Spiegel, Focus und Financial Times erklären bereits das Aus für die geplante Zwangsrente. Was ist wirklich dran? Ich halte das Folgende für die wahrscheinlichste Interpretation der Geschehnisse:
- Die Machbarkeitsstudie von McKinsey, die im Mai mit Termin für Ende Juni beauftragt wurde verzögert sich und wird erst im September vorliegen. Diese will das Ministerium in jedem Fall erst einmal abwarten.
- Es gibt erhebliche rechtliche Probleme bei der Umsetzung der Vorstellungen, insbesondere in Hinblick auf die Anerkennung von Immobilien als Altersvorsorge
- Der Anstoß für die Berichterstattung scheint ein Gespräch mit dem rentenpolitischen Sprecher der FDP, Dr. Heinrich Kolb zu sein, der an den Gesprächen mit der Ministerin beteiligt war. Die FTD zitiert ihn mit den Worten: “Es ist noch ein Stück Weg hin, bis man gesetzgeberisch tätig werden kann.” Allerdings ist Kolb gerade in Urlaub.
- Am 13. September wird die FDP einen Fraktionskongress zu dem Thema abhalten. (Tim und ich sind als Teilnehmer eingeladen sind. Für uns wurde keine Redezeit vorgesehen, aber Wortmeldungen sind möglich.)
- Erst dann beginnen die Verhandlungen zwischen den Regierungsfraktionen. Das Ganze zieht sich also noch länger hin.
- Die politische Diskussion der letzten Tage (Rösler vs. von der Leyen) hat gezeigt, dass das Klima zwischen CDU und FDP rauer wird.
Aus diesen Informationen hat die FTD die Schlußfolgerung gezogen, dass der Gesetzesentwurf erst nächstes Jahres vorliegen wird und es dann wahrscheinlich in Hinblick auf den beginnenden Wahlkampf zu spät sein könnte, ein so strittiges Gesetz noch zu beschließen.
Das ist so plausibel, dass Spiegel und Focus das Thema aufgegriffen haben und noch etwas drauf gesattelt haben. Aus “Zwangsrente droht das Aus” wurde beim Spiegel “steht vor dem Aus” und beim Focus “vor dem Scheitern”.
Oder handelt es sich um ein typisches Phänomen des Sommerlochs?
Die Informationen sind uns im Grunde alle schon bekannt gewesen, auch die Verzögerung der Machbarkeitsstudie. Ministerin von der Leyen schien davon nicht beeindruckt zu sein.
Das Ganze könnte also auch ein Sommerloch-Phänomen sein. Andererseits sagt mir meine Erfahrung, dass Berichten dieser Art in diesen Medien doch in aller Regel eine gezielte Information zugrunde liegt. Es gehört zur journalistischen Sorgfaltspflicht, dass die Journalisten den Kern der Information durch Rückfrage überprüfen (was allerdings in der Sommerpause schwer ist, weil die Ansprechpartner nicht erreichbar sind, so kann es leicht zu Missverständnissen kommen).
Das Minsterium hat gegenüber dem Spiegel dementiert. Ursula von der Leyen ist weiter fest entschlossen, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode durchzusetzen, heißt es. “Es war, ist und bleibt das Ziel, dieses Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen”, teilte laut Spiegel eine Sprecherin des BMAS mit. Allerdings sei die Abgabe kein integraler Bestandteil des kürzlich vorgelegten Gesetzespakets zur Zuschussrente. “Beide Reformteile laufen parallel, aber nicht synchron.” Das Handelsblatt berichtet folgendes: “Von der Leyen wehrt sich gestern gegen den Eindruck, diese Reform liege schon auf Eis – sie deutete aber an, dass sie es damit nicht so eilig hat wie mit der Zuschussrente für Arbeitnehmer: Das Vorhaben sei ‘komplex, anspruchsvoll’ und ‘kein integraler Bestandteil’ des Zuschussrentenpakets.”
Die weiteren in den Artikeln von Dr. Kolb zitierten Äußerungen, deuten darauf hin, dass er weiterhin klar hinter dem Grundanliegen des Gesetzes steht. Ein zwingendes Commitment dazu, es unter allen Umständen in dieser Legislaturperiode umzusetzen, sind sie aber – so meine persönliche Lesweise – nicht. Ich will die wenigen Zitate aber auch nicht überinterpretieren. Immerhin: Das Gesetz ist in der FDP sehr umstritten und dürfte als Wahlkampfthema in der Zielgruppe der Selbstständigen mit großen Risiken verbunden sein.
Vielleicht ist durch erste Zwischenergebnisse der Machbarkeitsstudie deutlich geworden, dass der rechtliche und bürokratische Aufwand der Regelung enorm sein wird. Das ist ja eines unserer Hauptargumente, die prinzipiell gegen das Gesetz sprechen. Tim ist nicht müde geworden, gerade diesen Punkt immer wieder zu wiederholen. Gut ist auch, dass über das Gesetzesvorhaben erneut und von einem anderen Blickwinkel aus in den Medien berichtet wird.
Fazit: Wir haben realistische Chancen das Gesetz zu verhindern, wenn wir weiter den Druck aufrecht erhalten!
Chamapgnerkorken sollten wir noch nicht knallen lassen. Einen wichtigen Zwischenerfolg haben wir aber auf jeden Fall erzielt.
Alle Aussagen deuten darauf hin, dass weiter an dem Gesetzesentwurf gearbeitet wird. Wenn wir inhaltlich darauf Einfluss nehmen und sinnvolle Verbesserungen erreichen möchten, dann ist jetzt die richtige Zeit dafür. Wir müssen weiter beharrlich unsere sachlichen Argumente vortragen und mit Aktionen gegen das Gesetz mobilisieren. Es bestehen zudem realistische Chancen, dass das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr beschlossen wird und damit unter Umständen gar nicht zustande kommt.
Andererseits entstehen neue Gefahren. Darauf deutet die Forderung von Bert Rürup (laut Handelsblatt) hin, der eine Pflichtversicherung für Selbstständige in der gesetzlichen Rentenversicherung fordert. Das würde möglicherweise eine noch höhere finanzielle Belastung und schlechtere Rendite für viele Selbstständige bedeuten. Wir müssen also unbedingt am Ball bleiben und dürfen in unserer Aufmerksamkeit nicht nachlassen!
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