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Lesetipp Engagement für Bundestagspetition hat sich gelohnt Kaum noch missbräuchliche Abmahnungen durch neues Gesetz

Seit zwei Jahren gibt es ein Gesetz gegen Abmahnmissbrauch, seit einem Jahr darf nur noch abmahnen, wer in einer Liste eingetragen ist. Das Gesetz, das mit Unterstützung des VGSD zustande kam, ist eine Erfolgsgeschichte. Daran ändert auch die jüngste Google-Fonts-Abmahnwelle nichts, wegen der inzwischen staatsanwaltschaftlich ermittelt wird.

Angriff gestoppt: Das Gesetz gegen Abmahnmissbrauch zeigt Wirkung

Es war ein schäbiges Geschäftsmodell, das lange Zeit gut funktionierte: Auf Internet-Präsenzen kleine Verstöße gegen Datenschutz, Kennzeichnungspflichten oder ähnliches automatisiert aufspüren und dann eine Abmahnung an die die Betreiber verschicken. Meist eine nicht allzu hohe Gebühr in Kombination mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Die Betroffenen zahlten und unterschrieben oft – und stürzten sich damit nichtsahnend in eine ruinöse Spirale. Denn die Unterlassungserklärungen setzen hohe Strafen für jeden weiteren Verstoß fest. Es lässt sich in der Praxis kaum vermeiden, irgendwo weitere kleine Fehler zu begehen, und so werden hohe Beträge fällig. Die Profiteure: unseriöse Anwaltskanzleien oder Verbände, die oft keinen anderen Zweck verfolgten, als mit möglichst wenig Arbeit viel Geld einzunehmen.

Erfolgreiche Bundestagspetition

Eine der Betroffenen war auch VGSD-Mitglied und inzwischen -Mitarbeiterin Vera Dietrich. Als Online-Händlerin wurde sie wegen kleinster Fehler in ihrem Shop abgemahnt. Doch sie unterschrieb die Unterlassungserklärung nicht, sondern wehrte sich sowohl juristisch als auch politisch. Im Frühjahr 2018 startete sie eine Bundestagspetition, die schließlich zum "Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs" führte. Das Gesetz trat im Dezember 2020 in Kraft. Seit dem 1. Dezember 2021 gilt zudem die "Listen-Regelung". Sie besagt, dass Vereine und ähnliche Einrichtungen nur dann abmahnen dürfen, wenn sie bestimmte Anforderungen erfüllen und nach Prüfung auf einer Liste beim Bundesjustizamt eingetragen werden.

Sinnvolles Instrument zur Entlastung des Rechtsstaats

Nach einem Jahr mit der Listen-Regelung haben wir uns gefragt: Wie wirksam ist das neue Gesetz? Erfüllt es seinen Zweck? Eine offizielle Statistik dazu gibt es nicht. Auch gelangen nur wenige Fälle von Abmahnungen vor Gericht. Es ist gerade Sinn und Zweck von Abmahnungen, dass mit ihnen wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten außergerichtlich geregelt werden sollen. Wenn alle nach den Regeln spielen, dienen Abmahnungen der Entlastung des Rechtsstaats. Allerdings fehlt dadurch auch Zahlenmaterial, um Missbrauch zu erkennen.

Kaum noch Beschwerden wegen Abmahnungen

Einen guten Überblick über das Abmahngeschehen haben die Industrie- und Handelskammern. Hier sind die Gewerbetreibenden Mitglied, und hierhin wenden sie sich mit ihren Anliegen. Hildegard Reppelmund, Referatsleiterin Wettbewerbsrecht bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin, hat viel Erfahrung mit den Klagen von Gewerbetreibenden über Abmahnungen. Sie spürt die Wirkung des neuen Gesetzes deutlich: "Wir haben so gut wie keine Beschwerden zu oft missbräuchlichen Abmahnungen wegen Kleinigkeiten", sagt sie. "Früher gab es solche Beschwerden mehrmals die Woche, heute wird dieses Thema nur noch sehr vereinzelt an uns herangetragen."

Auch die IT-Recht-Kanzlei in München bemerkt die Folgen des Gesetzes: "In unserer Arbeit kommen solche Fälle missbräuchlicher Abmahnungen regelmäßig kaum bis gar nicht mehr vor", berichtet Rechtsanwalt Felix Barth. Auch dass nicht mehr jede Person, der es in den Sinn kommt, abmahnen kann, macht sich offenbar bemerkbar: Barth stellt fest, es gebe "nicht mehr so viele unterschiedliche Abmahner".

DSGVO-Verstoß durch Google Fonts

In den vergangenen Monaten schien eine neue Abmahnwelle über das Land zu rollen. "Google Fonts" war das Stichwort, unter dem zahlreiche Websitebetreibende seit Sommer 2022 Post erhielten, die sie zur Zahlung eines niedrigen dreistelligen Betrags wegen der Verwendung von "Google Fonts", eines von Google bereitgestellten Verzeichnisses von Schriftarten, aufforderten. Das Nachladen der Schriften von Google-Servern übermittelt Informationen über die Nutzer der Website an Google. Das verstößt tatsächlich gegen die DSGVO und lässt sich leicht vermeiden, wenn man die verwendeten Schriften einmalig herunterlädt und lokal speichert.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Google-Fonts-"Abmahner"

In den Schreiben hieß es nun, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Websitebesuchers sei verletzt und deshalb Schmerzensgeld zu zahlen. Streng genommen handelte es sich dabei nicht um Abmahnungen, da die Verfasser der Schreiben behaupteten, eine Schadenersatzforderung zu haben und anboten, auf diese gegen Zahlung des genannten Betrags zu verzichten. 

Die Post wurde massenhaft im Wesentlichen von zwei Anwaltskanzleien verschickt. Zumindest eine der beiden Kanzleien wurde im Dezember von der Polizei durchsucht, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Abmahnbetrugs und versuchter Erpressung. "Die Sache dürfte sich erst mal erledigt haben", vermutet Anwalt Barth.

VGSD fordert Online-Abmahnregister

Das neue Gesetz dämmt den Abmahnmissbrauch also wirksam ein. Doch wie immer gilt: Es geht noch besser. "Es wurden wie immer Schlupflöcher gefunden, die auch weiterhin Abmahnungen von eher geringfügigen Verstößen möglich machen", sagt Barth. Nach Überzeugung des VGSD könnte der Kampf gegen den Abmahnmissbrauch mit der Einführung eines Online-Abmahnregisters noch wesentlich verbessert werden. Diesen Vorschlag hatte der VGSD zusammen mit 30 weiteren Verbänden bereits in einer Stellungnahme zum Inkrafttreten des Gesetzes im Dezember 2020 vorgebracht und setzt sich nach wie vor dafür ein.

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