Weniger als drei Monate bis zur Bundestagswahl – Zeit, nach dem politischen Einsatz für Selbstständige zu fragen und unsere Anliegen zu platzieren. In unserem Online-Podium diskutierten vier Fachpolitiker/innen konstruktiv und mit zum Teil interessanten Ideen.
Am 23. Februar 2025 findet die vorgezogene Bundestagswahl statt. Das sind nicht einmal mehr drei Monate, zugleich wurde der Termin erst vor drei Wochen festgelegt. Umso erfreulicher war es, dass wir in dieser kurzen Zeit vier Fachpolitiker/innen aus dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales für unsere digitale Podiumsdiskussion am 5. Dezember gewinnen konnten.
Konstruktive und sachliche Diskussion
An dem Gespräch, das der VGSD gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) organisierte, nahmen teil: Angela Hohmann (SPD), Beate Müller-Gemmeke (Grüne), Jens Teutrine (FDP) und Markus Reichel (CDU), außerdem VGSD-Vorstand und BAGSV-Sprecher Andreas Lutz sowie Marcus Pohl, isdv-Vorstand und ebenfalls BAGSV-Sprecher. Moderiert wurde das Panel von unserem politischen Leiter Jörn Freynick.
Als Ausschussmitglieder sind die vier Abgeordneten mit den Anliegen von Selbstständigen vertrauter als viele andere Akteure im Politikbetrieb. Dies zeigte sich schnell in der Diskussion, die konstruktiv, sachlich und mit viel Expertise geführt wurde. Zwar konnten sich die vier noch nicht auf festgelegte Positionen ihrer Parteien beziehen, da die Wahlprogramme noch geschrieben werden müssen. Gerade deshalb war die Diskussion zu diesem Zeitpunkt wichtig für uns: Wir werden die Parteien nun daran messen, welche Rolle die Selbstständigen in ihren Programmen für die Bundestagswahl spielen werden.
BAGSV-Positionspapier findet viel Beachtung
Unsere erste Frage, die gleich eine ausführliche Erörterung nach sich zog, lautete: " Wann und wie will Ihre Partei Rechtssicherheit für Solo-Selbstständige schaffen? Wie steht Ihre Partei generell zu diesem Thema?"
Dabei zeigte sich, dass unser Positionspapier, das wir im Oktober vorgestellt haben, viel Beachtung gefunden hat. Beate Müller-Gemmeke zeigte sich offen für eine Positivliste von Kriterien statt der bestehenden Handhabung. Zudem sei sie dafür, ein Opt-Out-Modell "auf den Weg zu bekommen" – nicht bezogen auf die Altersvorsorgepflicht, sondern für das Statusfeststellungsverfahren (SFV). Das solle bei "gewissen Volumen" möglich sein, also einkommensabhängig. "Es braucht eine große Lösung", sagte Müller-Gemmeke.
Erster Schritt: Rechtliche Definition von Selbstständigkeit?
Markus Reichel sagte, es sei ein "Grundproblem", dass es keine rechtliche Definition von Selbstständigkeit gebe. Dies sei der erste Schritt, um Rechtssicherheit herzustellen. Reichel lobte dabei ausdrücklich die im BAGSV-Positionspapier vorgeschlagenen Kriterien und Schnellprüfungen sowie die Tatsache, dass sich hier so vielfältige Verbände zusammengefunden haben. Es sei sonst ein Problem der kleinen und mittleren Unternehmen, dass ihre Interessenvertretungen zu zersplittert seien.
Reichel berichtete, er sei selbst selbstständig tätig gewesen, habe schon einmal ein SFV durchlaufen und sehe sich "als Teil der Gruppe". Er kritisierte, dass die aktuelle Fachkräftestrategie die vier Millionen Selbstständigen nicht einmal erwähne und versprach, sich dafür einzusetzen, dass diese darum ergänzt werde. Momentan gebe es eine "Zuweisung des Themas an niemand" und das Arbeitsministerium (BMAS) betrachte "Selbstständigkeit als Betriebsunfall". Dabei seien Selbstständige für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wichtig. Reichel betonte auch, dass der Koalitionsvertrag in seinem Bundesland Sachsen eine Reform des Statusfeststellungsverfahrens einfordere, auch wenn diese auf Bundesebene stattfinden müsse.
