Wie stehen die Parteien, die sich um einen Einzug in den nächsten Bundestag bewerben, zu den für uns Selbständige und Gründer wichtigsten politischen Anliegen?
Im Frühjahr haben unsere Mitglieder 16 Fragen ausgewählt, die wir dann den Parteien geschickt haben. In einer Serie veröffentlichen wir nun jeden Werktag ihre Antworten auf eine dieser Fragen.
Wahlprüfstein Nr. 5: Wie verhindern Sie, dass die große Mehrzahl der Selbstständigen, die vorgesorgt haben und dafür oft laufende Verpflichtungen (z.B. Rentenversicherungen, Immobilienfinanzierungen) eingingen, doppelt belastet bzw. mit enormer Bürokratie/ Rechtsunsicherheit konfrontiert werden?
Was sagen die Parteien dazu?
Um den sozialen Schutz von Selbstständigen zu verbessern, wollen wir eine Altersvorsorgepflicht für alle Selbstständigen einführen, die nicht bereits anderweitig abgesichert sind. Selbstständige sollen zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen insolvenzsicheren und zugriffsgeschützten Vorsorgearten wählen können. Wir werden Lösungen entwickeln, die auf bereits heute selbstständig Tätige Rücksicht nehmen und Selbstständige in der Existenzgründungsphase nicht überfordern. An den berufsständischen Versorgungswerken halten wir fest.
Zunächst mal ist eine Altersvorsorgepflicht für alle nicht anderweitig obligatorisch abgesicherten Selbstständigen sinnvoll, um das Altersarmutsrisiko der Betroffenen und das Risiko für die Gesellschaft, Selbstständige im Alter durch steuerfinanzierte Sozialleistungen versorgen zu müssen, zu verringern. Klar ist aber auch: Langjährige Selbstständige, die bereits durch eigenes Vermögen oder privat vorgesorgt haben, müssen dies auch weiterhin tun können. Sie genießen Vertrauensschutz. Daher soll bei der Einführung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Altersgrenze mit großzügiger Stichtagsregelung gelten, damit noch ein ausreichender Aufbau von Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung möglich ist.
Ehemals Selbständige sind im Alter überproportional bedürftig. Deswegen wollen wir den sozialen Schutz von Selbständigen, die bisher in keinem Alterssicherungssystem abgesichert sind, verbessern. Dazu bringen wir für sie eine gründerfreundlich ausgestaltete Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Weg. Perspektivisch wollen wir eine Erwerbstätigenversicherung. Diese wird nicht von einem Tag auf den anderen eingeführt. Es wird auch nicht zielführend sein, die Personen, die anderweitig auf dem Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert sind und kurz vor der Rente stehen, in das neue System vollständig einzubinden. Die Übergangszeiten werden doppelte Belastungen verhindern und Rechtssicherheit herstellen.
Wir Freie Demokraten wollen maximale Wahlfreiheit für Selbstständige bei der Altersvorsorge. Auch die Form der Vorsorge soll frei wählbar sein. Der Zugang zur gesamten geförderten privaten Altersvorsorge muss dabei künftig für alle Erwerbstätigen offen sein. So verhindern wir auch, dass Personen mit Zickzack-Lebensläufen beim Wechsel in die Selbstständigkeit ihre Direktversicherung oder ihre Riester-Förderung verlieren. Für die Gründungsphase wollen wir Karenzfristen. Dabei halten wir eine Pflicht zur Altersvorsorge wie bei der Krankenversicherung für angemessen. Die Wahlfreiheit soll für alle Selbstständigen ohne obligatorisches Alterssicherungssystem sowie für Selbstständige gelten, die bisher in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.
Das Video zum Wahlprüfstein:
Wie bewertet der VGSD die Antworten der Parteien zum Thema Altersvorsorgepflicht? – Andreas im Video-Interview mit Kathrin von exali.de zu diesem Wahlprüfstein.
Von der AfD haben wir trotz mehrerer Erinnerungen keine Antwort auf diese Frage erhalten.
