Rentenberater/innen sind selbstständig und arbeiten mit Leidenschaft: Einer der Eindrücke, die Vorstand Andreas Lutz von den Rentenberatertagen mitbrachte. Er selbst sprach über die Altersvorsorgepflicht – und lernte aus einem anderen Vortrag viel für die eRechnung.
Der Bundesverband der Rentenberater ist schon seit vielen Jahren Mitglied der BAGSV. Jedes Jahr veranstaltet er die Rentenberatertage, eine zweitägige Veranstaltung mit anspruchsvollen Fachvorträgen. Dieses Jahr war Andreas Lutz vom VGSD zu Gast und hielt zugleich den Abschluss-Vortrag über die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige unter dem Titel: "Kommt sie, soll sie kommen und wenn ja, wie?"
Inhaltsübersicht
- "Rentenpapst" über Grundrente: "Tiefpunkt der Gesetzgebungskunst"
- Vorträge zur Altersvorsorgepflicht von Professor Felipe Temming und Andreas Lutz
- Was man aus dem "elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten" für die eRechnung lernen kann
- Aktuelles von der Rentenversicherung: Immer mehr Rentner
- Sozialpartnermodell der betrieblichen Altersvorsorge: Selbstständige müssen draußen bleiben
- Nach dem Rentenberatertag ist vor dem Sozialrechtstag
Den Eröffnungsvortrag hielt der "Rentenpapst" Professor Franz Ruland (Wikipedia), ehemaliger Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), dem Vorgänger der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund. Das ehemalige SPD-Mitglied hatte 2014 aus Protest gegen deren Rentenpolitik seinen Austritt aus der Partei erklärt. Die "Rente mit 63" hält er für einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes, weil deren Bezieher ihre typischerweise deutlich höheren Renten auch noch länger beziehen würden als Versicherte mit kürzeren Beitragszeiten und Renten. Zudem verschärfe die Rente mit 63 den Fachkräftemangel massiv.
Als "Tiefpunkt der Gesetzgebungskunst" aber sieht der 80-Jährige die Grundrente, mit der die Rentenansprüche langjährig Versicherter hochgewertet werden. Davon profitierten mitnichten nur die von Hubertus Heil in den Vordergrund gestellten hart arbeitenden Menschen, die ein Leben in Vollzeit gearbeitet hätten und trotzdem nur wenig Rente bezögen. Eher im Gegenteil, so Ruland.
"Eher legt der Hund einen Wurstvorrat an ..."
Seine jahrzehntelange Erfahrung mit "der Politik" fasst er mit einem Zitat des Wirtschaftswissenschaftlers Joseph Schumpeter so zusammen: "Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve."
Immer wieder hätten die Verantwortlichen die Rentenversicherung als Weg genutzt, teure Wahlversprechen zu finanzieren – auf Kosten der Beitragszahler und künftiger Generationen, kritisiert er. Sein Vortrag beginnt mit der Wiedervereinigung. Die Sozialunion sei hauptsächlich von den Beitrags- statt Steuerzahlern finanziert worden und laste schwer auf der Rentenversicherung.
Das Erfolgsgeheimnis der österreichischen Rentenversicherung
Die Frühverrentung als Reaktion auf hohe Arbeitslosenzahlen nach dem Wiedervereinigungsboom sei eine weitere folgenschwere Fehlentscheidung gewesen. Der Beitragssatz zur Rentenversicherung sei deshalb in der Folge von 17,3 auf 20,3 Prozent gestiegen. Die Mütterrente, ein CSU-Anliegen, das Andrea Nahles umsetzte, koste hochgerechnet mehr als 110 Milliarden Euro, während zur Bekämpfung von Kinderarmut das Geld fehle.
Einen meinungsstärkeren Eröffnungsredner könnte man sich wohl kaum wünschen. Nebenbei lüftete Ruland das Geheimnis, warum die Österreicher bei vergleichbarer Beitragslast höhere Renten zahlen können: Die Mindest-Einzahldauer, um einen Rentenanspruch zu erwerben, beträgt dort nicht fünf, sondern 15 Jahre. Wer kürzer einzahlt, geht leer aus.
