte BAFA-Berater warten viele Monate

Die Antragsteller des Corona-Moduls der Beratungsförderung sind übrigens nicht die einzigen, die schon lange warten. Auch Berater, die sich angesichts des großen Bedarfs im Frühjahr bei der BAFA um eine Akkreditierung bemüht haben, haben noch immer keine Entscheidung  über ihre Bewerbung erhalten. Immerhin hat das BAFA Anfang September bei ihnen nachgefragt, ob sie die Bewerbung noch aufrecht erhalten wollen, seitdem hat sich allerdings niemand von der Behörde mehr bei ihnen gemeldet.

Und auch die zertifizierten Berater, die das Glück hatten, dass einer ihrer Kunden eine Förderung schon im Frühjahr bewilligt bekommen hat, stellen sich darauf ein, dass die Prüfung der Verwendungsnachweise und die Auszahlung ihres Honorars noch eine Weile dauern kann. Zitat einer erfahrenen Beraterin, die seit vielen Jahren VGSD-Mitglied ist: "Das wird wohl frühestens nächstes Jahr etwas."

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