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Lesetipp Branche, Stundensatz, Sozialabgaben Warum für selbstständige Frauen ein dreifacher Gender-Pay-Gap gilt

Weniger Geld für Frauen: Der Gender-Pay-Gap ist den meisten bekannt. Zwei Gründe dafür oft auch. Was die wenigsten wissen: Für selbstständige Frauen gibt es sogar einen dritten Einkommensnachteil. Der VGSD kämpft für Gleichbehandlung.

Seit 2020 liegt der unbereinigte Gender-Pay-Gap unverändert bei 18 Prozent

Es ist erst wenige Wochen her, da wurde in Deutschland der Equal Pay Day begangen. Am 6. März war der Tag der gleichen Bezahlung von Männern und Frauen. 66 Tage hatten Frauen in diesem Jahr rechnerisch umsonst gearbeitet, weil ihre Bruttoarbeitslöhne 2023 im Schnitt um 18 Prozent niedriger lagen als die von Männern. Auf dieser Höhe verharrt der Unterschied seit 2020, zu Beginn der Messung im Jahr 2006 betrug er 23 Prozent. Die Einkommensverhältnisse selbstständiger Frauen werden selten wissenschaftlich erforscht. Über eine der wenigen Studien haben wir vor ein paar Jahren berichtet: Ihr zufolge verdienen selbstständige Frauen sogar 44 Prozent weniger als selbstständige Männer.

Zwei Gründe für den Gender-Pay-Gap sind hinlänglich bekannt:

  1. Frauen arbeiten öfter in Branchen mit niedrigem Einkommensgefüge und in Teilzeit.

Das sind zum Beispiel soziale und pflegerische Berufe, heißt aber auch Text statt Technik, Friseurhandwerk statt Mechatronik. Dabei ist es kein Naturgesetz, dass in diesen Branchen weniger gezahlt wird. Oft sind Branchen gerade deshalb schlecht bezahlt, weil die Arbeit vorwiegend von Frauen erbracht wird. Selbstständige Tagespflegepersonen erleben beispielsweise, dass ihre Tätigkeit abgewertet wird, weil sie ja "keine richtige Arbeit" sei – Kinder betreuen würden sie ohnehin, in ihrer Tätigkeit nähmen sie einfach "ein paar dazu". Auch Hebamme ist ein pflegerischer Beruf, der oft selbstständig ausgeübt wird und in dem es schwierig ist, hohe Einkommen zu erzielen. Dasselbe gilt für Übersetzen und Dolmetschen, wo Frauen ebenfalls besonders stark vertreten sind.

Der Staat ist mitverantwortlich für den Gender-Pay-Gap

Diese Branchen haben übrigens gemeinsam, dass der Staat eine zentrale Rolle spielt: Er ist direkter oder indirekter Auftraggeber oder legt Honorarordnungen fest. Der Staat ist also in weiten Teilen mitverantwortlich für diesen ersten Gender-Pay-Gap.

Frauen sind außerdem häufiger in Teilzeit tätig als Männer. Auch dies führt zu geringerer Bezahlung. Auffällig in diesem Zusammenhang auch: Bis zum Alter von 30 Jahren ist der Gender-Pay-Gap noch klein. Ab etwa 30 jedoch, dem durchschnittlichen Alter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes, stagniert der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen beinahe, während er bei Männern bis zum Alter von 57 Jahren fast kontinuierlich steigt.

Ab dem 30. Lebensjahr stagniert der Bruttostundenverdienst von Frauen beinahe

Den Gehaltsunterschied über die Branchen hinweg zu betrachten, also miteinzubeziehen, dass für unterschiedliche Arbeit unterschiedlicher Lohn gezahlt wird, ist der so genannte unbereinigte Gender-Pay-Gap. Doch auch wenn man diesen Effekt beiseitelässt, bleibt der zweite Aspekt des Gender-Pay-Gaps:

  1. Frauen werden bei gleicher Tätigkeit häufig schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.

Hier können keine äußeren Faktoren wie Branche, Ausbildung, berufliche Vorerfahrungen oder Anforderungen den Verdienstunterschied erklären. Frauen bekommen für die gleiche Arbeit schlicht weniger Geld. Dieser sogenannte bereinigte Gender-Pay-Gap beläuft sich auf sechs Prozent.