Einbeziehung Selbstständiger: Minus-Geschäft für die Rentenversicherung
Was also tun? "Wir kommen nicht an einer Bindung der Altersgrenze an die Lebenserwartung vorbei" lautet seine zentrale, zwar nicht originelle, aber unter mathematisch denkenden Menschen alternativlose Antwort.
Die Einbeziehung von Selbstständigen in die Rentenversicherung sieht er kritisch. Wegen deren hoher Lebenserwartung und aufgrund der in Zukunft wohl oft per Grundrente aufzuwertenden Renten könnte die Einbeziehung eher eine Belastung für die Rentenversicherung werden, fürchtet er.
Mit dem Thema Altersvorsorgepflicht für Selbstständige endete auch der Rentenberatertag. Ich teilte einen längeren Vortragsslot mit Professor Felipe Temming von der Universität Hannover. Zuerst ging dieser auf die rechtliche Situation ein und machte Vorschläge für eine Einbeziehung der Selbstständigen, anschließend durfte ich die Perspektive der Betroffenen darstellen.
Temming ist ebenso wie Professor Daniel Ulber, über dessen Rechtsgutachten zur Altersvorsorgepflicht im "Haus der Selbstständigen" ich ausführlich berichtet habe, akademischer Schüler von Professor Ulrich Preis von der Universität Köln. Von daher überraschte es nicht, dass er sich dezidiert für eine Einbeziehung der Selbstständigen aussprach, auch der jetzt bereits Selbstständigen.
Temming wies auf die auch von Ulber zitierten Aussagen über die angeblich prekäre Altersvorsorge von Selbstständigen hin und auf den Flickenteppich an Regelungen, die eine Rentenversicherungspflicht für einzelne Berufe vorschreibt, für arbeitnehmerähnlich Selbstständige (die mehr als 5/6 des Jahresumsatzes mit einem Kunden erzielen), die KSK und die berufsständischen Versorgungswerke. Dies alles gelte es durch ein mutiges neues Gesetz zu vereinheitlichen.
Tatsächlich ein weiterer Flicken auf all die vorhandenen
Ich erklärte in meinem Vortrag, dass der Gesetzgeber mit der Altersvorsorgepflicht auf die vorhandenen Flicken einen weiteren daraufsetze und keineswegs eine Vereinheitlichung anstrebe, die ja bedeuten würde, dass auch selbstständige Lehrer/innen, Kindertagespflegepersonen, Künstler/innen und die gerade erwähnten Teilgruppen künftig einer einheitlichen Altersvorsorgepflicht unterliegen würden – mit der Möglichkeit eines Opt-outs.
Auch zeigte ich zu den immer wieder zitierten und einseitig interpretierten Studien über die Altersvorsorge von Selbstständigen auf, wo jeweils der Denkfehler liegt. Im Hinblick auf den angeblich höheren Anteil von Selbstständigen unter den Grundsicherungsempfängern zum Beispiel muss man dazusagen, dass es sich um zuletzt – vor Eintritt ins Rentenalter – Selbstständige handelt, nicht um solche mit einer längeren Erwerbsbiografie als Selbstständige. Viele Angestellte mit problematischer Erwerbsbiografie wurden aber durch die Ich-AG kurz vor Renteneintritt in die Selbstständigkeit gebracht. Dies alles habe ich an anderer Stelle ausführlicher beschrieben.
Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung der AVP
Im Hinblick auf die Frage, ob denn die Altersvorsorgepflicht eingeführt werden sollte, erinnerte ich daran, dass sie laut Koalitionsvertrag nur für "neue" Selbstständige gelten, mit einem "einfachen und unbürokratischen" Opt-out versehen und mit einer Karenzzeit von zwei Jahren nach jeder Gründung ausgestaltet sein soll – und erklärte diese Entscheidungen der Ampelkoalition. Teil des Deals, wie wir in verstehen, sei aber zum einen auch ein rechtssicheres Statusfeststellungsverfahren, damit Bestandsselbstständige nicht einfach zu abhängig Beschäftigten erklärt und die Intention des Koalitionsvertrags so umgangen würden. Sowie andererseits eine faire Beitragsbemessung in allen Zweigen der Sozialversicherung. Eine Angleichung von Bemessungsgrundlagen und Mindestbeiträgen an die von Angestellten und ihrer Arbeitgeber sei zusammen mit einem rechtssicheren Statusfeststellungsverfahren der Schlüssel zu einer erfolgreichen AVP-Einführung.
Besser Win-win statt Lose-lose: Zusammenfassend stellte ich die möglichen Mehreinnahmen von GKV, DRV und Fiskus dar, die bei Erfüllung dieser Voraussetzungen mit der AVP erzielbar wären. Ganz abgesehen von dem kostenlosen Konjunkturprogramm, das eine höhere Rechtssicherheit für die deutsche Wirtschaft bedeuten würde.
Wie kommt die AVP – und wann?
Ich stellte diese Wünsche den voraussichtlichen Inhalten des AVP-Referentenentwurfs gegenüber, über die ich an anderer Stelle bereits spekuliert habe. So wies ich zum Beispiel darauf hin, dass die AVP zwar mit der angeblichen Prekarität von Soloselbstständigen begründet wird, aber auch für die Arbeitgeber unter uns gelten wird, was viele von diesen noch gar nicht realisiert haben. Oder dass das Privileg eines sozialversicherungsfreien selbstständigen Zuverdienstes mit der AVP wohl wegfallen wird, mindestens für Angestellte, womöglich auch für Beamte.
Auch die schon seit Längerem erkennbaren Versuche, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Opt-out-Möglichkeit und den Schutz der Bestandsselbstständigen auszuhöhlen sprach ich natürlich an – und auch die zeitliche Perspektive für die Umsetzung: Anders als beim Statusfeststellungsverfahren ist der DRV eine umfassende Digitalisierung wichtig: Ein Datenaustausch zwischen ihr, den Selbstständigen, ihren Finanzämtern und Anbietern von Opt-outs. Meines Erachtens ist allein aus diesem Grund ein Inkrafttreten vor 2026 nicht realistisch.
Präsentation zur Altersvorsorgepflicht
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Was man aus dem "elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten" für die eRechnung lernen kann
Nach obenAuch der Vortrag von Andreas Heilek, Richter am Sozialgericht Nürnberg und für die Digitalisierung des Rechtsverkehrs in Bayern verantwortlich, hatte es in sich. Zwar betrifft das Thema nur einen Teil von euch direkt, gibt aber einen Eindruck davon, in was für ein bürokratisches Monstrum sich das Thema eRechnung entwickeln könnte, wenn wir nicht genau aufpassen.
Auch hier gab es eine Arbeitsteilung unter den Referenten: Heilek stellte die rechtlichen Anforderungen vor. Im Anschluss präsentierte Thomas Miller von der Firma Logo Datensysteme GmbH dann die kostenpflichtige Zugangssoftware, mit der man diese Anforderungen erfüllen kann.
Seit Anfang 2022 dürfen unter anderem Anwälte, Steuerberater und Notare nur noch elektronisch mit Gerichten kommunizieren, ab 2026 gilt das dann auch für Verbände, Vereine, Gewerkschaften, Rentenberater und "sonstige professionelle Prozessbeteiligte". Bürger, Arbeitgeber, Ärzte, Dolmetscher und Sachverständige dürfen weiterhin auf herkömmliche Weise kommunizieren. Ausgenommen sind von der e-Pflicht interessanterweise die Gerichte selbst, sie müssen sich an die eigenen Standards nicht halten und es komme häufig vor, so Heilek, dass man vom Gericht die Antwort nach wie vor auf dem Postweg erhalte.
