In dieser Woche hat die SPD die Rentenversprechen vorgestellt, mit denen sie im Bundestagswahlkampf punkten will. Derweil wirbt die Gewerkschaft ver.di mit einer Rentenkampagne um selbstständige Mitglieder. Beide Konzepte haben eins gemeinsam: Für die Jüngeren wird es teuer.
Die SPD verspricht für den Fall eines Wahlsiegs ein stabiles Rentenniveau, den Verzicht auf ein späteres Eintrittsalter sowie eine Solidarrente für langjährige Versicherte. Das Wahlkampfkonzept betrachtet aber nur den Zeitraum bis 2030 und lässt wichtige Fragen offen.
Da haben wir vom Bundesarbeitsminister Andrea Nahles schon Konkreteres gehört.
In einem Interview mit der Rheinischen Post hat die Ministerin bekräftigt, dass im Rahmen ihres Ende letzten Jahres vorgestellten Altersvorsorgekonzepts die Rentenversicherungsbeiträge von aktuell 18,7 auf bis zu 25 Prozent ansteigen sollen:
„Wenn wir aber ein auskömmliches Rentenniveau festsetzen, dann landen wir bei 25 Prozent Beitragssatz. Die Sicherheit (...) ist den Menschen dies wert.“
Die Sozialversicherungsbeiträge würden damit auf deutlich über 40 Prozent steigen – zusätzlich zur Einkommensteuer. Bisher ist das ein Tabu in Deutschland. Nahles dazu:
„Wer den Anteil der Lohnnebenkosten dauerhaft nicht über 40 Prozent steigen lassen will, der muss entweder andere Finanzierungsquellen auftun oder bei Rente und Gesundheit streichen.“
Selbstständige werden doppelt belastet
Einsparungen – insbesondere eine Erhöhung Renteneintrittsalters – seien mit ihr nicht zu machen, so Nahles. Sehr wohl zu machen ist aber das Erschließen neuer Geldquellen: Ihre bis 2045 durchgerechneten Reformen, die ein Rentenniveau von 46 Prozent garantieren sollen, basieren auf einer weiteren Erhöhung der Bundeszuschüsse sowie auf einer Einbeziehung der Selbstständigen in die Rentenversicherung. Begründung:
„Ich will verhindern, dass die knapp drei Millionen Selbstständigen, die nicht in einem Versorgungswerk abgesichert sind, in Altersarmut landen.“
Dazu will sie alle Selbstständigen unter 40* zwingen, Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen. Wohlgemerkt: Diese Beiträge werden zur Sicherstellung des bestehenden Rentenniveaus an die jetzigen Rentner umverteilt. Wer heute unter 40 ist, geht nach dem Jahr 2045 mit 67 in Rente – ob er dann eine faire Rente erhält, sagt Andrea Nahles in ihrer Prognose nicht.
Folgendes Szenario verdeutlicht das Problem:
- 2020: Das Gesetz tritt in Kraft. 1980 geborene, dann 40-jährige Selbstständige zahlen erstmals Pflichtbeiträge.
- 2045: Der Zeithorizont der Rentenprognose endet.
- 2047: Die ersten selbstständige Pflichtbeitragszahler werden 67 und gehen in Rente.
*) Wir warnen vor 1980 geborene Selbstständige, sich in Sicherheit zu wiegen. Denn: Steht erst mal einmal eine Mehrheit für das Gesetz, lässt sich für eine Ausweitung auf ältere Jahrgänge streiten. Bei früheren Reformen war zumeist die Rede von einer Altersgrenze von 50 Jahren. Bei der Vorstellung ihres Rentenkonzepts gemeinsam mit Martin Schulz am Mittwoch dieser Woche war zum Beispiel von einer Altersgrenze vo 40 Jahren nicht die Rede.
Von 1.000 Euro zusätzlichem Gewinn bleiben weniger als 350 Euro übrig
Ebenfalls nicht kalkuliert hat die Arbeitsministerin, wie ihre Pläne das verfügbare Einkommen von Selbstständigen schmälern. Freelancer würden deutlich über 40 Prozent des Betriebsgewinns für Sozialversicherungsbeiträge aufwenden, weil sie Arbeitgeber- und -nehmeranteil alleine tragen müssen. Zusätzlich sind Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag sowie ggf. Kirchen- und Gewerbesteuer fällig. Wir landen bei unseren Berechnungen bei einer Grenzbelastung, die mehr als 65 Prozent betragen kann. Das heißt: Von 1.000 Euro zusätzlichem Gewinn bleiben einem Freelancer weniger als 350 Euro.
Das ist eine ziemlich hohe Abgabenlast für eine ziemlich unsichere Rente.
Wäre es nicht besser, dass jüngere Generationen entsprechend ihrer längeren Lebenserwartung ein wenig länger arbeiten? Die CDU/CSU dürfte das als Teil der Lösung sehen, hält sich aber mit öffentlichen Äußerungen dazu zurück. Statt dessen spielt sie mit dem Gedanken, eine Rentenkommission einzuberufen, die dann wahrscheinlich zu genau diesem Ergebnis kommt. Das sei ein „faules Spiel auf Zeit“ sagt Nahles.
ver.di wirbt mit Rentenplan um Selbstständige als Mitglieder
Die Gewerkschaft ver.di möchte mit ihrem (dem von Andrea Nahles ähnlichen) Rentenkonzept ausgerechnet bei (Solo-)Selbstständigen punkten und hat dazu einen eigenen Flyer produziert. Die Beitrittserklärung ist gleich dabei, als Mitgliedsbeitrag wird ein Prozent des monatlichen Bruttoverdienstes fällig. Die Gewerkschaft propagiert eine "solidarische Erwerbstätigenversicherung" und behauptet:
Wir können uns ein wesentlich leistungsfähigeres gesetzliches Rentensystem mit angemessenen Beiträgen und Steuerzuschüssen absolut leisten. Klar ist: Die Bekämpfung von Altersarmut ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft und muss deshalb auch aus Steuermitteln finanziert werden.
Unlängst hat ver.di sogar eine Demonstration von Solo-Selbstständigen in Leipzig organisiert. Leider ist uns nicht bekannt, wie viele Personen an dieser Demonstration teilgenommen haben und wie viele davon selbstständig waren.
ver.di vertritt zwei spezielle Berufsgruppen
Wenn stimmt, was wir oben schreiben, welche Selbstständigen sind dann bereit, bei einer solchen Demo mitzugehen – und sei sie noch so klein?
Wichtig zu wissen: ver.di organisiert vor allem zwei Berufsgruppen – freie Journalisten und selbstständige Lehrkräfte. Beide leiden unter relativ niedrigen Honoraren und haben wenig Spielraum für eine private Altersvorsorge. Beide Berufsgruppen sind Pflichtmitglieder in der Deutschen Rentenversicherung – die Lehrer müssen den Arbeitgeber- und -nehmerbeitrag (derzeit zusammen 18,7 Prozent) alleine bezahlen, die Journalisten profitieren davon, dass die Künstlersozialkasse die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge übernimmt. Außerdem dürften die ver.di-Mitglieder in der großen Mehrheit über 40 Jahre alt sein.
Damit gehören sie zu den wenigen, die tatsächlich von einer solchen Umverteilung von Jüngeren an Ältere profitieren würden.
Andere Selbständige, die nicht so stark von der gesetzlichen Rente abhängig sind und als Beitrags- sowie Steuerzahler doppelt zur Kasse gebeten werden sollen, dürften sich kaum für das ver.di-Konzept begeistern lassen.
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