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Maßlose Enttäuschung über Ausfall der BAFA-Corona-Förderung – Interview mit Dagmar Schulz

Alles ging anfangs ganz schnell: "Uns erreichen täglich hunderte Anrufe gerade von kleinen und mittleren Unternehmen, die mit Auftragsrückgängen konfrontiert sind. Viele dieser Unternehmen benötigen Unterstützung bei betriebswirtschaftlichen Fragen. Dafür weiten wir jetzt unsere Förderung unternehmerischen Know-hows aus – schnell und unbürokratisch" berichtete Thomas Bareiß, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), mit dem wir übrigens erst vor kurzem ein Gespräch zur Zukunft der Soforthilfe geführt haben.

Dagmar Schulz ist Unternehmensberaterin für Existenzgründung und -aufbau.

Er war am 1. April 2020 zum Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung ernannt worden. Am 2. April wurde im Bundesanzeiger eine Ergänzung der Richtlinie zur Beratungsförderung veröffentlicht ("Ergänzung der Rahmenrichtlinie zur Förderung unternehmerischen Know-hows"). In dieser heißt es, dass ab 3. April Unternehmensberatungen vom Staat bis 4.000 Euro mit einem Zuschuss in Höhe von 100 Prozent gefördert werden. Das Förderprogramm war also ohne Eigenanteil der Betroffenen ausgestaltet.

Zahlreiche Berater haben daraufhin bei den zuständigen Stellen vorgesprochen und gewarnt, dass eine solche Ausgestaltung auch unseriöse Anbieter anziehen wird. Der VGSD reagierte mit einer Experten-Telko mit Tipps zur Beraterwahl und einem eigenen BAFA-Beraterlisting, anhand dessen man Rückschlüsse auf die Erfahrung und Seriosität der Berater ziehen konnte.

In der Ausschreibung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), die das Programm im Auftrag des BMWi vergibt, war hinsichtlich Dauer und Umfang des Programms zu lesen: „zunächst bis 31.12.2020“. Es war also davon auszugehen, dass die Förderung ausreichend budgetiert ist und über das laufende Jahr hinaus verlängert werden soll. Das Programm wäre eine wichtige Unterstützung für den Mittelstand gewesen, auch für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige.

Doch es kam alles ganz anders

Bereits wenige Tage nach dem Start wurde – wie sich später herausstellte – das Förderprogramm Mitte April mit einer Anweisung des BMWi an das BAFA gestoppt. Die weitere Bearbeitung von Anträgen ruhte. Bis Mitte Mai wurden alle, die die Förderung beantragt hatten und nun auf einen positiven Bescheid warteten, um mit ihrer Beratung beginnen zu können, in der Luft hängen gelassen.

Schließlich wurde eine Pressemitteilung veröffentlicht, es hätte viele Anträge unseriöser Berater gegeben. Das Programm wurde öffentlich diskreditiert, noch immer wurden die Betroffenen aber nicht informiert. Ende Mai wurde das Programm dann vollends gestoppt, mit einem Hinweis auf der BAFA-Website: "Das BAFA hat für das attraktive Fördermodul für Corona-betroffene Unternehmen mehr Anträge erhalten als an Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt werden konnte." Unklar ist bis heute, ob die für das Programm vorgesehen Mittel überhaupt vergeben wurden. Die Betroffenen warten bis heute auf eine Benachrichtigung durch das BAFA.

Wir haben zwei Betroffene interviewt: Eine beratungssuchende Unternehmerin (Melanie Struve aus Krefeld) sowie die Beraterin Dagmar Schulz. Aus den Gesprächen wird verständlich, warum sich beide über das Vorgehen des BMWi so ärgern.

 

Dagmar, stellst du dich bitte kurz vor?

Gerne! 2009 habe ich mich mit der 1a-STARTUP Unternehmensberatung für Existenzgründung und den Existenzaufbau selbstständig gemacht. Dazu gehört auch die Marketing- und Fördermittelberatung. Die Weiterentwicklung eines Unternehmens sowie das Krisenmanagement bilden einen weiteren wichtigen Teil meines Angebots. Ich bin VSGD-Vereinsmitglied, habe schon mehrere Beiträge geschrieben und durfte vor einigen Wochen bei "Hart, aber fair" mit Bundesarbeitsminister Heil diskutieren.

