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Lesetipp Krankenkassen ohne Gnade Selbstständige sollen bei Fristüberschreitung Tausende Euro an Beiträgen nachzahlen

Seit Kurzem erhalten freiwillig Versicherte Nachzahlungsforderungen von den Krankenkassen. Der Grund: Sie haben ihren vollständigen Steuerbescheid nicht fristgerecht vorgelegt. Nachgereichte Unterlagen wollen die Krankenkassen unisono nicht akzeptieren. Was Betroffene tun können.  

Knallhart: Bis zu 8.000 Euro sollen manche Selbstständigen an die Krankenkassen nachzahlen. Ist das rechtens? Seit Kurzem erhalten freiwillig Versicherte Nachzahlungsforderungen von den Krankenkassen. Der Grund: Sie haben ihren vollständigen Steuerbescheid nicht fristgerecht vorgelegt. Nachgereichte Unterlagen wollen die Krankenkassen unisono nicht akzeptieren. Was Selbstständige tun können.  

Die Verbraucherzentrale Hamburg hat gestern gemeldet, dass seit Jahresbeginn zahlreiche freiwillig krankenversicherten Selbstständigen extreme Beitragsnachforderungen für das Jahr 2019 erhalten. Die Betroffenen sollen zum Beispiel statt dem Mindestbeitrag von 200 Euro nun den von rund 900 Euro monatlich zahlen, weil sie ihren Steuerbescheid für 2019 nicht rechtzeitig vorgelegt haben.

Besonders perfide: Auch wenn die Betroffenen ihre Steuerbescheide vollständig nachreichen, bestehen die Krankenkassen auf Zahlung der Höchstbeiträge – sogar dann, wenn sich aus dem Steuerbescheid sehr viel geringere Einnahmen ergeben und der Krankenkassenbeitrag deutlich niedriger sein müsste. 

Nachforderungen von bis zu 8.000 Euro

Am schlimmsten betroffen sind Selbstständige, die zwar als hauptberuflich gelten, aber nur einen vergleichsweisen geringen Gewinn erzielen. "Die Folgen sind massiv: In den vorliegenden Fällen sind Versicherte mit Nachforderungen von bis zu 8.000 Euro konfrontiert", schreiben die Verbraucherschützer. "Anstatt die realen Einnahmen für die Beitragsberechnung heranzuziehen, verlangen die gesetzlichen Krankenkassen den Höchstbeitrag und legen hierfür ein Höchsteinkommen (im Jahr 2019 sind es 54.450 Euro) zugrunde. Je weniger man also verdient, desto größer ist die finanzielle Lücke. Faktisch zahlen die Betroffenen Beiträge auf Einnahmen, die sie gar nicht hatten." 

Dem VGSD sind bisher keine entsprechenden Fälle von Mitgliedern bekannt – gleichwohl halten wir das Vorgehen der Krankenkassen für falsch. "Wenn sich allein schon bei der Verbraucherzentrale Hamburg mehrere Betroffene gemeldet haben und die Praxis unter den Krankenkassen sowie dem Bundesamt für soziale Sicherung als Aufsichtsbehörde abgesprochen ist, ist das unabhängig davon ein echtes Problem", sagt VGSD-Vorstand Andreas Lutz.

Er ergänzt: "Bisher hatten die Krankenkassen unterschiedliche Vorgehensweisen und viele haben sich recht kulant verhalten. Das scheint sich nun geändert zu haben. Je niedriger das tatsächliche Einkommen und je größer die Überforderung der Betroffenen durch die Bürokratie ist, um so empörender ist für mich das Verhalten der Krankenkassen. Sie treibt solche Leute ja durch ihr Vorgehen erst recht in eine Krankheit hinein, was ihrem Auftrag widerspricht."

Was können Betroffene tun?

Die Verbraucherzentrale hält das Vorgehen der Krankenkassen für rechtswidrig und empfiehlt Widerspruch gegen den Zahlungsbescheid einzulegen und gegebenenfalls eine (ohne Anwalt kostenlose) Klage vor dem Sozialgericht zu prüfen. "Werden neue Tatsachen bekannt, muss eine falsche Entscheidung korrigiert werden. Im Sozialrecht sind richtige Entscheidungen wichtiger als Fristen!" Übrigens: Verfahren vor dem Sozialgericht sind kostenlos, so lange man keinen Anwalt nimmt. 

Die Verbraucherschützer fordern die Politik zudem auf, tätig zu werden und für eine Klarstellung zu sorgen. Auch der VGSD steht bereits mit einem an diesem Thema interessierten Abgeordneten der FDP-Fraktion in Kontakt, um beim Gesundheitsministerium eine Klärung zu erreichen. Unser Ziel: "Zwischen der Androhung des Höchstbeitrags und der Frist für die Abgabe des Steuerbescheids muss es eine ausreichend lange Frist geben und die Möglichkeit des Widerspruchs", sagt Andreas Lutz. "Durch die Corona-Krise, die mangelhaften und komplexen Hilfen beziehungsweise deren Abrechnung kam es zu einer enormen Überforderung der Selbstständigen, aber auch der Steuerberater und Finanzämter. Bis heute gibt es deshalb enorme Verzögerungen bei der Einreichung und Bearbeitung von Unterlagen." 

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