Beispiel: 85 Prozent des Schriftverkehrs schon elektronisch
Der Papieranteil am Posteingang beim Sozialgericht Nürnberg hat auf jeden Fall schon stark abgenommen. Betrug er im Januar 2021 noch 37 Prozent, sank er im Januar 2022 auf 21 Prozent und liegt aktuell bei 15 Prozent. Einen dicken Daumen nach oben zeigt seine Folie, mit der er ein Zwischenfazit nach eineinhalb Jahren Nutzungspflicht zieht: Die eingehenden Dokumente werden automatisch dem angegebenen Aktenzeichen zugeordnet, die Dokumente sind viel besser lesbar als eingescannte Papierdokumente oder gar Faxe, es gab wenig Ausfallzeiten, die Reaktionsgeschwindigkeit hat zugenommen. Die Teilnehmer erhalten ein elektronisches "Empfangsbekenntnis", so heißt die Eingangsbestätigung im Juristendeutsch. Und: Bei Gerichten und anderen angeschlossenen Behörden ist in größerem Umfang Homeoffice möglich.
Dafür gilt es einiges zu beachten, angefangen mit den Dateinamen. Der darf nur noch 90 Zeichen (inklusive Dateiendung!) lang sein, nur Ziffern und Buchstaben des deutschen Alphabets (einschließlich Umlaute und "ß") enthalten sowie Unterstrich und Minus. Die für Aktenzeichen typischen Schrägstriche sind ebenso wenig erlaubt wie Leerzeichen.
Nicht mehr möglich, auf Postweg, per Fax oder E-Mail Unterlagen einzureichen
Unterlagen auf dem Postweg, per Fax oder E-Mail an Gerichte zu schicken ist für die genannten Gruppen künftig unzulässig, selbst von der Übergabe während eines Prozesstermins sei eher abzuraten, sie könne verweigert werden. Anwälte, Steuerberater und Notare verfügen schon über elektronische Postfächer (namens beA, BeST und beN), auch Behörden (beBPr). Daneben gibt es ein elektronisches Gerichts- und Verwaltungsposftfach (EGVP), das aber den Versand mit einer qualifizierten elektronischen Signatur erfordert.
Was machen Bürger und Organisationen, also beispielsweise Rentenberater oder Vereine? Sie können ein "eBO" einrichten, wenn sie über die nötige Software verfügen (siehe unten). Alternativ soll künftig ein Versand mit Bund-ID funktionieren. Das ist aber eingeschränkt praktikabel, weil dann ein/e Rentenberater/in oder ein Verbandsvorstand jedes Schriftstück persönlich versenden müsste und diese Aufgabe nicht an eine/n Mitarbeiter/in delegieren könnte. Außerdem ist mit der Bund-ID die im Ausweis stehende Privatadresse verknüpft, nicht die der Kanzlei oder des Verbands.
Keine Bagatell-Regelung, auf Willkür der Behörden angewiesen
Ein alternativer Ausführungsweg ist theoretisch die DE-Mail, aber nur wenn man die kostenpflichtige Versandart "persönlicher und vertraulicher Versand" wählt. Nicht teuer, aber die Technologie war nie erfolgreich und wird im August nächsten Jahres eingestellt!
Was bedeutet das in der Praxis, wenn zum Beispiel ein Verein wie unserer etwa im Rahmen der Scheidung eines Mitarbeiters vom zuständigen Gericht aufgefordert wird, hierfür nötige Unterlagen einzusenden? Heilek antwortet, in diesem Fall sei der Verein ja kein Prozessbeteiligter und das Gericht wolle die Information ja, von daher sei es wahrscheinlich kooperativ, könnte die auf herkömmliche Art und Weise zugesendete Information aber auch ignorieren, das bestimme es selbst. Das bedeutet: Es gibt keine Bagatellgrenzen, wenn man beispielsweise nur alle fünf Jahre einem Gericht eine Information zukommen lassen muss. Man ist dann auf das Wohlwollen und damit die Willkür des Gerichts angewiesen, wenn man nicht einen Anwalt engagieren möchte, um eine solche Unterlage an das Gericht zu senden, und auch keine eBO-Software abonnieren möchte. Heilek: "Das ist so, ich kann es nicht ändern."