Das Corona-Beratungsförderungsprogramm der BAFA verzichtete erstmals auf einen Eigenanteil der Kunden und war damit äußerst attraktiv ausgestaltet. War deshalb nicht mit einem großen Ansturm auf diese Mittel zu rechnen? 

Dass dieses Hilfsangebot für viele Selbstständige und Unternehmen eine wichtige Unterstützung ist, um Hilfe aus der Krise zu erhalten, liegt auf der Hand. In dieser Schock- und Ausnahmesituation kann auch von einem erfahrenen Unternehmer nicht automatisch erwartet werden, dass er Allrounder ist und für alle Herausforderungen Lösungen parat hat. Für Selbstständige ist es gerade in solchen Krisensituationen wichtig, einen Sparringspartner zu haben.

Viele Selbstständige sind zudem zugleich Eltern, waren oder sind immer noch mit den Herausforderungen des Home-Schooling konfrontiert. Zur Angst um die wirtschaftliche Existenzsicherung kamen also erschwerend weitere Herausforderungen hinzu.

Probleme vorhersehbar

Berater warnten frühzeitig vor dem kompletten Verzicht auf einen Eigenanteil

Der Verzicht auf einen Eigenanteil lockt auch unseriöse Wettbewerber an. Es gab deshalb von erfahrenen Beratern Warnungen an das BAFA, dass die Vergabebedingungen zu nicht gewünschten Konsequenzen führen könnten. Was hast du von den Bedingungen gehalten, als du zuerst von ihnen gelesen hast?

Ich konnte es erst gar nicht glauben. "Eine politisch gewollte Gelddruckmaschine der BAFA" - war mein erster Gedanke und mir war klar, dass wie schon bei der Soforthilfe durch die Art der Ausgestaltung unseriöse Geschäftemacher angezogen werden.

Ich habe selber schon nach kurzer Zeit Werbeemails von Plattformen erhalten, über die ich diese Förderung beantragen sollte. Dabei dürfen Berater wie ich die Förderung für sich selbst gar nicht in Anspruch nehmen. Es wurden offenbar wahllos Adressen gekauft und angeschrieben.

Der VGSD hatte Mitte November gemeinsam mit 23 weiteren Berufsverbänden Bundeswirtschaftsminister Altmaier vor der Schließung der KfW-Beraterbörse gewarnt. Dieser hat die Warnung ignoriert, die Website mit einer Liste bewährter Berater wurde am 31.12.19 geschlossen. Welchen Beitrag zur Qualitätssicherung hätte diese Plattform für die Beratungssuchenden leisten können?

Auf der KfW-Beraterbörse konnte man sich über die Erfahrung und damit Seriosität eines Beraters informieren. Die BAFA führt eine Liste von Beratern, diese ist aber öffentlich nicht zugänglich. Das hat es unseriösen Beratern einfacher gemacht. Hätte die KfW-Beraterbörse fortbestanden, hätte meiner Einschätzung nach die Situation niemals so eskalieren können, dass es zu einer vorzeitigen Schließung des Programms kommt.

Wie groß war bei dir die Nachfrage nach der Corona-Beratungsförderung? Wo lag der Beratungsbedarf?

Bei mir kamen täglich Beratungsanfragen herein. Die wichtigsten Fragestellungen waren: Wie generiere ich unter den neuen Bedingungen Umsatz? Wie mache ich nach dem Lockdown weiter? Wie kann ich mein Angebot anders oder besser ausgestalten? Welche Prozesse kann ich wie digitalisieren? Wie kann ich meine Liquidität sichern und mein Geschäft stabilisieren? Wie kann ich eine Insolvenz abwenden?

Beginnende Probleme mit dem BAFA

Mit einem abrupten Stopp endete das Förderprogramm

Wann und wie hast du davon erfahren, dass es Probleme mit dem Programm gibt bzw. die Mittel bereits ausgeschöpft sind?