DIE LINKE spricht sich für den Umbau der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) zu einer Erwerbstätigenversicherung aus. Erwerbstätigenversicherung bedeutet, dass alle Erwerbstätigen (also z. B. Beamt:innen, Selbstständige und Politiker:innen) in die GRV einbezogen werden und entsprechend für alle Erwerbseinkommen Beiträge an die GRV abgeführt werden. Analog wären dann im Ruhestand natürlich auch alle demselben Leistungsrecht unterworfen. Dieses Reformvorhaben ist allerdings ein langwieriger Prozess ist, der nicht mit einem einzelnen Gesetz abgeschlossen werden kann. Die Erwerbstätigenversicherung muss vielmehr über einen längeren Zeitraum realisiert werden, in dem für die neu miteinzubeziehenden Gruppen Übergänge gesichert werden und erworbene Anwartschaften geschützt bleiben (Vertrauensschutz). Doppelte Belastungen und Rechtsunsicherheiten können so vermieden werden.
Wir wollen sicherstellen, dass die freiwillige betriebliche oder private Vorsorge vom Staat honoriert wird. Das bedeutet, dass die Auszahlungen aus diesen Versicherungen nicht etwa zu einer Senkung der Grundsicherung im 26 Prozent aller Selbstständigen und Freiberufler in Deutschland verfügen bislang über keine private Altersvorsorge. Diese Gruppe muss durch das angestrebte Altersvorsorgegesetz in die Lage versetzt werden Vorsorge zu betreiben. Die Mehrheit der Selbstständigen darf hierbei nicht zusätzlich belastet werden. Alle Gesetzesvorhaben müssen sich an der Vorsorgestruktur von Selbstständigen orientieren. Unsere Schwerpunkte liegen neben einer Erweiterung des Schonvermögens eines/einer Antragsteller*in von Hartz IV, welches zur Vermeidung von Altersarmut auf 2.000 Euro pro Lebensjahr ohne Obergrenze angehoben werden, soll insbesondere in der Förderung von selbstgenutztem Wohneigentum. Neben der Wiedereinführung der Eigenheimzulage und der Stärkung von Mietkaufmodellen wollen wir deswegen auch eine Senkung der Grunderwerbskosten für Wohneigentum erreichen. Dazu muss die Grunderwerbssteuer gesenkt werden.
Zukünftige Selbständige und Bestands-Selbständige, die keine Absicherung haben, werden in die bestehende Sozialversicherung integriert. Vorgesehen ist, dass Selbständige grundsätzlich zunächst mit dem hälftigen Betrag (fiktiver Arbeitnehmer*innenanteil, basierend auf der Stundenvergütung bzw. dem steuerpflichtigen Einkommen) in die Rentenversicherung und die Arbeitslosenversicherung einzahlen. Darüber hinaus wird in der Umsetzung der Maßnahmen geprüft, ob für Existenzgründer*innen, etwa während der ersten fünf Jahre ihrer Tätigkeit, eine Aufstockung der Beiträge (fiktiver Arbeitgeberanteil) aus Steuermitteln umsetzbar wäre. Jede*r Selbständige kann während oder zum Ende der Existenzgründungsphase entscheiden, ob eine aufstockende private Alterssicherung und Arbeitslosenversicherung abgeschlossen wird oder ob der Beitrag zur gesetzlichen Sozialversicherung um mindestens den fiktiven Arbeitgeberanteil aufgestockt wird. Für Bestands-Selbständige, die noch keine Absicherung haben, gilt eine Übergangsfrist analog zur Existenzgründer*innen-Regelung. Die Kriterien für zugelassene Altersvorsorge- Konzepte werden im Einzelnen noch erarbeitet, ETF-basierte Altersvorsorge wird aber enthalten sein. Auch die Möglichkeit der Errichtung eines Vorsorgefonds für Selbständige soll im Zuge der Umsetzung unserer Maßnahmen geprüft werden.
Durch die Zusammenlegung unterschiedlicher Rentensysteme kann es durchaus in Einzelfällen zu zusätzlichen Belastungen kommen. Mittelfristig bietet eine solche Struktur aber auch Stabilität und Planungssicherheit gerade auch für Selbstständige die auf diesem Weg auch sicher sein können das sie nicht zwischen einem Investment und der Absicherung der Familie im Alter wählen müssen.
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