eBO-Software sinnvoll zur Kommunikation mit Gerichten und Behörden
Thomas Müller erklärt im Anschluss "eBO connect", ein verbreitetes und mit brutto 414 Euro pro Jahr vergleichsweise preisgünstiges Softwareabo, mittels dessen man per eBO kommunizieren kann. Die Desktop-Anwendung setzt Windows voraus. Mac-Nutzer müssen ein zusätzliches Softwareabo abschließen, um auf ihrem Computer Windows nachbilden zu können.
Die Oberfläche ähnelt einem E-Mail-Programm mit Posteingang und -ausgang. Anstelle von Mails mit Anhängen besteht jeder Kommunikationsvorgang aus mehreren PDFs, einer Reihe zusätzlich auszufüllenden Feldern (z.B. Aktenzeichen, Sachgebiet, Instanzbehörde) und einer XML-Datei, die diese Informationen enthält. Die XML-Datei ist in der Software nicht direkt lesbar, sondern muss heruntergeladen und dann mit einem externen XML-Reader gelesen werden, wobei sie in kryptischer Form dargestellt wird. Man kann eine Zusatznachricht an den Empfänger eingeben, davon solle man aber absehen, raten Heilek und Müller, denn sie führe einfach dazu, dass ein weiteres PDF generiert und mit übertragen wird – zusätzlich zum PDF-Anschreiben, das erwartet wird.
Elektronischer Rechtsverkehr ist kein Begriff, sondern ein Netzwerk
eBO sei nun Mitglied des ERV (Elektronischer Rechtsverkehr) – ebenso wie beA, beN und beBPo (siehe oben) könne man über dieses Netzwerk 638 Arbeitsgerichte sowie 448 Landes- und Bundesgerichte sowie diverse andere öffentliche Stellen erreichen. "ERV" ist also mehr als nur ein Begriff für den elektronischen Datenaustausch, sondern ein elektronisches Netzwerk, über das man bei den Empfängern Dateien hochladen und von ihnen Antworten erhalten kann.
Zumindest, wenn nicht gerade Wartungsarbeiten an der ERV-Infrastruktur vorgenommen werden, Postfach-Zertifikate von Behörden abgelaufen sind, von den Gerichten und Behörden Softwareupdates durchgeführt werden oder das Netzwerk durch Cyberangriffe lahmgelegt ist. Für all diese Beispiele führt Heilek Beispiele auf. Entsprechend ist die Frage der Fristeinhaltung im Falle solcher Störungen anschließend ein wichtiges Diskussionsthema. Tipp: Immer Screenshot der Fehlermeldung ablegen und mitschicken, wenn das System wieder funktioniert!
Künftig drei Programme zur Kommunikation nebeneinander?
Eine Kommunikation der an eBO oder ERV angeschlossenen Bürger und Organisationen untereinander ist übrigens nicht möglich. Ein Mandant oder ein Rentenberater kann also keine Unterlagen an einen anderen Rentenberater weiterleiten. Aber auch eine Weiterleitung von Unterlagen an Mandaten per E-Mail setzt voraus, dass man die PDFs aus dem System herunterlädt, ablegt und dann mit einem E-Mail-Programm versendet.
Heißt das, dass ein Rentenberater oder Steuerberater künftig ein Programm zur Kommunikation mit Gerichten und Behörden nutzen muss, ein anderes zum Empfang und Versand von Rechnungen (die ab 2025 von Selbstständigen als eRechnung entgegengenommen werden müssen) und ein drittes Programm für den normalen E-Mail-Verkehr? – "Ja" ist die Antwort des Software-Experten!