Am 26. Mai hat die BAFA auf Ihrer Internetseite veröffentlicht, dass das Programm eingestellt wurde. Über die Presse kam heraus, dass bereits seit Mitte April keine Anträge mehr bewilligt worden waren. Wir hatten bis dahin über die Leitstellen, über die BAFA-Anträge abgewickelt werden, immer nur gesagt bekommen, dass es aufgrund der Flut der Anträge einen Bearbeitungsstau gebe. Entsprechend der Zusage zum Förderprogramm, haben wir alle weiter gemacht, um Unternehmen erfolgreich durch die Krise zu führen, täglich Erstgespräche geführt, uns die Sorgen und Nöte angehört und bei der Antragstellung geholfen. Wie ich heute erst weiß, sechs Wochen lang vergeblich, da die Politik ihre Hilfezusagen nicht eingehalten hat.

Wann hat das BMWi oder BAFA dich oder deine Mandanten persönlich über den Stopp informiert?

Bis heute gab es keine Information an die Antragsteller oder Berater, auch nicht was mit den gestellten Anträgen passiert, welche vielleicht noch Hoffnung auf eine Zuteilung haben. Die Verantwortlichen stecken den Kopf in den Sand.

Welche Konsequenzen hat diese Entscheidung für dich und für deine Mandanten? Wie hat sich deren Situation durch die lange Hängepartie verändert?

Meine Mandanten sind niedergeschlagen, teils verzweifelt. Sie haben ihre Hoffnungen auf die Förderung gesetzt und dann wochenlang darauf gewartet, dass die Beratung endlich beginnen kann. Denn die Bewilligung der BAFA ist Voraussetzung für den Start, sonst verliert man den Anspruch auf die Förderung. Den Umgang mit den Beratungs- und Hilfesuchenden finde ich respektlos.

Konsequenzen des BAFA-Stopps

Wie vielen ist denn nun die Förderung bewilligt worden? Konntest du von den anderen welche auf andere BAFA-Programme switchen?

Kein einziger meiner Mandanten hat eine Bewilligung erhalten, obwohl sie erste Anträge schon wenige Tage nach Programmstart gestellt haben.

Einen einzigen Mandanten konnte ich in ein anderes Programm switchen. Die Hürde bei den regulären BAFA-Programmen ist, dass der Mandant die gesamte Beratung vorfinanzieren muss, um dann nachträglich die Förderung zu erhalten. Das ist bei der derzeitigen Liquiditäts-Situation vieler beratungssuchender Unternehmen ein Schritt, den sie sich nicht leisten können.

 

Du hast viel Zeit in die Akquise von Beratungsprojekten gesteckt, die du nun nicht in der angedachten Form realisieren kannst. Musst Du nun selbst Krisenberatung in Anspruch nehmen?

Nein, glücklicherweise nicht. Die normale Gründungsberatung läuft weiter und zusätzlich konnte ich mein Seminarangebot für Gründer digitalisieren und biete nun verschiedene Online-Seminar an, die ich noch weiter ausbauen werde. Nach vielen Überstunden konnte ich jetzt wieder zu einer 5-Tage-Arbeitswoche zurückkehren.

Das BAFA schreibt, dass durch das Programm „zahlreichen KMU geholfen werden kann, individuelle Wege aus der Krise zu finden.“ Wie beurteilst du diese Aussage im Nachhinein?

Es wurde nun durch die Presse bekannt, dass für dieses Programm 15 Millionen zur Verfügung standen. Das bedeutet Budget für 3.750 Anträge. Das ist meiner Meinung nach noch nicht mal ein „Tropfen auf den heißen Stein“ angesichts der großen Zahl an  hilfesuchenden Unternehmen.

 

Was passiert mit den Antragstellern, die noch keine Antwort der BAFA erhalten haben?

Bei den Corona-Anträgen, bei denen es noch keine Inaussichtstellung gegeben hat, wird es auch keine mehr geben. Den Antrag muss man nicht zurückziehen. Die Antragsteller sollen in irgendeiner Form darüber informiert werden. Die BAFA weiß noch nicht, wie und wann das erfolgen wird.

Hier möchte ich noch auf das Medienecho verweisen, dass für sich spricht - wie ich finde:

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