Nun gibt es allerdings noch einen weiteren Aspekt der Ungleichbehandlung, der sich nur bei Selbstständigen und besonders bei Frauen auswirkt:

  1. Selbstständige unterliegen höheren Sozialabgaben als Angestellte mit vergleichbarem Einkommen.

Für Selbstständige fehlt es in der deutschen Sozialversicherung an Beitragsgerechtigkeit. Wir haben dem Thema gerade einen ausführlichen Beitrag gewidmet. Die Beitragsungerechtigkeit für Selbstständige setzt sich aus drei Elementen zusammen: 

  • Sozialbeiträge werden auch auf den rechnerischen Arbeitgeberanteil erhoben.
  • Sozialbeiträge werden auf alle Einkommensarten erhoben.
  • Höhere Mindestbemessungsgrenze für freiwillige GKV-Mitglieder.

Diese Ungerechtigkeiten gelten für alle Selbstständigen, die Sozialbeiträge zahlen. Frauen betreffen sie jedoch in besonderem Maß. Und die Effekte des dreifachen Gender-Pay-Gaps kumulieren sich: Da Frauen besonders oft in schlechter bezahlten Branchen arbeiten und für die gleiche Tätigkeit weniger Geld bekommen, sind sie als Selbstständige häufiger von der Beitragsungerechtigkeit betroffen. Denn bei Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze wirken sich die Ungleichbehandlungen nicht mehr aus, da man dann schon den maximal möglichen Beitrag bezahlt. Diese hohen Einkommen erzielen mehr Männer als Frauen.

Versprechen aus Koalitionsvertrag nicht gehalten

Frauen sind häufiger in Teilzeit selbstständig. Gerade nach einer Babypause kann die Selbstständigkeit ein familienfreundlicher Wiedereinstieg ins Berufsleben sein. Zum Start sind es vielleicht nur wenige Stunden pro Woche, je nach Möglichkeit könnten es nach und nach mehr werden. Doch der linearen Steigerung steht die Mindestbemessungsgrenze im Weg: Ab einem Monatseinkommen von mehr als 505 Euro ist mit der kostenlosen Familienversicherung Schluss. Dann sind Beiträge für ein Einkommen von 1.178 Euro zu zahlen – egal, ob die selbstständige Person 506 Euro oder 1.177 Euro verdient. Das ist zwar schon eine Verbesserung gegenüber der Situation vor 2019, als die Mindestbemessungsgrenze auch durch den Einsatz des VGSD halbiert wurde. Zu hoch ist die Grenze dennoch – was auch der Koalitionsvertrag anerkennt, die Ampel aber leider nicht umsetzt.

Hohe Bemessungsgrenze setzt falsche Anreize

Der riesige Sprung macht es im Teilzeit-Bereich unattraktiv, Stundenzahl und Verdienst zu steigern. Denn in der ersten Zeit wird das mehr eingenommene Geld – und möglicherweise noch mehr als das – von den hohen Sozialbeiträgen verschlungen. Die hohe Mindestbemessungsgrenze setzt Anreize, im Geringfügigkeitsbereich zu bleiben. Damit werden eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen und eine bessere Altersvorsorge verhindert.

Zum einen kann die hohe Mindestbemessungsgrenze also dazu führen, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit nicht ausbauen, obwohl sie es könnten und gerne tun würden. Zum anderen führt sie dazu, dass sie in Phasen mit niedrigem Einkommen unverhältnismäßig viel Sozialbeiträge zahlen. Ebenso mindern die anderen beiden Elemente der Beitragsungerechtigkeit das Nettoeinkommen.

Gender-Pay-Gap führt zu Gender-Pension-Gap

In einer Konstellation, in der Frauen gesetzlich krankenversichert, aber nicht rentenversicherungspflichtig sind, bedeutet dies, dass sie weniger Geld für die Altersvorsorge zur Verfügung haben. Dies leistet dem nächsten Gender-Gap Vorschub: dem Gender-Pension-Gap. Denn im Alter liegen Frauen mit ihrem Einkommen noch weiter hinter Männern zurück als im Berufsleben.

Für den VGSD ist der Kampf für Beitragsgerechtigkeit seit vielen Jahren ein ganz zentrales Anliegen. Er ist zugleich ein Kampf gegen den dreifachen Gender-Pay-Gap.

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