Du bist nicht vom Thema ERV betroffen? Dann sind es bei dir nur die Systeme für eRechnung und Mail. Es sei denn, staatliche Stellen überlegen sich weitere Insellösungen oder Zugangsbarrieren für die Kommunikation mit ihnen, was nicht auszuschließen ist.
Ebenfalls um das Thema Behördenkommunikation ging es auch beim Vortrag von Dana Matlok von der Deutschen Rentenversicherung Bund mit dem Titel "Aktuelles aus der Rentenversicherung". Sie wies darauf hin, dass die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge nicht nur schon jetzt zu deutlicher Mehrarbeit bei der Sachbearbeitung, etwa von Rentenanträgen führte, sondern zugleich dieselbe Generation ja auch bei der Rentenversicherung in Rente ginge, also immer mehr Arbeit von weniger Mitarbeitern zu stemmen sei. (Ich griff in meinem (späteren) Vortrag über die Altersvorsorgepflicht diesen Punkt auf: Die DRV hatte sich selbst gegen die Einbeziehung von Bestandsselbstständigen in die AVP gewehrt, wegen der millionenfach nötigen Einzelfallprüfung, die mit enormem zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden wäre.)
Angesichts der beschriebenen Situation komme deshalb der Automatisierung eine wichtige Rolle zu, viele Schriftwechsel würden gar nicht mehr von Menschen bearbeitet. So sei es gelungen, die Bearbeitungszeit für Anträge auf Erwerblosenrenten von 200 auf aktuell 140 Tage zu reduzieren und die für Altersrenten bei 60 Tagen konstant zu halten. (Auffällig sei übrigens, dass sich immer mehr Bürger freiwillig versicherten, zuletzt gab es hier einen Zuwachs von 30 Prozent.)
Erreichbarkeit ist großes Diskussionsthema
Für heftige Diskussionen sorgte ihr Hinweis darauf, dass nun eine Art Callcenter und nicht mehr die zuständigen Sachbearbeiter/innen direkt Anrufe von Bürgern (und Rentenberatern!) entgegen nehmen würden. Das führt dazu, dass die Sachbearbeitenden nicht ständig aus der Arbeit gerissen würden und sich besser auf ihre Fälle konzentrieren könnten. Allerdings auch dazu, dass man als Anrufer vielleicht 45 Minuten warten muss und dann mit jemand zu tun hat, der bei den meist vertrackten Fällen nicht weiterhelfen kann, so die Zuhörer/innen. Und längst nicht jeder DRV-Mitarbeiter rufe in einem solchen Fall zurück, das unterscheide sich aber stark je nach Niederlassung. (Es klingt mehrfach heraus, dass die Qualität der Beratung sehr stark von den Vorgesetzten vor Ort abhängt.)
Matlok nimmt die Idee mit, ein eigenes Telefon-Team für Rentenberater einzurichten, so dass diese nicht ganz so lange auf einen Gesprächspartner warten müssten und lösungsorientiertere Antworten erhalten würden.
Es zeigt sich in dieser und anderen Diskussionen, dass Rentenberater von der Rentenversicherung für ihre Sachkenntnis und die Lösung kniffliger Probleme geschätzt werden, sie also der Versicherung Arbeit abnehmen. Zugleich sind die Rentenberater auf einen wohlwollenden Informationsaustausch und Umgang miteinander angewiesen. Man begegnet sich mit großem Respekt, es fehlt aber angesichts der Beschäftigung mit vielen schwierigen Fällen auch nicht an Kritik.
"Rentenberater, weil ich den Menschen helfen wollte"
In einer Pause frage ich, ob es viele Rentenberater gäbe, die zuvor bei der Rentenversicherung angestellt waren. "Ja, ich bin so ein Fall" antwortet ein Gesprächspartner. "Ich wurde dann aber Rentenberater, weil ich den Menschen helfen wollte." Die Berater bei der Deutschen Rentenversicherung hätten dafür nicht immer die Rahmenbedingungen, obwohl sie über einen großen Informationsvorsprung verfügen, welchen sie je nach Umständen nicht im Sinne des Versicherten nutzten. Das ist auch der Grund, warum spätestens bei der Beantragung der Rente und der Planung der Rentenphase ein Rentenberater unverzichtbar sei. Viele Rentenbescheide enthielten Fehler ...
