VGSD-Vorstand Andreas Lutz: „Die wirtschaftlich Leidtragenden der Krise dürfen nicht nochmals zu Opfern gemacht werden“
Der Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) wendet sich gegen die Kriminalisierung von Soforthilfe-Empfängern, die die staatliche Unterstützung angeblich zu Unrecht erhalten haben. Im konkreten Fall unterstützt der Verband eine Kosmetikerin, die sich nun in dritter Instanz gegen den Vorwurf des Subventionsbetrugs zur Wehr setzen muss.
Derzeit laufen in Deutschland mehr als 25.000 solcher Ermittlungen gegen Selbstständige, die im Frühjahr 2020 angeblich unberechtigt Corona-Soforthilfe beantragt haben. Bei den Fällen, die dem VGSD vorliegen, sind die Vorwürfe jedoch häufig nicht nachvollziehbar.
Der Verband rechnet damit, dass die Zahl derartiger Verfahren noch ansteigen wird: Viele Bundesländer haben gerade mit der Abrechnung der Soforthilfe begonnen und könnten in der Folge weitere Ermittlungen in die Wege leiten.
Neues Urteil macht Betroffenen Hoffnung
Ein Urteil in Nordrhein-Westfalen macht betroffenen Selbstständigen jetzt Hoffnung: Die Betreiberin zweier Kosmetikstudios wurde in zweiter Instanz freigesprochen. Doch der Rechtsstreit geht weiter.
Zum Hintergrund: Die alleinerziehende Angeklagte machte sich kurz vor der Corona-Krise mit ihren beiden Kosmetikstudios selbstständig, um nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes weiterhin ihre Lebenshaltungskosten und das Studium ihrer Töchter finanzieren zu können. Um die Anlaufkosten zu finanzieren, arbeitete sie nebenher in einer Anstellung. Ihre Selbstständigkeit lief bis zum ersten Lockdown gut an. Den Versprechungen der verantwortlichen Minister und Auskünften ihrer Handwerkskammer folgend, beantragte sie für das Studio Soforthilfe, erhielt diese in einem Fall, um die weiterlaufenden Kosten, insbesondere die Mieten, Neben- und weitere Fixkosten zu decken.
Freispruch in zweiter Instanz
Aus heiterem Himmel erfolgte später die Sperrung ihrer Konten, ohne Vorwarnung. Der Vorwurf: Es habe keine hauptberufliche Selbstständigkeit vorgelegen, die Soforthilfe sei mehrfach beantragt worden – und statt einem Geschäftskonto und der Firmenadresse seien Privatkonto und -adresse angegeben worden. Es folgte die Anklage wegen zweifachen Subventionsbetrugs. Das Amtsgericht Solingen schloss sich in einer nur halbstündigen Verhandlung den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft an und verurteilte die Betroffene zur Rückzahlung von 9.000 Euro Soforthilfe sowie zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro.
Das reichte der Staatsanwaltschaft jedoch nicht, sie forderte die Höchststrafe von 200 Tagessätzen à 100 Euro oder fünf Jahre Gefängnis. Es ging in Berufung. Das Landgericht Wuppertal kam in zweiter Instanz dann zum entgegengesetzten Urteil: Freispruch erster Klasse, keine Geldstrafe, keine Rückzahlung der Soforthilfe.
Wieder legte die Staatsanwaltschaft Revision ein, der Streit geht nun in die dritte Runde. Dass dieser Fall ungewöhnlich schnell behandelt wird, liegt vermutlich am besonderen Engagement der Tochter der Betroffenen.
VGSD unterstützt bei dritter Instanz
Der VGSD beteiligt sich mit 3.000 Euro an den Anwaltskosten. „Die wirtschaftlich Leidtragenden der Corona-Krise dürfen nicht nochmal zu Opfern gemacht und kriminalisiert werden“, sagt VGSD-Vorstand Andreas Lutz. „Weil ein Urteil in dritter Instanz weitreichende Bedeutung auch für viele andere Betroffene haben wird, engagieren wir uns in diesem Fall und hoffen doch sehr auf einen Freispruch.“
Der Fall der Kosmetikstudio-Betreiberin ist der zweite Fall während der Pandemie, an dem sich der VGSD finanziell beteiligt. Der Verband unterstützt auch Veranstaltungsprofi Dany Rau, der um eine faire Entschädigung für seine Einnahmeausfälle aufgrund des pandemiebedingten Berufsverbots kämpft und hierfür in elf Bundesländern Prozesse führen muss.
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