Vorschlag: Ansprechpartner im Bundeskanzleramt
SPD-Politikerin Angela Hohmann war kurzfristig für den ausgefallenen Manuel Gava eingesprungen und konnte dem Gespräch auch nicht bis zum Ende beiwohnen. Sie verwies bei der Frage nach der Rechtssicherheit als erstes auf Selbstständige mit geringem Einkommen, von denen viele nicht ausreichend für das Alter abgesichert seien. Sie betonte die aus ihrer Sicht bestehende Notwendigkeit einer Altersvorsorgepflicht, bevor sie sagte, das SFV "verschärft die Situation". Eine Definition der Selbstständigkeit halte sie für "sehr herausfordernd".
Jens Treutrine von der FDP sprach sich entschieden für eine SFV-Reform aus. Es sollten nicht nur Positivkriterien eingeführt werden, sondern die Deutsche Rentenversicherung (DRV) solle auch nicht mehr die SFV durchführen. Zudem solle die Rückverbeitragung, also die Nachzahlung von Beiträgen bei später festgestellter abhängiger Beschäftigung, abgeschafft werden. Das werde "kostenloses Wirtschaftswachstum" bringen.
Um dafür zu sorgen, dass die Anliegen von Selbstständigen gesehen werden, brachte Teutrine einen neuen Vorschlag ein: Es solle ein Ansprechpartner im Bundeskanzleramt eingesetzt werden, zusätzlich in jedem Ministerium einer. Der Ansprechpartner im Bundeskanzleramt solle der verantwortliche Koordinator für die Umsetzung der Anliegen sein.
AVP – aber wie?
Die Idee nahm Beate Müller-Gemmeke auf, ihr sei das Problem eines fehlenden Ansprechpartners gar nicht bewusst gewesen. Sie sehe einen solchen zwar nicht beim Bundeskanzleramt, aber in den drei Ministerien Finanzen, Wirtschaft und Arbeit.
Eine weitere wichtige Frage der Podiumsdiskussion war die Altersvorsorgepflicht (AVP). " Wollen Sie eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige und wie sorgen Sie für faire Beiträge, damit wir uns diese auch leisten können?", hatten wir dazu vorab formuliert.
Alle anwesenden Abgeordneten waren sich einig, dass die AVP nicht für Bestandsselbstständige eingeführt werden solle. Jenseits davon variierten die Positionen. Angela Hohmann hatte schon bei der Frage nach der Rechtssicherheit zum Ausdruck gebracht, dass die AVP für sie das wichtigste Thema ist, wenn es um Selbstständigkeit geht. CDU-Mann Reichel sprach sich für die AVP aus, weil sie einen Schutz vor Altersarmut biete. Er sagte aber, es solle Wahlfreiheit geben, ob die Vorsorge bei der DRV oder mit einem anderweitigen Vorsorgeprodukt getroffen werde. Jens Teutrine sprach sich dezidiert gegen eine Pflicht zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) aus. Die FDP sei offen für eine Pflicht zur Altersvorsorge, nicht für eine GRV-Pflicht.
Wir werden sie an ihren Aussagen messen
Während der fundierten Diskussion verflog die Zeit, so dass Jörn weder alle vorgesehenen Fragen stellen konnte, noch eine größere Anzahl der vielen Fragen aus dem Teilnehmerchat beantwortet werden konnten. Es waren immerhin in der Spitze 170 Teilnehmer/innen dabei – wir freuen uns über dieses rege Interesse! Die von ihnen gestellten Fragen haben wir ausgewertet und nehmen sie mit in unsre weiteren Gespräche mit Stakeholdern und lassen sie in unsere Wahlprüfsteine einfließen, mit denen wir die Wahlprogramme der Parteien abklopfen werden. Denn entscheidend ist jetzt, dass möglichst viele Anliegen von Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmen in den Wahlprogrammen landen.
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