Sozialpartnermodell der betrieblichen Altersvorsorge: Selbstständige müssen draußen bleiben
Nach obenDen Vortrag über das neue "Sozialpartnermodell" in der betrieblichen Altersvorsorge, über das wir bereits auf unserer Website berichtet haben, will ich dagegen nicht verpassen. Michael Mostert, ehemaliger Funktionär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, erläutert den zehnjährigen Kampf für diese neue Form der betrieblichen Altersvorsorge, die ohne Garantie der eingezahlten Beiträge auskommt und damit eine deutlich höhere Rendite verspricht. Hinzu kommt, dass die Lebenserwartung, der Rechnungszins und Auszahlungen anders kalkuliert werden, so dass auch aus diesen Gründen höhere Renten herauskommen.
Allerdings nicht für Selbstständige, denn das Sozialpartnermodell ist beschränkt auf tarifgebundene und somit größere Unternehmen. Auf meinen Hinweis, man dürfe doch nicht ständig beklagen, Selbstständige täten nicht genug für ihr Alter, um sie dann von neuen Formen der Altersvorsorge auszuschließen, antwortet er mit echtem, sicher nicht böse gemeintem Unverständnis: "Aber das steht doch schon im Namen, dass das nur für Sozialpartner ist". Wer vorher tariflich beschäftigt war und eine solche Altersvorsorge abgeschlossen hat, könne sie zudem als Selbstständige/r weiter bedienen. Allerdings ohne die steuerlichen Vorteile und die Vorteile in Bezug auf die Sozialversicherungsbeiträge, ergänze ich.
Spannend, kurzweilig, humorvoll und lehrreich
Eine Rentenberaterin, mit der ich mich in einer Pause über das Thema unterhalte, meint: "Viel zu kompliziert, unflexibel und teuer. Wenn ein Altersvorsorge-Depot für Selbstständige kommt, würde ich lieber das nehmen." Und auch wenn keines kommt, würde sie lieber direkt in ETF und Investmentfonds anlegen als in eine teure Versicherung, erklärt sie weiter.
Ich hätte mir die Vorträge und Gespräche auf einem Rentenberatertag tatsächlich sehr viel trockener vorgestellt. Statt dessen habe ich viele spannende, kurzweilige und humorvolle Gespräche geführt und meine Gesprächspartner/innen durchweg als sehr kompetent erlebt und viel dazugelernt. Kein Wunder, dass sie mir sympathisch sind: Rentenberater sind in aller Regel selbstständig und machen ihren Job spürbar aus Leidenschaft.
Am 5. und 6. Oktober findet in Düsseldorf die Bundestagung 2023 des Deutschen Sozialrechtsverbandes statt. Thema: "Soziale Sicherung Selbstständiger". Gundula Roßbach, die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung wird den Vortrag "Obligatorische Absicherung von Selbstständigen – konsequent digital" halten, der für die Einführung zuständige BMAS-Staatssekretär Rolf Schmachtenberg über "Die Einführung der Altersvorsorgepflicht für Selbstständige in Deutschland" sprechen. Andreas Heinz, Vorsitzender Richter am BSG wird einen "Überblick über die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts" geben.
Meine Rede beschäftigt sich damit, wie eine "wirksame soziale Sicherung Selbstständiger im Hinblick auf Arbeitslosigkeit und Altersvorsorge aus Sicht der Betroffenen" aussehen muss. Mein Vortrag auf dem Rentenberatertag war dafür eine Art Generalprobe, die mich selbstbewusst und gelassen in diese Veranstaltung gehen lässt. Ich freue mich schon auf den Austausch mit den Referent/innen und Teilnehmer/innen auf dem Sozialrechtstag.
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